laut.de-Kritik
Die Altmeister huldigen der dunklen Seite des Sounds.
Review von Daniel StraubDr. Alex Paterson und seine illustre Schar an Mitstreitern, zu der ein Ex-Palais Schaumburg-Mitglied genauso zu rechnen ist wie Killing Joke-Bassist Youth, schrieben in den frühen 90er Jahren mit ihrer epischen und chilligen Interpretation von Techno Geschichte. Bald schon gehören David Bowie und Aphex Twin zur erklärten The Orb-Fangemeinde. "Bicycles & Tricycles", das erste Studioalbum nach dreijähriger Abstinenz, weist The Orb einmal mehr als feinfühlige Collagisten mit Hang zur dunklen Seite des Sounds aus.
The Orb haben sich nie um Kategorisierungen oder sonstiges Schubladendenken geschert. Wie sonst hätten sie ausufernde Klangwelten wie "A Huge Ever Growing Pulsating Brain That Rules From The Centre Of The Ultraworld" oder "Blue Room" errichten können, die sich irgendwo in der Schnittmenge von Acid, Ambient, House und was weiß ich noch bewegen?
Der eklektizistische Charakter von The Orb bleibt auch auf "Bicycles & Tricycles" erhalten, und so darf auf "Aftermath" MC Shoom T über die Beats von Paterson & Co. rappen, während "The Land Of Green Ginger" orbsches Soundverständnis in Reinkultur zelebriert. Vocalsamples schmiegen sich an deep groovende Basslines, denen sich eine von Flächen getragene Melodie an die Seite gesellt. Da verwundert es nicht mehr, dass findige Schreiberlinge für The Orb irgendwann das Genre Ambient-House erfanden.
Doch muss nicht alles lieblich sein, was Ambient heißt. Das deutet der Titel von "Hell's Kitchen" bereits an. Der von dunklen und schwerfälligen Beats durchzogene Track lässt mit seinen klaustrophobischen Sounds die Hölle aus dem Lautsprecher wummern. In eine ähnliche Kerbe schlägt das schwermütige "Kompania", das sich auch prima auf einer Coil-Platte machen würde. Doch The Orb wären nicht The Orb würden sie den Zuhörern nicht im nächsten Augenblick mit einer freundlichen House-Nummer ganz ohne dunkle Untertöne unverhohlen schmeicheln.
"L.U.C.A" gibt sich mit seinen schwer rollenden Downbeats als der legitime Erbe von Leftfield zu erkennen. "Afrika Shox" ist hier nicht mehr weit, einzig die Vorliebe für prägnante Vocalsamples macht den Track zu einem The Orb-Song. Dieses Unterscheidungsmerkmal fehlt beim Electrodub von "Tower Twenty Three". Gemächlich hebt der Groove an, bevor eine Offbeat das Label Dub über den Track klebt und mit starkem Hall belegte Vocals den Eindruck noch verstärken.
Hier müssen The Orb der Geschichte Tribut zollen. Vor fünfzehn Jahren gaben sie den Takt für eine ganze Reihe anderer Bands vor. Heute können sie diesen Anspruch nicht mehr in seiner Absolutheit aufrechterhalten, was der Qualität des Albums jedoch keinen Abbruch tut. Ganz im Gegenteil, noch nie waren The Orb so menschlich und bodenständig wie auf "Bicycles & Tricycles".
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