laut.de-Kritik
Durchwachsenes Comeback nach viel zu langer Pause.
Review von Connor Endt"I'm here right now, I'm not dead yet", singt Brendan Benson in "Somedays (I Don't Feel Like Trying)". Da seit "Consolers Of The Lonely" aber bereits elf Jahre vergangen sind, konnte man schon echte Zweifel daran hegen, ob Jack White die Band jemals wieder ins Leben rufen würde. Nachdem White zuletzt solo ("Boarding House Reach") unterwegs war, gibt es jetzt also eine neue Raconteurs-Platte. Schuld daran soll der Song "Shine The Light On Me" gewesen sein, den White für sein letztes Solo-Album aufnehmen wollte. Als der Song nicht zum restlichen Material passte, beschlossen White und Benson, den Song zusammen in den hauseigenen Third-Man-Studios in Nashville aufzunehmen. Die restlichen Raconteurs wurden zusammen getrommelt, und aus einem Song wurde dann ziemlich schnell ein ganzes Album.
"Help Us Stranger" klingt an allen Ecken wie ein Blick zurück: irgendwo zwischen mit reichlich kreischenden E-Gitarren angereichertem Blues, Classic Rock und Folk-Elementen bewegen sich die neuen Songs. "Bored And Razed" hört sich zunächst so an, als wären die Raconteurs nie wirklich weg gewesen: eine einfache Gitarren-Melodie wird von angeshuffleten Drums begleitet, dann folgen die typischen Beckenschläge auf die Gitarrenchords. Und spätestens wenn Whites kreischende Gitarre einsetzt möchte man rufen: Ja verdammt, sie sind zurück! Wie schon auf den beiden Vorgänger-Alben ergänzen sich Jack White und Brendan Benson stimmlich ganz hervorragend: während White mit seiner schneidenden Stimme die Strophen keift, setzt Benson im Refrain ein und verleiht dem Song einen gewissen Pop-Appeal.
So ganz ist dann aber doch nicht alles beim Alten geblieben: zum einen klingen die neuen Songs um einiges poppiger, außerdem ist alle musikalische Bescheidenheit verflogen. Wo "Broken Boy Soldiers" und "Consolers Of The Lonely" noch relativ dezent instrumentiert vor sich hin rumpelten, ist das neue Werk an vielen Stellen ziemlich überfrachtet. "Help Me Stranger" etwa beginnt mit einem Vocal-Sample à la "Rubber Soul", um am Ende in Percussion, Shakern, Synthesizern und mehreren Gitarrenspuren zu gipfeln.
Zum Glück zieht die Band an solchen Stellen mitunter selbst die Reißleine. "Help Me Stranger" wird von der Ballade "Only Child" abgelöst. Auch an ruhigeren Stellen harmonieren die beiden Sänger perfekt miteinander.
"Don't Bother Me" kann man ohne große Probleme als Seitenhieb auf Donald Trump erkennen: The lack of your empathy, your 'who me?' fake apologies, your political science", kreischt Jack White da wütend ins Mikro. Kein Wunder, dass er angepisst ist, immerhin hat Trump "Seven Nation Army" für seinen Wahlkampf missbraucht - ohne Einwilligung der White Stripes. Drummer Patrick Keeler haut für den Song ordentlich in die Trommeln und sorgt neben Whites wutentbranntem Vortrag dafür, dass "Dont Bother Me" zum kraftvollsten Song des Albums mutiert. Allgemein hat Keeler bei Album Nummer 3 nochmal ordentlich zugelegt: die Fills sind interessanter, die Grooves treiben mehr und erinnern an ihren Höhepunkten an John Bonham. Am Ende gibt's dann natürlich auch noch ein amtliches Schrammel-Solo.
Ähnlich politisch geht es auf den restlichen Songs des Albums nicht zu. Vielmehr bedienen The Raconteurs die klassischen Rock'n'Roll-Themen verlorene Liebe ("Now That You're Gone", "Bored And Razed"), alles hinter sich lassen ("Only Child") und jede Menge zwischenmenschliche Beziehungen. "Thoughts And Prayers" könnte man als Anspielung auf die amerikanische Waffenpolitik lesen, denn genau diese "thoughts and prayers" werden oft nach Schießereien und Amokläufen von Politikern ausgesprochen oder getwittert.
Zwischendurch gibt es leider auch immer wieder ziemliche Durchhänger. Bei "Somedays (I Don't Feel Like Trying)" etwa erklingen gleichzeitig so viele verschiedene Instrumente, dass am Ende nur noch ein einziger musikalischer Brei zu hören ist. Auch "Live A Lie" bleibt nicht im Ohr und verliert sich in seinen Gitarren-Licks, Soli und Mantra-haft wiederholten Lyrics.
Mit "Hey Gyp (Dig The Slowness)" hat es ein Donovan-Cover auf die Scheibe geschafft. Ähnlich wie im Original trägt eine Mundharmonika auch hier hauptsächlich die Melodie. Wiederum ist es Keeler, der dem Song mit seinem Drumming eine Portion Extra-Punch verleiht. Obwohl "Help Us Stranger" ganz in der Tradition der guten alten Gitarren-Musik steht, gibt es immer wieder musikalische Ausbrecher. Neben "Only Child" ist besonders "Thoughts And Prayers" auffällig, der mit Akustik-Gitarren und Violinen eine ziemlich coole Country-Nummer geworden ist.
Insgesamt ist das dritte Album der Raconteurs ein ziemlich durchwachsenes Werk. Highlights bleiben "Don't Bother Me" und die Vorab-Singles "Sunday Driver" und "Now That You're Gone". An vielen Stellen klingt Album No. 3 nicht so präzise und ausgefeilt wie die beiden Vorgänger, bei denen beinahe jeder Song im Ohr hängen geblieben ist. Trotzdem kann man sich auch "Help Us Stranger" ganz hervorragend anhören - White, Benson und der Rest der Truppe verstehen ihr Handwerk.
Jack White würde jetzt noch empfehlen, sich das Album als Schallplatte zu kaufen. In den Staaten bekommt jeder Konzertbesucher das neue Werk als Gratis-CD zum Ticket dazu. White hofft, dass sich die Fans aus Interesse dann noch die Vinyl-Version zulegen. Egal, wie gehört wird: es ist schön, dass die Raconteurs zurück sind! Wir haben sie vermisst!
2 Kommentare
come on, geile Scheibe!
Unglaublich, dass man das Black Keys Album über dieses stellt. Für mich eine grandiose Platte, quintessentiell für diese Band und ihre Kreativität. Wenn "Let's Rock" (Pop Album mit Rock Anleihen) eine 4/5 ist, ist "Help Us Stranger" eine 5/5. Just saying.