laut.de-Kritik

Wenn eine Refrain-Band die Refrains verlernt.

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Änderung ist die einzige Konstante im Leben, und so müssen The Vaccines auf ihrem sechsten Album "Pick-Up Full of Pink Carnations" zum ersten Mal auf ihren Gitarristen Freddie Cowan verzichten. Frontmann und Gitarrist Justin Young übernahm dessen Part im Studio. Die Frage "What Did You Expect From The Vaccines?" stellt sich 2024 also erneut.

Wer nun 'flotten, aber irgendwie melancholischen Gitarrenpop' antwortet, liegt ersmal richtig, so viel ändert sich in den Grundzügen des Sounds nicht. Das zeigen bereits die zuletzt veröffentlichten Singles "Lunar Eclipse" und "Love To Walk Away". Bei Ersterem punkten die Gitarren mit einem schönen, scharfen Refrainriff und metallischen Bögen in den Strophen - was in dieser Weise nur beim Closer "Anonymous In Los Feliz" gelingt.

Alle andern Tracks fallen leider eher ab, das Songwriting wirkt etwas durcheinander, so dass Young wenig mehr einfällt, als die Gitarren machen zu lassen und dazu etwas zu bemüht zu krakeelen. "Love To Walk Away" baut in seinen zwei Minuten mehr Spannung auf, brennt sich aber auch nicht in die Synapsen. Zu wenig bleibt hängen, außer einem vagen, positiven Eindruck.

Das Album startet mit "Sometimes, I Swear", und wie schon bei den Singles mag man Andrew Wells verwaschener Produktion nicht attestieren, dass sie "Pick-Up Full of Pink Carnations" helfen würde. Die Idee bleibt erkennbar: Viel Druck, Young ein wenig hinter den Instrumenten verstecken, und dem Sound ein raueres Wüstengewand in Richtung der eingängigeren Songs der The Horrors verpassen.

In der Umsetzung des Vorhabens verschwinden Bassist Árnason und Drummer Intonti aber meist hinter einer fast schon Shoegaze-artigen Gitarrenwand, Young hört sich zudem durchgehend angestrengt an. Der Song ist trotzdem nicht verkehrt, Charme besitzt die Band nach wie vor, und auch, wenn das Songwriting hier vorhersehbar bleibt, baut das Quartett immer wieder interessante Parts ein. Die Produktion baut auch eine homogene Atmosphäre auf.

Die erste Single "Heartbreak Kid" ist dagegen langweiliger Mist. Da kann noch so viel Fuzz auf die Gitarren gepackt werden, der Track fühlt sich konstruiert und insbesondere im Refrain harmlos charttauglich an. Derlei Handwerk können viele nicht, und die Londoner gehören dazu. "Discount De Kooning (Last One Standing)" macht es mit seinem käsig faden Refrain nicht besser, fängt dafür deutlich stärker an. Es spricht nicht für die Band, dass ihr nach hinten raus nichts anderes einfällt, als den Refrain einfach noch mal auszuwringen.

Die Musik der Vaccines hat sich nicht so stark geändert, doch man beginnt zu verstehen, welches Element Cowan vielleicht eingebracht hat. Der Band gelingt es zwar, einen Lana Del Rey-artigen, nostalgischen Feel zu kreieren, aber selbst einem stabilen Song wie "Primitive Man" geht das gewisse Extra ab, um ihn zum Ohrwurm zu machen - von halbgarem Schmarren wie "Sunkissed", bei dem sich die Vaccines sauber an Art Pop verheben, gar nicht erst anzufangen.

"Pick-Up Full Of Pink Carnations" ist kein unsympathisches Album. Zumal die Briten hier etwas probieren, und das an mehreren Stellen gleichzeitig. Dass es so selten gelingt, will man da fast schon verzeihen, wäre es nicht die Band selbst, die den tollen Beginn von "Another Nightmare" oder die flotte Strophe von "The Dreamer" gegen die Wand fährt. Eine Refrain-Band, die Refrains verlernt hat.

Trackliste

  1. 1. Sometimes, I Swear
  2. 2. Heartbreak Kid
  3. 3. Lunar Eclipse
  4. 4. Discount De Kooning (Last One Standing)
  5. 5. Primitive Man
  6. 6. Sunkissed
  7. 7. Another Nightmare
  8. 8. Love To Walk Away
  9. 9. The Dreamer
  10. 10. Anonymous in Los Feliz

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