laut.de-Kritik
Kratzige Rockfeger und psychedelische Momente.
Review von Michael SchuhEtwas überrascht ist man schon, dass die australische Band The Vines um den am Asperger-Syndrom leidenden Sänger Craig Nicholls tatsächlich noch einmal eine neue Platte vorlegt. Ihre Geschichte schien nach dem mediokren zweiten Album und rockstarmäßigen Tour-Eskapaden schon so gut wie fertig erzählt. Mit der Kunde der Autismus-Erkrankung erfuhr man 2005 nebenbei noch, die Band wolle fortan nie mehr auf Tournee gehen.
Wer schonmal einen Liveauftritt der Band mitverfolgte, den dürfte diese Nachricht nicht sonderlich betrübt haben. Auf Platte machte das irgendwie mehr her, zumal auf "Highly Evolved", mit dem den Vines 2002 ein kleiner Diamant der Retro Rock-Bewegung aus dem Proberaum kullerte. Die gute Nachricht ist nun, dass "Vision Valley" wieder mehr an diesen Husarenstreich anknüpft. Was die Band vor der Aussage, ihr neues Material klänge "kantiger und wilder", zu sich genommen hat, ist nicht bekannt. Gerade daran krankte ja schon "Winning Days".
Mit "F*k Yeh", "Dope Train" oder "Gross Out" sind auch diesmal wieder die altbekannten, kratzig-lauten und meist irgendwie überflüssigen Nirvana-Klone mit dabei. Richtig gut sind vielmehr die Songs, die tempomäßig eine Spur reduzierter daher kommen, wie der Handclap-verstärkte Opener "Anysound" oder die ungemein eingängige Single "Don't Listen To The Radio". Die wahre Kunst des Vines'schen Songwritings lugt noch immer aus den balladesken Psychedelic-Momenten hervor, wovon sie glücklicherweise gleich wieder ein paar aufbieten.
"Candy Daze" ist feinster "Rubber Soul"-Pop inklusive "Lalala"-Mitsingpart, in "Take Me Back" reißen die Akustikgitarren die Kontrolle an sich und "Going Gone" bezaubert zusätzlich mit Streicher-Arrangements. Auch das Trio selbst dürfte sich vorwiegend an den leisen Momenten messen lassen, findet sich mit "Spaceship" diesmal doch tatsächlich ein lupenreiner Sechsminüter unter all den Vines-üblichen Ruckzuck-Zweiminuten-Quickies. Jener Abschlusssong ist ein zunächst lieblich-hippieskes (höre ich etwa Flöten?), mit zunehmender Dauer noch ordentlich ruckelndes Space Rock-Ding. "I will leave home" sind Nicholls' letzte Worte. Fans der Truppe sollten diese Worte jedoch nicht zu sehr auf die Goldwaage legen.
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