laut.de-Kritik

Die Winterlethargie ist zu Ende.

Review von

Mit dem neuen Album der Wombats dürfte die Weihnachtslethargie ein Ende haben. Auf der mittlerweile fünften LP "Fix Yourself, Not The World" sorgt das Trio nach mittlerweile knapp 20 Jahren Bandgeschichte mal wieder für ordentlich Energie und Tempo. Wer bisher noch nicht so ganz aus dem Trott der besinnlichen Tage herausgefunden hat, hier kommt die Radikalkur.

Wie für so viele Alben, die im Zeitraum der letzten zwei Jahre entstanden sind, war die Fertigstellung von "Fix Yourself, Not The World" gleichwohl kein Spaziergang. Zwar leben Murph, Dan und Tord schon seit den Arbeiten am Vorgänger "Beautiful People Will Ruin Your Life" in verschiedenen Teilen der Welt (L.A., London und Oslo), bis zum Zeitalter der Reisebeschränkungen war dies allerdings nie ein besonderes Hindernis.

Für den fünften Anlauf musste nun hingegen die digitale Allzweckwaffe Zoom herhalten. So schickten die Bandmitglieder kontinuierlich verschiedenste Aufnahmen und Skizzen zu ihren Produzenten Jacknife Lee, Paul Meany, Gabe Simon, Mike Crossey und Langzeitkollaborateur Mark Crew. Ein Prozess, den Leadsänger Murph als "pure madness" bezeichnet und nicht weiterempfehlen würde.

Der musikalischen Ausrichtung der Platte hat dieser Umstand allerdings wenig geschadet. Auch wenn sich der etwas sperrige Opener "Flip Me Upside Down" schnell zu einer der bisher am wenigsten mitreißendsten Wombats-Kompositionen herausstellt, präsentiert er sofort den explosiven Fingerabdruck der LP und ist wiederum der Vorbote für einen der bisher besten Songs des Trios: "This Car Drives All By Itself". Während das Highlight mit einem berauschenden Groove, fesselnden Melodien, spannungsgeladener Instrumentierung und quirligen Synthschnipseln als hochgradig feines Pop-Produkt glänzt, offenbart die Metapher des selbstfahrenden Autos erstmals den Album-umspannenden Leitsatz: Wir haben unser Leben nicht so sehr unter Kontrolle, wie wir oftmals denken.

Gerade in der ersten Hälfte der Platte liefern Murph und Co. pausenlos ab. Zu einem wartet das bissige und dynamische "Ready For The High", das neben konventioneller Produktion auch erfrischende Stilmittel wie verzerrte Falsetto-Vocals oder Halftime-Rhythmen nutzt, um wunderbar zwischen musikalischer Anspannung und Entspannung zu spielen. "If You Ever Leave, I'm Coming With You" setzt auf ordentlich Synth-Power, um inhaltlich die negative Auswirkung der Pandemie auf unzählige zwischenmenschliche Beziehungen zu kompensieren, während "Method To The Madness" in gemütlicher Lofi-Atmosphäre genau an der richtigen Stelle Zeit zum Durchatmen gibt, zumindest bis zum großen Finale am Ende des Songs.

"People Don't Change People, Time Does" beinhaltet wiederum alle Zutaten für einen melodisch melancholischen Indie-Pop-Hit, der die Geschichte einer jungen Schauspielerin erzählt, deren optimistische Träume vom großen Künstlerdasein in der Kunstmetropole L.A. außerhalb ihrer Kontrolle nach und nach im Sand verlaufen: "Just gotta make it glue, make it glue / 'Cause the universe has got plans / And competition can dry you up / And now she's living on a road map".

Im Verlauf der zweiten Hälfte geht den Wombats jedoch zunehmend der Atem aus. Tracks wie "Worry" oder "Work Is Easy, Life Is Hard" fehlt es an Durchschlagskraft und individueller Klasse, die "This Car Drives All By Itself", "Ready For The High" und "If You Ever Leave, I'm Coming With You" nich ausgezeichnet haben. Musikalisch zu generisch und uninspiriert verlaufen die durchaus vielversprechenden lyrischen Ideen zu Themen wie Paranoia, der toxischen Seite von Social Media und dem Wiederfinden der Lebensfreude im Nichts. "Don't Poke The Bear" wirkt in jeder Hinsicht wie ein Filler, weshalb es umso schöner ist, dass zumindest der kurze Closer "Fix Yourself, Then The World (Reach Beyond Your Fingers)" als Live-Performance und experimentelle Fusion aus Ambient und Rock nochmals einen völlig anderen Ton anschlägt.

Dennoch bleibt man mit gemischten Gefühlen zurück. "Fix Yourself, Not The World" fehlt die letzte Entschlossenheit. Doch auch wenn es keineswegs neue Maßstäbe setzt oder sich nicht allzu weit von der bewährten Wombats-Identität zwischen eingängigen Pop-Rock-Hooks, energiegeladenem Songwriting und innerer lyrischer Zerrissenheit entfernt, muss es sich aber keineswegs verstecken. Es bleibt ein weitestgehend unterhaltsames, kurzweiliges und kohärentes Hörerlebnis. Und Letzteres ist in Zeiten der Remotearbeit nicht immer selbstverständlich.

Trackliste

  1. 1. Flip Me Upside Down
  2. 2. This Car Drives All By Itself
  3. 3. If You Ever Leave, I'm Coming With You
  4. 4. Ready For The High
  5. 5. Method To The Madness
  6. 6. People Don't Change People, Time Does
  7. 7. Everything I Love Is Going To Die
  8. 8. Work Is Easy, Life Is Hard
  9. 9. Wildfire
  10. 10. Don't Poke The Bear
  11. 11. Worry
  12. 12. Fix Yourself, Then The World (Reach Beyond Your Fingers)

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2 Kommentare

  • Vor 2 Jahren

    Hm, irgendwie klingt das Album nach erstem durchhören bis jetzt „nett“, aber es haut einem noch nicht um.

    „Method To Madness“ ist einer der stärksten Songs, aber schon seit längerer Zeit vorab erschienen.

    Persönlich fand ich das 2020 erschienene Soloalbum von Murph besser (Projektname: Love Fame Tragedy). Erst vor kurzem dank Konkurrenzseite entdeckt ;)

    Zumindest wieder klasse produziert. Review trifft’s gut größtenteils auf dem Punkt, man bleibt ein wenig ratlos zurück. Wobei ich jetzt nicht finde, dass „This Car drives By all itself“ einer der besten Songs von den Wombats ist, aber Geschmäcker sind verschieden ;)

    3 von 5 geht klar, Vorgänger waren jedoch allesamt stärker. Vielleicht muss das Teil auch einfach noch ein paar mal rotieren :)