laut.de-Kritik

Sphärischer und verträumter Post-Rock aus Polen.

Review von

Ein gern verwendetes Stilmittel im instrumentellen Post-Rock ist der Wechsel zwischen laut und leise. Bei weniger guten Bands ist das ähnlich absehbar wie die Temperaturen in Saudi-Arabien. Kreative Gruppen dagegen erinnern eher an das Wetter an der Nordsee. Kommt Regen, kommt Sonne, man weiß es vorher nicht. Tides From Nebula verzichten weitgehend komplett auf diese Wechsel und bleiben gleich in ruhigen und sanften Gewässern. So kann man es natürlich auch machen.

Soll nicht heißen "Earthshine", das zweite Album der Polen, hätte nur laue Lüftchen im Angebot. In "The Fall Of Leviathan" und "These Days, Glory Days" darf das Schlagzeug auch mal reinknüppeln, die E-Gitarren ausbrechen und Akkorde zimmern. Richtig brutal, schnell oder vertrackt wie etwa And So I Watch You From Afar oder Mogwai wird es bei den vier Jungs aber nie. Es regiert die Sanftmut.

"Siberia" ist der perfekte Track, um Tides From Nebulas nicht gerade weitläufiges Soundspektrum aufzuzeigen. In den zehn Minuten, die dieser Monstertrack dauert, bietet er alles, was die Band ausmacht. Langsam und unaufgeregt schweben sphärische Synthie- und Gitarren-Klänge wie Nebel durch den Raum. Ein Piano spielt einzelne Töne. Das Schlagzeug zerreißt zusammen mit dem Bass die dicken Soundwände, geben dem Song Struktur. Die obligatorischen Laut-Leise-Wechseln kommen, wobei die Polen nie richtig Lärm machen. So klingen die einzelnen Parts leider zu ähnlich.

Auch die Songs unterscheiden sich recht wenig. "Waiting For The World To Turn Back" kommt immerhin fast nur mit Klavier-Akkorden aus. "Caravans" lässt erst einmal stolze vier Minuten lang Gitarren über dem wabernden Synthie-Teppich klimpern, bis der Song für zwei Minuten Gas gibt. Danach wird für den Rest des Songs wieder die Härte und das Tempo herausgenommen.

Tempo ist ein gutes Stichwort: "Earthshine" ist nicht nur soft, sondern auch sehr langsam. Vor allem "Cemetry Of Frozen Ships" und "Hypothermia" schleppen sich dahin. So drängt die Platte sich nicht auf, läuft eher im Hintergrund und sorgt für zu wenig Präsenz. Zum Entspannen und vor sich hin Träumen eignet sich "Earthshine" wunderbar, keine Frage. Ein paar überraschende Wendungen oder heftige Breaks hätten der Scheibe aber echt gut getan.

Trackliste

  1. 1. These Days, Glory Days
  2. 2. The Fall Of Leviathan
  3. 3. Waiting For The World To Turn Back
  4. 4. Caravans
  5. 5. White Gardens
  6. 6. Hypothermia
  7. 7. Siberia
  8. 8. Cemetry Of Frozen Ships

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5 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Besser produziert als das Debüt. Aber dort fand ich die Songs besser. Unerwartet ruhig ausgefallen, das hier. Werde aber noch ein paar Durchläufe benötigen.

  • Vor 13 Jahren

    Nach einigen Durchläufen...
    kein schlechtes Album, aber bei dem riesigen Angebot an Post Rock fällt es mir schwer, dieses Album jemand Neugierigem als Tip zu geben.
    Das Debütalbum konnte da eher überzeugen.

  • Vor 12 Jahren

    Mittlerweile finde ich sie gut. 3-4 richtig gute Stücke drauf, bes. die ersten beiden und "Caravans". 4 Sterne inkl. dicken Fanbonusses.

  • Vor 10 Jahren

    hab irgendwie das gefühl, dass dieses album unglaublich groß wäre, wenn es anders produziert worden wäre, wenn es z.b. von caspian käme. nach 3 jahren verspätung kann ich aber sagen, dass es sich lohnt, es sich mehrmals anzuhören, weil es wächst und wächst, wenn man sich erst einmal an diese merkwürdige sound-abmischung gewöhnt hat (gitarren manchmal einfach viel zu leise..) und wenn man sich damit abfindet, dass es trotz all der crescendi innerhalb der songs nie eine instrumentale bzw emotionale explosion am ende eines songs gibt. die piano-passagen sind immer unglaublich meditativ und fesseln meine aufmerksamkeit, nur ist die platzierung im song manchmal etwas plötzlich, so dass man das gefühl hat, aus dem song herausgenommen worden zu sein, und der übergang zur härteren gangart ist manchmal recht abrupt - sie sind aber wunderschön. ebenso abrupt ist allerdings manchmal die abfolge von verschiedenen gitarrenthemen. da bands, die in eine ähnliche kerbe schlagen, mich unlängst sehr enttäuscht haben (z.b. maybeshewill), sich aufgelöst haben (z.b gifts from enola) oder auf sich warten lassen (z.b. if these trees could talk), bin ich froh, tides from nebula wiederentdeckt zu haben und werd mir dann irgendwann wohl auch das dritte album geben ("eternal movement"). anspieltipp wäre eigentlich direkt der erste song, weil das piano-intro einen sofort gefangen nimmt und man sich dann einfach treiben lassen sollte.. der beste song ist allerdings der vorletze ("siberia")..