laut.de-Kritik
Entspannter Songwriter-Pop vom liebenswerten "Altfreak".
Review von Martin LeuteNeben Niels Frevert und Frank Spilker von Die Sterne meldet sich in dieser Vorfrühlingszeit mit Tilman Rossmy noch einer der begabtesten deutschsprachigen Singer/Songwriter zu Wort. Mit seiner Formation Die Regierung hat er seit Mitte der 80er-Jahre die Hamburger Schule entscheidend mitgeprägt und uns als Soloartist mit Indiehits wie "Bodycount T-Shirt" oder "Herzweg" erfreut.
"In Einem Fremden Land" bietet zwölf Lieder, die mehr Pop sind als Country, die Tilman mit seinem wunderbar nöligen und warmen Gesang oder Sprechgesang vorträgt. Allesamt sind sie im Midtempobereich angesiedelt und zeichnen sich durch eine zurückhaltende und melodische Gutlaunigkeit aus.
Rossmy ist ein Meister des Understatement und der klaren, unverstellten Worte. Sehnsucht schwingt immer mit, aber keine Melancholie oder Bedauern des Geschehenen.
"Waren wir nicht immer steif und ungelenk/haben uns immer hinten rein gestellt/misstrauisch ergebnisorientiert. Ja, aber wir sind gewachsen/ Wir haben eine Welle gefangen und uns tragen lassen" besingt er im beschwingten Opener "So Können Wir Auch Sein" mit gesanglicher Unterstützung von Sarah Berger die positiven Wendungen des Lebens.
Alles andere als ungelenk präsentiert er sich auch mit dem Song "Sonnige Seite Der Straße", seiner heiteren Version des Van Morrison-Klassikers "On The Bright Side Of The Reoad", das er mit Gitarre, E-Piano, Schlagzeug und säuselndem Backgroundchor ausmalt. Nicht weniger entzückend interpretiert er Nenas "Fragezeichen" zu Banjo und Steel Gitarre.
Dieses hohe Niveau hält Rossmy mit den folgenden Eigenkompositionen mühelos. Ob das tolle Orgel-Arragement in "Ein Alter Bekannter" oder das hämmernde Klavier in "Verborgener Schatz", die Instrumentierung unterstreicht wunderbar die optimistische Stimmung seiner Lieder.
Mit der Solidaritätsbekundung "Eins", dessen aufwühlende Instrumentierung den zärtlichen Text ("Wir sind eins, wir sind eins/wir sind dir näher als du selbst") kontrastiert, knüpft Rossmy an Regierungs-Zeiten an. In schönen "Süden" hört er die Berge rufen, die den Protagonisten an die einstige Zeit in Hamburg erinnern.
Und wenn Tilman von "Gefährten" spricht oder ein langgezogenes "Du" intoniert, fühlt man sich unweigerlich angesprochen und lehnt sich seufzend zurück. Willkommen Zuhause! Mit dem englischsprachigen, vom Banjo begleiteten "Let There Be Mercy" findet er ein treffliches sonniges Schlusswort.
"Mit dem Alter fängt man an, sich für Country Musik zu interessieren", bemerkten einst Die Aeronauten. Wem es ähnlich geht, der ist mit diesem popaffinen, aber unaufgeregten Werk des Quartetts um Rossmy bestens bedient. Tilman Rossmy kommt rüber wie der lässige Kumpeltyp oder der liebenswerte "Altfreak", den er in gleichnamigem Song besingt. Immer wieder schön!
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