laut.de-Kritik
Schall und Hauch.
Review von Yan VogelDen Bogen überspannt Tim Bowness niemals. Der Smooth Operator des gepflegten Artrock bewegt sich wie in Zeitlupe durch seine impressionistischen Klanggemälde. Beim dem 58-jährigen Multiinstrumentalisten ist alles Schall und Hauch. Für die Tupfer im Klanggemälde sorgt die illustre Gästeschar: Nick Beggs (The Mute Gods) besorgt durchgehend die tiefen Töne. Jethro Tull-Flamingo-Flötist Ian Anderson geht so schnell nicht die Puste aus. Mr. Prog himself Steven Wilson legt seine heilenden Hände an die Klangregler und verleiht "Butterfly Mind" die nötige Soundmischung aus Sphäre und Detail.
Die Unterschiede zu den vorherigen Veröffentlichungen sind behutsam und nuanciert. Im Vergleich zu "Flowers At The Scene" und "Late Night Laments" geht Bowness eine Spur artifizieller und ausufernder zu Werke. Auch der Anteil elektronischer Spielereien tritt deutlich zu Tage. Was Bowness von Buddy Wilsons Pop-Exkurs "The Future Bites" oder dem gemeinsamen Projekt No-Man ("Love You To Bits") unterscheidet, liegt an der Verwendung analoger Instrumente, die den natürlichen Gehalt des Klangs erhöhen.
Die vertrackte Collage "Say Your Goodbyes" ist mit Andersons Kabinettstückchen auf der Querflöte unterlegt. Dazu kontrastierend zersägt Van Der Graaf Generator-Mastermind Peter Hamill mit seiner Gitarre die Harmonien, bevor er am Ende mit seinem markanten wie windschiefen Gesang eine A-Capella-Ode zum Besten gibt. Es gibt übrigens Part I und II. Opener und Closer eint die Verwendung des gleichen musikalischen Materials, bei differierender klanglicher Ausgestaltung.
Achtziger-Anleihen mit Orgel und Saxofon erklingen in "It's Easier To Love", während das rastlose "Only A Fool" auf die Tube drückt. Behutsame Tom-Rolls begleiten "Lost Player", ein mit Synthie-Layern austaffiertes Traum-Manifest, das den Spirit von Vangelis atmet.
"Dark Nevada Dreams" mäandert loungig vor sich hin. Tief im Bass-Segment angesiedelt erklingt "After The Stranger". Die hypnotische Basslinie kontrastieren weibliche Backings. Dennoch stellt der Track mehr die Ouvertüre zu "Glitter Fades" dar, einem Piano-basierten und von einem Rhythmus-Loop getriebenenen Ohrwurm, der mit zu den Album-Highlights zählt.
Kritiker werfen Bowness vor, nichtssagende Songs zu produzieren. Dabei ist genaues Hinhören die Kompetenz, die den Hörgenuss steigert und inmitten der Kakophonie des Allerweltstrubels zwischen Größenwahn und Realitätsflucht für eine - wenn auch nur kurze - Erdung sorgt.
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