laut.de-Kritik
Bowness' Werk und Wilsons Beitrag.
Review von Yan VogelSteven Wilson und Tim Bowness verbindet eine langjährige musikalische Partnerschaft, der auf Bowness aktuellem Solooutput "Flowers At The Scene" neues Leben eingeahucht wird. Als No-Man kreierte das Duo einige Dream Pop-Schmankerl, die der kurzen Aufmerksamkeitsspanne des kulturellen Gedächtnisses zum Opfer fielen.
Einige Akkordverbindungen oder gesangliche Manierismen (man höre nur die chorisch austaffierten Vokalisen am Ende von "Rainmark") verbinden viele Hörer mit dem früheren Porcupine Tree-Mastermind, stehen jedoch auch Bowness mit seinen gehauchten Vocals gut zu Gesicht. Dieser beherzigt konsequent die Maxime des verstorbenen Talk Talk-Sängers Marks Hollis: "Bevor du zwei Noten spielst, lerne zunächst eine zu spielen. Und auch nur dann, wenn du einen triftigen Grund dafür hast".
Anders als auf dessen ätherisch atemberaubenden Spätwerken (z.B. "Spirit Of Eden") schlägt hier kompositorische Strenge die postrockigen Schwelgereien. Der Ambient-Aspekt gibt nicht den Ton an, sondern folgt dem Konzept des jeweiligen Songs. Im Vergleich zum Vorgänger "Lost In The Ghost Light", dessen Konzept sämtliche Facetten der Produktion durchzog und eindeutig vom Progrock geprägt war, verzichtet der introvertierte Musiker diesmal auf ein festes, durchgehendes Korsett und lebt sich in Einzelsongs aus, die mehr den Geist des Artrock atmen. Bowness vollzieht so eine ähnliche Entwicklung wie sein Intimus Steven Wilson, dessen freigeistige Denke ihn vom Prog-Koloss "The Raven That Refused To Sing" über das meisterhafte Konzept auf "Hand. Cannot. Erase" bis hin zur Wundertüte "To The Bone" geführt hat.
Bläser wie aus dem Jenseits wehen in die Songs hinein. Holz und Blech illustrieren sehr deutlich die melancholische Grundausrichtung, die seit jeher ein Markenzeichen des Briten darstellt. Das ergibt zusammen mit den modernen Beats im fantastischen "Bordeline", das mit an TV On The Radio erinnernden Gesangseinwürfen besticht, eine hohe emotionale Dichte, der schwer zu entkommen ist. Dezente Synths prägen wie flüchtig aufgehende Blüten das Klangbild, besonders im schwebenden "Ghostlike". Minimalistische, rhythmische Pattern sorgen für den Puls, etwa die Military Snaredrum, die in "The Train That Pulled Away" das Streicherarrangement trägt. Der Song beginnt und endet mit der bissigen Textzeile: "If it didn't kill you then, you knew, it'll kill you later". Darüber breitet Bowness seinen unaufgeregten Gesangsstil und sorgt für wohlige Storytelling-Atmosphäre.
Aufsehen erregen die Gitarrenparts aus den Fingern diverser Saitenkünstler. Griff der 55-Jährige schon beim Vorgänger auf Pineapple Thief-Fronter Bruce Soord zurück, umgibt er sich auch auf "Flowers At The Scene" mit dem Who Is Who des Prog. Da wäre Jim Matheos, der mit krachig-fuzzigen Riffs um sich wirft, die jedoch den Schnörkel seiner Hauptband Fates Warning entbehren und eher stimmungsgestaltend wirken ("It's The World"). Gleiches gilt für Van Der Graaf Generator-Urgestein Mark Hammill, der markige Kontrapunkte in den Wohlklang einstreut ("Killing To Survive"). Bowness erhält außerdem Hilfe von Andy Partridge (XTC), Kevin Godley (10cc), Colin Edwin (Porcupine Tree), David Longdon (Big Big Train), Co-Produzent Brian Hulse (Plenty), dem australischen Trompeter Ian Dixon sowie den Schlagzeugern Tom Atherton and Dylan Howe.
Die abwechslungsreichen und pointierten Songs setzt Wilson in seinem transparenten und einnehmenden Mix brilliant in Szene. Die impressionistische Klangkulisse und die vielschichtige Instrumentierung verleihen der Platte noch zusätzlichen Glanz.
1 Kommentar
Klingt spannend, hatte ihn in anderen Gefilden in Erinnerung. Interessante Kooperationen dabei, nur das Artwork sagt mir (mal wieder) gar nicht zu. Wird gehört!