laut.de-Kritik

Ein richtig gutes Coveralbum und Toms erster Lockdown.

Review von

Für eine ruhige Platte entschied er sich, der 'Tiger'. Und auch für Spoken Word. "Surrounded By Time" bietet Tom Jones pur, mit wenig Drumherum, dafür kunst- und liebevoll und mit reichlich Geschmack in Szene gesetzt. 30 verschiedene Zutaten von Mellotron bis Hackbrett fahren der Brite und sein Team auf - nur, damit man diese Vielfalt möglichst kaum bemerkt. Filigran, mysteriös und wie eine dezent gewürzte Speise aus der französischen Nobelküche.

Das elektromechanische Chamberlin aus den 50ern, das seit 1981 nicht mehr gebaut wird, fällt beim seltsamen Intro des - pardon - schweinisch guten Stücks "PopStar" (ursprünglich von Cat Stevens) auf. Es handelt davon, wie jemand Popstar werden will, um seine Mutter zu beeindrucken. Der erste krasse Earcatcher der Scheibe. Aus den 60ern rücken zudem die von George Harrison geliebten indischen Werkzeuge Sitar und Tabla-Handtrommel ein. Letztere sorgt in "No Hole In My Head" für ein surreal exotisches Outro.

Das Prinzip der Platte: Der Waliser veredelt großartige Songs anderer (mit Ausnahme von "Samson And Delilah") auf seine ureigene Art. Beim ersten Durchlauf fällt gar nicht so auf, dass dieses Coveralbum wie nebenbei durchs Who's Who des Jazz-, Folk-, Soul-Songwriting schlendert: Dylan, Kiwanuka, Callier, Tony Joe White, Michel Legrand, Bobby Cole oder Bürgerrechtsaktivistin Malvina Reynolds. Von Todd Snider stammt der Schlüsseltrack: "Talking Reality Television Blues". Jones reflektiert hier das Entertainment-Business, denkt aber eine persönliche, autobiographische Geschichte mit.

Im Alter von 12 Jahren litt er an Tuberkulose und hielt sich fast zwei Jahre lang in Kliniken auf, saß zuhause in Isolation, sein erster persönlicher Lockdown. Anfang der 50er war ein Fernsehgerät noch etwas Außergewöhnliches: "The average family could never afford it". Der junge Tom konnte sich nur mit Zeichnen und Musikhören ablenken. Der assoziative Text handelt die Geschichte des Fernsehens trocken und ironisch in sechseinhalb Minuten ab.

Neben Toms Sprachvortrag, in der ersten Hälfte vor allem von Schlagzeug unterlegt, braust in dem Song ein Kontrabasses in bedrohlich gewittriger Weise auf, fiebrige Moog-Wabbeltonwellen peitschen sich in den Vordergrund. Das Kabelfernsehen habe den Siegeszug von Sitcoms und Quizshows begünstigt, doch der eigentliche Grund, warum es damals viele haben wollten, sei MTV gewesen! Das spätere Reality-TV, etwa Sendungen wie Donald Trumps "The Apprentice", nahmen die Fake-Facts vorweg.

Wenn man dem Waliser so zuhört, wie er dies sonor vorträgt - "An old man with a comb-over had sold us the moon" - zeigt sich die Stärke des Konzepts: Jones ist der Meinung, dass die Musikhörer*innen erfahrungsgemäß nicht lange an den Textinhalten dranbleiben. Er wollte aber die Aufmerksamkeit genau darauf lenken. Das Mittel seiner Wahl: Spoken Word.

Und davon gibt es reichlich: "Ol' Mother Earth" vom inzwischen verstorbenen Tony Joe White (Autor des Elvis-Hits "Polk Salad Annie"), das vehement durchgeorgelte "This Is The Sea" und das programmatische "I'm Growing Old" beispielsweise. Oder der Anfang von "Lazarus Man" und die bluesigen Parts von "No Hole In My Head". Der Opener "I Won't Crumble With You If You Fall" klingt gar wie eine Predigt. Nur "Samson And Delilah" lässt dagegen den Rocker raushängen.

Auch wenn manche Stücke zu schläfrig oder zu melodramatisch ausfallen, wirkt der gesamte Sound lebendig. Die Klangfarben zitieren jedes Jahrzehnt seiner Schaffensphase. Etwa britischer Art-Pop'n'Roll, hie und da kombiniert mit puertoricanischer Guiro-Rassel, Schlägeln, Kontrabass und Tamburin. Aus den 70ern kommt der Moog in seinen warmen Schattierungen. Auch Synthie-Streicherimitate im Stile der 80er hört man, ebenso wie die in den 90ern populäre Drum-Machine.

Das Prädikat zeitlos verdient der Dylan-Klassiker "One More Cup Of Coffee". Ähnliches gilt für den psychedelisch geheimnisvollen, hypnotischen Soul-Blues "Lazarus Man" von Terry Callier. Die würdevoll rezitierten Nummern betonen, wie Tom Jones uns Lieder nahebringen will, die zwar oft von starken Alben stammen, aber nie so richtig im Rampenlicht glänzten. Auf "Surrounded By Time" lässt sich Altes neu entdecken.

Trackliste

  1. 1. I Won't Crumble With You If You Fall
  2. 2. The Windmills Of Your Mind
  3. 3. PopStar
  4. 4. No Hole In My Head
  5. 5. Talking Reality Television Blues
  6. 6. I Won't Lie
  7. 7. This Is The Sea
  8. 8. One More Cup Of Coffee
  9. 9. Samson And Delilah
  10. 10. Ol' Mother Earth
  11. 11. I'm Growing Old
  12. 12. Lazarus Man

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1 Kommentar

  • Vor 2 Jahren

    Meine Güte, was für ein schreckliches Album! Tom Jones konnte und kann vielleicht noch heute abgehen wie "Tiger Tom". Aber was hier teilweise geboten wird, ist seiner nicht würdig. Langweilig bis schnarchig, teilweise zum Fremdschämen schlecht produziert (siehe Song "Pop Star") oder einfach nur billig, als ob es an einem feucht-fröhlichen Abend zufällig entstanden wäre. Vielleicht wäre "I'm Growing Old" der passendere Titel für dieses Album gewesen.