laut.de-Kritik

Pop für gute Menschen.

Review von

"You're just a monster and I'm not scared", wiederholt Tom Odell im Titelstück seines vierten Albums "Monsters" immer wieder. Damit erfüllt das Lied seinen Zweck: Denn es dient als Kampfansage gegen all das, was Odell bedrückt, verängstigt, einschüchtert. Was das genau das ist, verrät er im Laufe der 43 Minuten. Und obwohl es um Panikattacken, toxische Männlichkeit und die Schattenseiten des Kapitalismus geht, klingt die Platte wie ein Popalbum, das allen gefallen möchte.

"Living in the lockdown, dreaming of the top down / Driving to my hometown, fuck, I gotta cough now / Am I gonna die, mum?", heißt es in "Lockdown". Ein Lied der Zeit, das sich mit seinem klanglichen Minimalismus und nicht einmal zwei Minuten Länge, dem schnell gelangweilten und überforderten Publikum anpasst. Den leichten Weg geht Odell trotzdem nicht. Obwohl seine durch die Bank elektronischen Arrangements durchschaubar scheinen, steckt Mühe in den Produktionen.

In "Tears That Never Dry" wird die Gitarre nur spärlich gezupft, ein Rhythmuswechsel im Refrain hält dennoch bei der Stange. "Money" macht alles richtig, indem es eine poppige Pianospur neben schräg gesetzte Claps setzt. In "Problems" ertränkt Odell seine Stimme in einem ungemütlichen Distortion-Effekt. Stücke wie "Noise" und "Money" fließen ineinander über, was verdeutlicht, dass der Brite "Monsters" nicht als Single-Sammlung, sondern Gesamtkunstwerk versteht.

Dass Odell dennoch ein Händchen für eingängige Kehrverse hat, beweist er auf fast jedem Lied. So paart er Ideen, die etwas weiter draußen sind, stets mit verlässlichen Charts-Mechanismen. Wer genau hinhört, wird sich kaum täuschen lassen. "Monsters" bleibt waschechte Popmusik fürs Radio – musikalisch mutig oder gar innovativ ist Odell nur in seiner Welt. Immerhin das. Um Telekom-Deals oder Auftritte bei deutschen Casting-Shows zu gefährden, braucht es mehr Ecken und Kanten.

Und die zeigt er zumindest in den Texten. "I hold my hand over the flame / To see if I can feel some pain", lauten die ersten Zeilen des Albums. Zu Beginn behandelt der 30-Jährige die Themen noch kryptisch. Doch im Laufe der 16 Stücke wird er in seinen Anliegen immer deutlicher: "I'm sick and I'm tired / Of white messiahs / And climate deniers / Well-bred liars." Wenn nach dem dritten Hördurchgang der Kopf so langsam mitwippt, der eine oder andere Refrain mitgesungen wird, kann es niemand mehr leugnen – dieser Tom Odell ist eigentlich ein ziemlich Guter.

Trackliste

  1. 1. Numb
  2. 2. Over You Yet
  3. 3. Noise
  4. 4. Money
  5. 5. Tears That Never Dry
  6. 6. Monsters V.2
  7. 7. Lockdown
  8. 8. Lose You Again
  9. 9. Fighting Fire With Fire
  10. 10. Problems
  11. 11. Me And My Friends
  12. 12. Country Star
  13. 13. By This Time Tomorrow
  14. 14. Streets Of Heaven
  15. 15. Don't Be Afraid Of The Dark
  16. 16. Monsters V.1

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Tom Odell

Er wird verglichen mit Jeff Buckley, mit Chris Martin von Coldplay, mancher handelt ihn als neue Version von Elton John: Tom Odell und sein Piano werden …

2 Kommentare mit einer Antwort