laut.de-Kritik
Düsterer Cloud, codeingetränkter Trap und Jamaika-Vibes.
Review von Anastasia HartleibWährend Trettmann seine eigene Soundrevolution fährt, hinterlässt das Produzententeam KitschKrieg tiefe Spuren in der deutschen Hip Hop-Landschaft. Gemeinsam präsentieren sie auf "KitschKrieg Volume 1, 2 & 3" verkopfte Hits, die auf sphärischen Beatwolken davonschweben.
Dass Trettmann im Jahr 2016 eine musikalische Jugendbewegung anführen würde, hätte er wahrscheinlich selbst nicht gedacht. Zehn Jahre zuvor fabrizierte er Jamaika-Sound auf sächsisch, immer ein bisschen augenzwinkernd aber trotzdem mit unverkennbarer Liebe zum Genre. An dieser Liebe hat sich bis heute nichts geändert, das hört man den KitschKrieg-EPs deutlich an. Ein Umstand, der dem Wahlleipziger eine Sonderstellung zuweist, denn er schafft es, Freunde des Cloudraps und Dancehall-Jünger gleichermaßen zu begeistern.
Dem Sächsischen hat Tretti in seinem neuen Sound nicht zu hundert Prozent abgeschworen, hin und wieder spielt er mit ein paar Mundart-Worten. Noch stärker hantiert er mit dem Patois, dem jamaikanischen Dialekt, der den Reggae und Dancehall charakterisiert. So werden die kühlen und sphärischen Sounds des Clouds, denen sich Trettmann hier verschreibt, mit einer angenehmen Wärme aufgebrochen. Auch seine kehlige Stimme steht im Kontrast dazu und bekommt mittels Hall- und Autotune-Effekten eine faszinierend kalte Note. Die thematische Bandbreite der drei KitschKrieg-EPs ist überschaubar. Die Texte rotieren um Partys, Kush, schöne Frauen und Hater, können trotzdem stets einen gewissen Tiefgang vorweisen und werden hin und wieder mit schmerzlich-schöner Melancholie wie in "Skyline" angereichert.
Dass kein Song wie der andere klingt, liegt nicht nur daran, dass Trettmann Flow-Variationen einbringt, sondern vor allem an den breitgefächerten Produktionen des Kitschkrieg-Teams, die sich irgendwo zwischen der düsteren Cloud, codeingetränktem Trap und dem sonnigen Jamaika eine wabernde Nische eingerichtet haben. Ob Dancehall-lastig wie in "Adriano", der Ode an den italienischen Schauspieler und Vorreiter des nationalen Rock'n'Rolls Adriano Celentano, ob astreiner Cloud wie bei "Raver", dem lässigen Rauswurf aller Möchtegern-Raver, oder mit Grime-Anleihen wie in "Ehrenrunde": jeder Song besitzt diese kalte Atmosphäre, den tief wummernden Bass, der mit elektrisch klickernden und klatschenden Snares überzogen ist.
Die Gäste auf "KitschKrieg 1,2 & 3" ergänzen Trettmann perfekt. Megaloh bringt auf "Was Solls" seinen überragenden Doubletime-Flow. Auch wenn der "Was Solls (RMX)" nicht ganz so rasiert wie die Original-Single, ist doch nachvollziehbar, warum beide sich für "Herb & Mango" gleich nochmal gemeinsam mit den Produzenten im Studio eingeschlossen haben. Auch Haiytis schrille Stimme harmoniert perfekt mit Trettmanns warmen Gesängen, wenn beide in "120 Jahre" nicht aus dem Club raus wollen. Das Doppelvinyl wird als einziges Goodie noch der "Skyline RMX" zugepackt, auf dem sich Ufo361 und Samy Deluxe noch mal an dem KitschKrieg-Beat auslassen dürfen.
Carsten Chemnitz aka Kraftklub-Frontmann Felix Brummer liefert auf "Wie Du" den schlechtesten Rap-Part seit Denyo ab: "Wie gesagt, ich hab mit deiner Scheiße nix zu tun / Ich steppe in die Cypher und dann step' ich aber gleich wieder raus / Wow, die Männer hier sind ziemlich breit gebaut, nur ist hier leider weit und breit mal wieder keine Frau / Pow Pow Pow".
Insgesamt lässt der reduzierte Sound Trettmann viel Platz, geschickt mit Flow und Wörtern umzugehen. Die Ballade "La Dolce Vita" ist ein Highlight der Extraklasse. Bass und Snare werden um ein sachtes Piano-Sample erweitert, während Trettmann mit gefühlvollem Singsang den Gänsehaut-Moment heraufbeschwört. "Das hier ist ne andere Liga"!
4 Kommentare
Ungehört 4/5. Ist sicher so dope wie Trettmanns Zusammenarbeit ("Herb&Mango"-EP) mit Megaloh.
Wenn ich nur "Carsten Chemnitz" lese, möchte ich im Strahl brechen.
top
La Dolce Vita ist ein immenses Brett