laut.de-Kritik
Gute Ideen unter Schichten von Gedöns und Gekramse.
Review von Olaf SchmidtHerzlich willkommen zu einer neuen Folge der spannenden Fortsetzungsreihe "Triggerfinger und der Fluch des Gitarreneffektes". Unsere Helden haben bereits viermal gegen diesen Giganten gekämpft und sich immer beachtlich gut aus der Affäre gezogen. Aber jetzt bläst er sich zu einem wahren Koloss auf und hält unsere Helden in Schach. Mehr dazu später.
Album Nummer fünf also für die gepflegten Herren aus Antwerpen. Wieder ist einige Zeit ins Land gestrichen, weniger allerdings als im Vorfeld des vierten Langspielers "By Absence Of The Sun". Bassist Paul van Bruystegem brachte unter dem Pseudonym Lowrider ein gleichnamiges Solodebüt heraus, man tourte weiterhin fleißig. Andere Bands hätten versucht, aus dem unerwarteten Hit der Coverversion von Lykke Lis "I Follow River" Kapital zu schlagen, Triggerfinger kümmerte das nicht. Gelegenheitshörer waren vermutlich schon mit dem Vorgänger nicht glücklich, aber bei "Colossus" werden sie endgültig abspringen.
Denn die drei Belgier werfen hier einen sperrigen Brocken aufs Parkett, der sich von vorne bis hinten nach Verweigerungshaltung anfühlt und für so manches Stirnrunzeln sorgen dürfte. Dabei beginnt die Platte gut. Die ersten beiden Songs stellen die üblichen Triggerfinger-Trademarks ins Rampenlicht und überzeugen mit treibender Rhythmik und rumpeligem Bass. In punkto schweißtreibender Rockmusik mit Blues-Fundament macht den Musikern kaum jemand was vor. Aber auch hier kann man schon erahnen, was sich zum Problem des Albums entwickeln wird: die Überladenheit mit Effekten. Auf der einen Seite möchten Triggerfinger krachig-bodenständig klingen, auf der anderen überlagern sie ihre Songs mit merkwürdigen Geräuschen und allerhand Sound-Gimmicks. Die knarzigen Bläser der vorab bekannten Single "Flesh Tight" können allerdings was.
"Candy Killer" irritiert dann mit merkwürdiger Pop-R'n'B-Stimmung, in Ermangelung eines besseren Ausdruckes. So kennt man Triggerfinger noch nicht und wollte sie auch nie kennen lernen. Der Song erinnert ein wenig an Muse' "Supermassive Black Hole". Ob das eine gute Referenz ist? Sänger Ruben Block preist dazu einmal mehr die holde Weiblichkeit und entwickelt eine ungeahnte Davegahanigkeit mit schmachtend-flehenden Silben. Und was lagert wohl in einer "Upstairs Box"? Allerhand Geklatsche, Gewummer und Gewaber und irgendwo vermutlich auch ein Song. Die packenden Melodien, für die ich die drei Antwerpener bisher so schätzte, versteckt der Koloss meist unter Schichten von Gedöns und Gekramse. Das geht zulasten der Atmosphäre. Triggerfinger möchten wohl gerne wieder zurück in die ganz kleinen Clubs.
Der schöne ruhige Song "Afterglow" in der Mitte der Platte sticht etwas heraus, sorgt aber nur für kurzzeitige Besinnung. Exemplarisch für den Soundtüftler-Overkill des Albums steht "That'll Be The Day". Von Dubstep-ähnlichem Bassgesummse eröffnet, ziehen die Musiker hier fast jede einzelne Tonspur durch irgendein Effektgerät. Das Schlagzeug klingt elektronisch verändert, der Bass knarzt verzerrt, die Gitarre sirrt und dröhnt. Rubens Stimme bleibt unangetastet, sicherlich ein Versehen. In eine ähnliche Kerbe schlägt "Steady Me" mit Orgel und Geklingel. Live können sie das niemals reproduzieren.
Eine befremdliche Hidden-Track-Polka beschließt das Album nach dem instrumentalen Ennio-Morricone-Gedächnisblues "Wollensak Walk". Möglicherweise braucht diese fünfte Triggerfinger-Platte einfach mehr Durchgänge und wächst mit der Zeit. Fraglos liefern die Belgier immer noch solide Rockmusik ab, und diese rumpelige Sperrigkeit besitzt einen eigenen Reiz. Verglichen mit den anderen Platten der Band macht sich aber Enttäuschung breit.
2 Kommentare
Finde gerade That'll be the Day unglaublich stark auch wenn Afterglow definitv der beste Song des Albums ist. MAcht unglaublich viel Spaß das Album zu hören. Allerdings mag ich ja auch Muse und Supermassive Black Hole, also ist eh alles verloren bei mir
sehe ich ebenso.hab das Album vor 4 Wochen in Belgien in white vinyl gekauft,kenne die Truppe seit mindestens 12 Jahren,hab sie u.a. 2013 in den Bonner Rheinauen als eine mehrerer Vorbands von Deep Purple erlebt und bin positiv überrascht, dass sie sich musikalisch auf dünnes Eis wagen.Hochinteressant und kribbelnt,sehe ich komplett anders als der Rezensent oben. Tolle Scheibe und bitte weiter auf Erkundungsreise!!!Langeweile und Klugscheisserei gibt es zuhauf.