laut.de-Kritik

Jetzt haben auch Trivium ihr "Black Album".

Review von

Bullet For My Valentine-Gitarrist Michael Paget sagte vor Kurzem: "Ich hoffe, über manche Metalbands von heute sprechen wir noch in 30 Jahren. Nur leider geht es heute hauptsächlich um Internet-Hits, statt um ein Vermächtnis."

Weit entfernt von bloßem Internet-Hit und mit dem Potenzial für ein Jahrzehnte überdauerndes Gesprächsthema: Trivium. Ein erinnerungswürdiges Vermächtnis zu schaffen ist seit den Anfängen das Ziel der Band. "Silence In The Snow" könnte das entscheidende Puzzleteil darstellen.

Mit ihren ersten drei Alben erspielten Trivium sich Respekt. "Shogun" vollendete 2008 die Reise in die Eigenständigkeit. "In Waves" öffnete das nächste Kapitel. Simplere Songstrukturen prägten das Bild und zogen einen immensen Popularitätsschub nach sich. Trivium hatten sich gefunden. Den eingeschlagenen Weg setzten sie zwei Jahre später mit "Vengeance Falls" fort.

Einen erneuten Wendepunkt stellt "Silence In The Snow" nicht dar. Doch es birgt die Essenz dessen, was Trivium durch die Entwicklung von "Shogun" über "In Waves" und "Vengeance Falls" bis heute geworden sind und bringt sie in lückenloser Prägnanz auf den Punkt. Das sind unzweifelhaft Trivium, jedoch so selbstbewusst und ausgeglichen wie nie zuvor.

Qualität ist man von denen Herren aus Florida ohnehin gewohnt. Bräche "Silence In The Snow" mit dieser Tradition, wäre das schon eine ziemliche Überraschung gewesen. Dass ein derart rundes Werk herauskommt, damit hätte ich ehrlich gesagt trotzdem nicht gerechnet. Zwar braucht die Platte zwei, drei Durchläufe, bis man begreift, wie gut sie wirklich ist, dann aber lässt sie nicht mehr los.

Dabei stechen einzelne Elemente nicht einmal besonders hervor. Den einen Übersong, das eine Überriff oder -solo gibt es nicht. Je nach persönlichen Vorlieben schlagen die Tracks natürlich mal geringfügig nach oben oder unten aus. Doch tatsächlich halten Trivium das Level in sämtlichen zehn Songs gleichbleibend hoch.

Um sich vollends auf das Kommende einlassen zu können, sorgt Emperor-Boss Ihsahn für einleitende Klänge. Die Kombination "Snøfall"/"Silence In The Snow" erreicht zwar nicht ganz die Stufe des grandiosen "Capsizing The Sea"/"In Waves"-Kickoffs, doch Trivium beweisen erneut, dass sie ein Intro nicht nur der Vollständigkeit halber platzieren.

Symphonisch teasert "Snøfall" das Leitmotiv des Titelsongs an, bildet gleichzeitig aber auch selbst ein starkes und in sich geschlossenes Stück Musik. Das hat etwas Filmmusikhaftes, in seinem Zwiespalt zwischen Hell und Dunkel etwas zurückhaltend Erhabenes. Getrieben von tightem Schlagzeugsound übernehmen hernach E-Gitarren die Melodieführung. Wir befinden uns mitten in "Silence In The Snow". Paolo Gregolettos Bass knurrt durch die Strophe, zuvor kamen alle Headbanger bereits auf ihre Kosten.

Wie oben angeführt, ist es vor allem die Summe der Einzelteile, die das Album so gelungen machen. Müsste man aber ein bestimmtes Glied herausgreifen, es wäre Matt Heafys Gesang. Man sollte meinen, seine Entwicklung sei langsam abgeschlossen. Immerhin zeigte Matt auf den letzten Outputs alles andere als schlechte Performances. Dennoch macht sich sein unermüdliches Training weiter bezahlt: Stimmvolumen und Kraft haben erneut zugenommen.

Kein Wunder, dass Trivium entschieden, "Silence In The Snow" komplett ohne Shouts aufzunehmen. Anfangs mag man aufgrund dessen vielleicht kurz stutzen. Doch Matts Clean-Vocals füllen die vermeintliche Lücke meisterhaft aus. All jenen, die sich trotzdem Schreie wünschen, seien die weisen Worte mit auf den Weg gegeben: "Die alten Songs existieren ja noch immer."

Den Platz hemmungsloser Aggression nehmen nun eben noch mehr Melodien ein. Darauf legten Trivium hörbar ihren Schwerpunkt. Mit Freude stürzt sich Matt in weitläufige Bögen, die gelegentlich beinahe opernhaft anmuten. Meist beliefert ihn das Instrumentalfundament mit zusätzlichem Druck. Doch scheut er keineswegs davor zurück, auch mal vor reduzierter Kulisse loszulegen. Ein wundervoll eingebetter Akustikpart in "Until The World Goes Cold" verdeutlicht dies.

Dank Melodienreichtum und Scream-Absenz dürfte sich auch der Einzugsbereich für Fanrekruten nochmals erheblich vergrößern. Die schier unerschöpfliche Flut an griffigen Hooks und starken Verseteilen könnte selbst diejenigen hinter dem Ofen hervorlocken, die zwar Rock mögen, denen Metal in der Regel aber zu hart ist. So vermessen es klingt: "Silence In The Snow" weist in dieser Hinsicht ähnliches Potenzial auf wie Metallicas schwarzes Album.

Das nächste "Nothing Else Matters" haben Trivium zwar (noch) nicht geschrieben. Wollten sie wahrscheinlich auch gar nicht. Denn von vorn bis hinten hat man das Gefühl "Silence In The Snow" ist exakt das Album, das Trivium schon immer machen wollten. Ein Album, das eine klare Linie verfolgt, einen eigenen Stil pflegt, durchweg spannend bleibt und bis zum Schluss Abwechslung schafft.

So entert man beim vorletzten Song "Beneath The Sun" noch Low-Tempo-Gefilde, nachdem der Großteil der Tracks sonst eher im Mid-Tempo pumpt. Davor vermengt "The Thing That's Killing Me" Thrash- und Alternative-Vibe, danach dreht die Coda "Breathe In The Flames" merklich an Riff- und Aggressionsschrauben.

In der ersten Hälfte überzeugt "Pull Me From The Void" ebenso mit Gitarrenleads wie mit tollen Vocallines. Der "I smash the shackles"-Pre-Chorus bleibt haften. Nicht minder gefällt der Chorus von "The Ghost That's Haunting Me", wo Matt zweistimmig auspackt. "Blind Leading The Blind" hebt die Geschwindigkeit, "Dead And Gone" bringt Disturbed-Referenzen zurück.

Apropos Disturbed: Die Arbeit mit David Draiman zu "Vengeance Falls" hinterlässt natürlich auch auf "Silence In The Snow" ihre Spuren. Viel besser lässt sich die Attitüde Triviums auf ihrem siebten Album aber mit Stone Sour oder, wenn man zum Beispiel "Rise Above The Tides" heranzieht, vor allem mit Alter Bridge vergleichen.

Ähnlich wie diese beiden Bands verknüpfen Trivium Härte mit Pop-Appeal. Ohne sich anzubiedern. Ohne ihren eigenen Pfad zu verlassen. Der Mut zum Wandel zahlte sich aus. "Silence In The Snow" ist moderner Metal in Höchstform. Nur einen Fehler dürfen Trivium nicht begehen: Beim nächsten Album in dieselbe Kerbe schlagen. Das hier funktioniert nur einmal. Wenn man dem eigenen Fortschrittsglauben jedoch treu bleibt, dürfte nichts schief gehen.

Trackliste

  1. 1. Snøfall
  2. 2. Silence In The Snow
  3. 3. Blind Leading The Blind
  4. 4. Dead And Gone
  5. 5. The Ghost That's Haunting You
  6. 6. Pull Me From The Void
  7. 7. Until The World Goes Cold
  8. 8. Rise Above The Tides
  9. 9. The Thing That's Killing Me
  10. 10. Beneath The Sun
  11. 11. Breathe In The Flames

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28 Kommentare mit 23 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    2 Bands an die man sich aufjedenfall nicht erinnern wird sind Bullet for my Valentine und Trivium.

  • Vor 9 Jahren

    "...weist in dieser Hinsicht ähnliches Potenzial auf wie Metallicas schwarzes Album."

    "...könnte selbst diejenigen hinter dem Ofen hervorlocken, die zwar Rock mögen, denen Metal in der Regel aber zu hart ist."

    "Ähnlich wie diese beiden Bands verknüpfen Trivium Härte mit Pop-Appeal."

    "... moderner Metal in Höchstform."

    werd ich meiden, wie der teufel das weihwasser.

    • Vor 9 Jahren

      Geht mir genauso. Ursprünglich wollte ich mal reinhören, aber nachdem ich die Rezension gelesen habe, werde ich die Finger davon lassen.

    • Vor 9 Jahren

      Sich ein Album wegen einer Rezension nicht anhören zu wollen ist echt armselig.

    • Vor 9 Jahren

      Die vom Herrn zitierten Stellen zeigen mir (zusammen mit den Aussagen aus dem Interview) einfach, dass das nichts für mich ist. Dann muss ich doch nicht meine Zeit verschwenden.

    • Vor 9 Jahren

      Eigene Meinung bilden ist immer besser. Reicht dann ja einmal quer drüber zu hören.

    • Vor 9 Jahren

      grundsätzlich ist mal reinhören natürlich nie verkehrt.
      aber man liest ja nicht erst seit gestern metalrezis, und in diesem falle ist selbige schon ziemlich aussagekräftig.da braucht man dann auch eigentlich nimmer reinhören.
      hab aber dann doch gestern mal kurz anspielen lassen, und siehe da,war der zu erwartende schrott.
      absoluter helene fischer metal, gehört 1/5.

  • Vor 9 Jahren

    Modern finde ich hier gar nichts. Klingt für mich wie ne 80er Jahre Band mit etwas zeitgemässerer Produktion. Langweilig.

  • Vor 8 Jahren

    ich muss sagen, eben aufgrund dessen weil es hier mit dem "black album" von metallica verglichen, wird bin ich doch sehr neugierig geworden und hab mal reingehört.
    und ganz ehrlich: meines erachtens hinkt dieser vergleich doch erheblich. ich war nie DER große fan von trivium, finde aber dennoch einige songs herausragend. insbesondere einige titel vom "in waves".

    aber dieses machwerk erinnert mich eher an weichspül-version von hard rock ala the rasmus. überhaupt bin ich der meinung, dass sich trivium irgendwie selbst nicht auf einen durchgehenden stil festlegen können.

    um missverständisse vorzubeugen: ich finde es generell lobenswert, wenn eine band versucht, sich weiterzuentwickeln und sich eventuell auch neu zu erfinden (siehe the sorrow). aber wenn man bei jeder neuerscheinung eines albums aufs neue nicht weiß, worauf man sich diesmal einstellen muss, find ich das doch eher fragwürdig.

    kurz um: ich war mehr als enttäuscht. noch einen musikalischen absturz wie all that remains (der ja eigentlich bereits mit overcome eingeläutet wurde) braucht die welt nicht.

    1/5

  • Vor 8 Jahren

    Ich teile aufrichtig die Meinung des Autors. Das Album haut trotz der fehlenden Screaming-Parts gut rein und lässt einen oftmals mit dem Kopf bangen :D
    Natürlich geht es in die Richtung Pop, aber dies ist die Richtung des zukünftigen und ERFOLGREICHEN Metals, was auch Zuhörer aus anderen Musikgenres anspricht.

    Ich habe das Album gefeiert und stimmen diesem Artikel in großen Teilen zu ;)

  • Vor 7 Jahren

    Trivium ist leider komplett im Mainstream angekommen. Da hat der gute Matthew wohl verstärkt Gesangsunterricht genommen und das muss natürlich auf dem Album zur Schau stellen.......ähh meine zu Gehör gebracht werden.
    Das Album ist einfach schlecht, da fehlt jegliche Aggressivität und Power der anderen Alben.Aber diese Tendenz der Band war ja ohnehin erkennbar da es sich von Album zu Album immer mehr angedeutet hat.
    Zum Glück habe ich im Plattenladen da rein gehört und das Album nicht blind gekauft für die anderen Trivium Alben zuvor.

    • Vor 5 Jahren

      Aggressivität ist, auch im Metal, kein Kriterium welches für gut oder schlecht ist. Was allerdings schlecht ist ist deine Argumentation, aber keine Sorge, die Pubertät ist nicht mehr weit und du hast es nicht mehr nötig deine Eltern mit „br00tal metal“ zu schocken sondern so etwas wie Geschmack zu entwickeln.