laut.de-Kritik

Eine subtropische Fickböe aus Down Under.

Review von

Tropical Fuck Storm verdienen sich ihren Namen, indem sie unermüdlich umherziehen und immer neue Dinge ausspucken: Zwei Jahre nach dem psychedelischen "Braindrops" folgt nun "Deep States". Der Name legt es nahe: Eine politische Scheibe soll es sein, ein Pandemiewerk, eine künstlerische Auseinandersetzung mit unserer Zeit.

Dieser Richtung folgen die Singles sehr klar. Die sperrige, irgendwo zwischen Talking Heads und The Fall liegende Single "Give A Fuck Fatigue". Das ist so was, was in den 80ern rauskam, wenn Mark E. Smith zum Ende eines Sets nur noch nölend vor sich hin schimpfte, also ohne musikalischen Mehrwert. Der Corona-Song "Bumma Sanger" ist tatsächlich kein Summer Banger, sondern fürchterlich anstrengend. Eine dünne Gitarre allein im Wald und keine Songidee. Der Refrain besteht nur aus Sägesynths, unter die sich lustlos der Bass schält. Erschreckend, wie konservativ diese so mutige Band auf "Deep States" ihrem Metier nachgeht. Zu statisch im Beat, zu wenig ausgelassen im Jam. Die von der Bassistin Fiona Kitschin vorgetragene dritte Single im Bund "New Romeo Agent" ist ein normaler Popsong, wie ihn tausend andere Künstlerinnen auch vortragen könnten.

Lyrisch entfernt sich der Bandkopf, Gitarrist und Sänger Gareth Liddiard dabei ein ganzes Stück weit von seinen vielgelobten, abstrakten und bilderreichen Zustandsbeschreibung der politischen Welt. Das macht er zwar mit dem Mittel des Storytellings, das aber eben nur mehr als Instrument zur Übermittlung von Botschaften dient. Diese Messages stehen dermaßen im Vordergrund, dass die musikalische Idee auf der Strecke bleibt; ebenso wie die tollen, windschiefen Stimmen von Liddiard und Kitschin, die einen sonoren Erzählton anschlagen.

Gottlob gibt es noch sieben andere Songs, die größtenteils deutlich besser ausfallen, ohne das Topniveau des bisherigen Outputs zu erreichen. Tropical Fuck Storm neigen sich auch auf diesen Songs deutlich Richtung einer australischen und weniger konsequenten Variante von Art Brut, aber der Groove des Erstlings ist wieder erkennbar, wenn auch mit angezogener Handbremse und ohne den interessanten Späte-MGMT-Stream-Of-Consciousness-Effekt von "Braindrops". In "The Greatest Story Ever Told" posiert Liddiard als von der Menschheit angewiderter Jesus ("When I said I loved you/ I was lying, it ain’t true"). Der Track hätte gut auf den Erstling "A Laughing Death In Meatspace" gepasst, wenn Kitschin und Multi-Instrumentalistin Erica Dunn über Liddiard hinwegschreien und die Gitarre keifend um sich schlägt. "Blue Beam Baby" meint Ashli Babbitt, die im Kapitol erschossen wurde, als sie zusammen mit einer Meute im Sinne der Demokratie eine Volksvertretung angriff. Aus ihrem Blickwinkel baut der Sänger Schicht um Schicht einen gelungenen Grower, der im positiven Sinne ein Crescendo konstruiert. Liddiard behandelt das Thema ohne Spott von oben herab: "Can you see/ What I see?", fragt er für Babbitt.

Der Rest des Albums kann mit dem coolen, geladenen "Suburbiopia" punkten. Kitschin als Sängerin passt insgesamt besser zum Vibe dieses Albums als Liddiard, der immer dann gut wird, wenn er sich überschlagen darf - was er sich auf aber zu selten erlaubt. "The Donkey" wäre auf den ersten beiden Alben ein vernünftiger Filler, bietet nichts Neues, zieht zum Schluss aber angenehm an. "Reporting Of A Failed Campaign" bietet musikalische Ziellosigkeit und eine angenehm weirde Story. Das Highlight "Legal Ghost" erinnert an Grinderman, Liddiard gelingt eine bittere Anklage in Balladenform, nach der man sich instinktiv schuldig fühlt. Das ebenso gelungene Outro "The Confinement Of The Quarks" geleitet den Hörer mit hochmelodischer Gitarrenspielerei zur Tür hinaus und man will sagen: Warum jetzt, das war doch gerade gut? Vielleicht wäre weniger sagen wollen auch eine Option gewesen, dem gesamten Album mehr Raum zu lassen, um seine 300 Themen Freiheit zur Entfaltung zu geben.

Was bleibt, ist das mit weitem Abstand schwächste Werk einer hervorragenden Band, die nur mit viel Aufwand und nur an wenigen Stellen von "Deep States" wirklich interessant klingt. Tolle Sprachbilder und eine Band, die zu jeder Zeit all ihre Geräte im Griff hat, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Songwriting weder in den Texten noch in der Musik die selbe Dringlichkeit vorweist, die die Band bislang auszeichnete und die hier zur subtropischen Fickböe verkommt.

Trackliste

  1. 1. The Greatest Story Ever Told
  2. 2. G.A.F.F.
  3. 3. Blue Beam Baby
  4. 4. Suburbiopia
  5. 5. Bumma Sanger
  6. 6. The Donkey
  7. 7. Reporting Of A Failed Campaign
  8. 8. New Romeo Agent
  9. 9. Legal Ghost
  10. 10. The Confinement Of The Quarks

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