laut.de-Kritik

Endlich angekommen?

Review von

Zu den erfolgreichsten Orsons-Zeiten hätte wohl niemand gedacht, dass Tua einmal das (kommerziell) relevanteste Bandmitglied sein würde. Während Bartek und Kaas (zu unrecht) ein Nischendasein fristen und Maeckes sich zum etwas sperrigen Liedermacher mit Gitarre entwickelt, hat Tua mit "Wem mach ich was vor" den mit Abstand klickstärksten Solosong der vier Mitglieder in seiner Diskografie stehen. Endlich, möchte man sagen, denn der ungekrönte König aller Kritiker und Fans ist er bereits seit seinem Meisterwerk und Genreklassiker "Grau" aus dem Jahr 2009.

Viel zu lange nach dem erwähnten kleinen Hit, der aktuell bei 15 Millionen Klicks auf Spotify steht, möchte der Reutlinger nun im persönlichen "Eden" ankommen. Für diesen Weg hat er fünf Jahre seit dem selbstbetitelten Vorgänger gebraucht. Trotz unbestreitbaren Talents für unpeinliche Pop-Melodien fehlt ihm nach wie vor der Mainstream-Durchbruch, obwohl das lange sein selbsternanntes Ziel war.

Vielleicht ist das sein Eden: Auf der neuen Platte scheint Tua seinen Frieden damit gefunden zu haben, für immer der Geheimtipp zu sein, den man anruft, wenn einem die kredible Pop-Nummer auf dem Album fehlt. Als Teil einer losen Grown-Rap-Szene um Künstler wie Casper, K.I.Z, Orsons, Audio88 & Yassin oder Ahzumjot und abseits des Gossip-Trubels im alltäglichen Deutschrap-Wahnsinn hat er seine Nische gefunden. Die verschafft ihm zwar kein Modus Mio-Cover, dafür aber eine loyale Fanbase über 25, die noch Platten und Konzerttickets kauft.

Das Zeug zum kommerziellen Durchbruch bringt Tua jedoch nach wie vor mit. Selten harmonierte ein Album so hervorragend zwischen eingängig gesungenen Hooks, inhaltlich stark gerappten Strophen und einprägsamen Melodien in den Beats, wie "Eden". Gleichzeitig klingt die Musik äußerst vielfältig, der Schwabe lebt sein Nerdtum als Produzent gnadenlos aus.

Das beginnt schon im Opener "Weit und blau", einem inhaltlich für Tuas Verhältnisse überraschend positivem Song mit lebensbejahendem Text auf melodiös-seichtem Beat und Max Herre in den Co-Writing-Credits. Eine Blaupause für den Großteil der restlichen Tracks, die sich inhaltlich vom grau in grau seines bisherigen Katalogs abheben. Das Artwork der Platte und der Singles werden von der Farbe gelb bestimmt, ein wiederkehrendes Element auf allen Covern. Noch deutlicher wird es auf "Geld", auf dem der Protagonist propagiert: "Alles ist gut, die Dürrejahre vorbei, hänge aus einem Wagen und schrei: Gib mir mein Geld".

Tua ist angekommen und lässt die Melancholie hinter sich. Ganz ohne Kohle geht es aber trotzdem nicht, von Luft und Liebe lässt es sich eben doch nicht leben. Oder etwa doch? So ganz klar wird das nicht. Deshalb lädt er sich einen Schwaben vom Fach ein: RIN komplettiert den Song mit seinem wehmütigen Money Talk.

War Tua auf seinen bisherigen Veröffentlichungen eher Alleinunterhalter, finden sich auf "Eden" sogar drei Features. Neben RIN revanchiert sich Tarek K.I.Z für Tuas Mitarbeit an dessen Soloalbum "Golem". "Niederlande" ist ebenfalls ein Highlight der Platte und erzählt von positiven Lebensveränderungen auf einem unbeschwert sommerlichen Beat.

Der dritte und wohl unerwartetste Gastbeitrag stammt von Nura auf "Mehr sein". Zusammen ergeben sie sich dann doch noch einmal der Melancholie aus Identitätskrisen, gescheiterter Liebe und ungeplanter Elternschaft. Entsprechend klinisch atmosphärisch klingt auch das trappige Instrumental. Darüber hinaus finden sich in den Producer Credits des Albums noch Namen wie Wanja Janeva (Cro, Clueso, Sarah Connor), Tim Taurotat (AnnenMayKantereit, Provinz, Faber) oder erwähnter Max Herre. Den Großteil stemmt der Deutschrap-Veteran aber nach wie vor selbst.

In eine ähnliche Richtung wie "Mehr sein" geht auch "Echte Leben", ebenfalls eine der wenigen Rückbesinnungen auf einen vergangenen Sound, die den schwierigen Spagat zwischen dem freien Musiker Dasein und dem manchmal sehr auslaugenden Familienalltag thematisiert. "Südvorstadt" komplettiert die Reise in die Vergangenheit und beschäftigt sich mit Tuas früherer toxischer Lebensweise in Beziehungen, aber auch mit sich selbst und seinem Werdegang. Der Weg zum Glück verläuft dabei nicht immer geradlinig, das hat Tua inzwischen erkannt und vor allem akzeptiert.

Spätestens mit dem letzten Song "Im Garten" predigt Tua Versöhnung als Spoken Word Piece auf einer minimalistischen Gitarrenmelodie. Angekommen im Eden spricht er von Altersmilde und Ruhe in seinem hektischen Leben. "Man muss die alten Träume gehen lassen, wenn sie den neuen Träumen Probleme machen" fasst die Weiterentwicklung dieses Ausnahmekünstlers noch einmal wunderbar zusammen.

Auch wenn er die Selbstzweifel der bisherigen Diskografie nie ganz ablegt, hat er sich in eine inhaltlich positive Richtung entwickelt, ohne an Tiefe zu verlieren. Das gilt auch für die Produktion, die mit ihrer Detailverliebtheit eh über jeden Zweifel erhaben ist und trotzdem weniger verkopft wirkt. Tua macht es sich selbst leichter und dadurch seine Musik zugänglicher. Nur der große Hit fehlt noch. Die Suche danach hat er allerdings aufgegeben, was für ihn wie ein Befreiungsschlag wirkt und ihn ironischerweise ein ganzes Stück näher an dieses ehemals wichtige Ziel gebracht hat. Es wäre diesem Vollblutmusiker aber nach wie vor absolut zu gönnen!

Trackliste

  1. 1. Weit und blau
  2. 2. Geld feat. RIN
  3. 3. So gut es geht
  4. 4. Mehr sein feat. Nura
  5. 5. Südvorstadt
  6. 6. Echte Leben
  7. 7. Herr Aber Aber
  8. 8. Niederlande feat. Tarek K.I.Z
  9. 9. 14.000 Tage
  10. 10. 1in1Million
  11. 11. Santa Cruz
  12. 12. Im Garten

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