laut.de-Kritik
Südafrikas Star der Stunde.
Review von Jakob Hertl"Es ist ein afrikanischer Sound und etwas, auf das ich stolzer nicht sein könnte" – mit diesen Worten beschreibt Tyla ihren Musikstil bei Apple Music. Die 22-Jährige aus Johannesburg hat mit "TYLA" endlich ihr erstes Album releast und ist eines der Gesichter des modernen Amapiano, der gerade rasend die Charts erobert. Das House-Subgenre erinnert am ehesten an klassisch südafrikanische Kwaito-Musik, besitzt aber auch Elemente von Jazz und Lounge-Musik.
Diese Einflüsse hört man direkt im Opener "Safer". Die groovenden Percussions, der Chor im Refrain und der für Amapiano typische Bass, die sogenannte Log-Drum, markieren direkt das erste Highlight der Platte. An "Water" kommt allerdings kein Track vorbei. Dieser Song machte Tyla letztes Jahr schließlich über Nacht berühmt, wurde über 500 Millionen auf Spotify gestreamt und brachte ihr einen Grammy für die "Best African Music Performance" ein. Außerdem landete sie als erster südafrikanischer Soloartist seit 55 Jahren wieder einen Hit, der es in die Billboard Hot 100 schaffte (nach Hugh Masekelas "Grazing In The Grass" 1968).
Völlig gleichgültig, ob der Erfolg an der netten Melodie und den erotischen Lyrics liegt oder doch nur am viralen TikTok-Trend um den Song – eine Challenge, die Tyla zufolge vom südafrikanischen Tanz 'Bacardi' inspiriert ist. Verdient ist er aufgrund ihrer tollen Stimme allemal. Hört man "Water" oft genug, bleibt einem fast nichts anderes übrig, als mitzuviben.
Ohrwurmpotenzial haben auch andere Songs auf "TYLA" - neben "Safer" und "Water" vor allem "Truth Or Dare". Insgesamt bietet das Album einen super erfrischenden Sound, der auf der einen Seite relaxt klingt, auf der anderen Seite aber auch das Tanzbein schwingen lässt. Zu vielen ruhigeren Nummern wie "To Last" gesellen sich Tracks mit fettem Bass wie "Jump" mit Rap-Star Gunna. Gäste wie die nigerianische Sängerin Tems ("No.1") liefern ebenfalls.
So fresh die Platte musikalisch klingt, so unspektakulär sind leider die Lyrics. Nach eigener Aussage geht es um alles, was Tyla in den drei Jahren erlebt hat, in denen das Album entstanden ist. Schwer vorstellbar jedoch, dass ihr Leben so einseitig war, dass sie nur von Liebe, Sex und Beziehungsproblemen singen kann. Es gibt Ausnahmen, gute Passagen, insgesamt hat man es aber mit ziemlichem Standard zu tun. Auch das angeblich so emotionale "Breathe Me" enttäuscht.
Was "TYLA" insgesamt ein wenig fehlt, ist die Abwechslung. Im Endeffekt klingen die zwölf Songs doch sehr ähnlich, dabei bietet der Sound grundlegend viel Potenzial für unterschiedliche Klänge und Instrumente. So ist man für jeden Track dankbar, der ein bisschen vielseitiger daherkommt. Etwa "On My Body" mit Becky G, in den Latin Vibes einfließen. Oder die wunderschönen Gitarren, die "Butterflies" und "Priorities" massiv aufwerten.
Ersterer kommt zudem ganz ohne Drums aus und wirkt dadurch noch entspannter. "Priorities" zählt zu den besten Songs der Platte. Nicht nur wegen der Harmonien und dem chilligen Beat, sondern auch wegen der endlich etwas persönlicheren Lyrics. Es geht um Selbstreflexion, Empowerment und darum, an den eigenen Fehlern zu wachsen. Bei Apple Music erzählt Tyla: "Dieser Song war wahrscheinlich am schwersten zu teilen, weil er die Menschen wirklich in mein Herz und meinen Verstand lässt [...]. Ich habe das Gefühl, dass er etwas transportiert, was viele Menschen fühlen, aber vielleicht nicht ausdrücken."
Den Abschluss macht ein völlig unnötiger "Water – Remix" mit Travis Scott, der einem die pure Kommerzialisierung in die Fresse haut, und den man besser ignoriert. Um einen echten Volltreffer zu landen, hätte "TYLA" ein wenig mehr lyrische und musikalische Variation auffahren sollen. Trotzdem macht der Pop- und R'n'B-Sound der Platte mit afrikanischen Einflüssen Spaß. Damit hat Tyla bewiesen, dass sie kein One-Hit-Wonder ist – die Zukunft des Amapiano liegt in guten Händen.
3 Kommentare
Der Song mit Travis ist nice. Vielleicht gönn ich mir mal den Rest.
Dem letzten Absatz kann ich absolut zustimmen. Der Travis-Remix war halt einfach da, tut nicht weh, aber bringt jetz auch nicht sonderlich viel Spannendes hinzu: https://youtu.be/qZupHXOQ7mw?si=GgIu-yPFfm…
Bezüglich der Kritik an den Lyrics würde ich dem Autoren empfehlen seinen erhobenen Zeigefinger mal versuchsweise in den eigenen After einzuführen und zu schauen was das mit ihm macht.