laut.de-Kritik

Es gibt kein Gutes, außer man tut es!

Review von

Ich gestehe: Udo Lindenberg war mir schon immer der liebste deutsche Rocker. Auch wenn er beim Singen nuschelt und meist an der richtigen Tonlage mehr oder weniger deutlich vorbei schrammt. Auch wenn manche seiner Lieder vor Sentiment nur so triefen. Doch wer in Deutschland kann sich mit ihm messen? Der Kunze, der glaubt, dass außer ihm nur noch Maffay rockt, kann es jedenfalls nicht.

Ist es schlimm, dass Udo nicht richtig singen kann? Ist es nicht. Denn was ihm in der Kehle fehlt, macht er mit Ausstrahlung locker wett. Das gilt insbesondere für die vorliegende Live-Scheibe, denn bei den Aufnahmen im Hamburger Schauspielhaus am 12. Mai vergangenen Jahres muss Udo Lindenberg in blendender Form gewesen sein.

So locker kommen seine Sprüche, so sicher hat er das Publikum im Griff. So gut hat er seine Band und das extra für diesen Anlass heran gekarrte Deutsche Filmorchester Babelsberg aufeinander eingestellt. So perfekt war zudem die Auswahl der Stücke, dass aus "Ich Schwöre! Das Volle Programm" eine vorbildliche Konzertdokumentation geworden ist.

"Das Volle Programm" ist hier durchaus wörtlich zu nehmen, denn die beiden CDs präsentieren Udo Lindenberg in seiner ganzen Vielseitigkeit. Da stehen die Rock'n'Roll- und Party-Kracher wie "Der Exzessor" oder "Du knallst in mein Leben" gleichberechtigt neben melancholischen Liebesliedern wie "Cello" oder "Und trotzdem lieb ich dich so sehr". Wobei Udo als professioneller Entertainer natürlich weiß, dass man dem Publikum anfangs einheizen muss, um die Ohren für die besinnlichen Töne freizupusten.

Symphatisch auch, dass der Mann mit Hut die Gunst der Stunde nicht nur dazu nutzt, sich selbst zu feiern. Vielmehr gehört die Verneigung vor großen Vorbildern, "vor deren Literatur und deren Widerstand gegen faschistische Politik" zu einem Lindenberg-Konzert. Eine solche Verneigung war bereits die Studio-Version von Kurt Weills "Mackie Messer", die live noch druckvoller und lebendiger rüberkommt. Udo ist eben nicht nur ein großer Entertainer, er hat auch ein Gespür für die großen und wichtigen Themen, die die Menschen bewegen.

Deshalb sind die hier versammelten Songs auch ein Dokument deutscher Geschichte: Ein Lied wie "Wir wollen doch einfach nur zusammen sein (Mädchen aus Ostberlin)" mag mittlerweile anachronistisch sein, Udos Kampf gegen den Faschismus, den er nicht nur in den beiden Studio-Bonustracks weiter ficht, ist es nicht. Nie würde so einer auf die Idee kommen, eine Quote für deutschsprachige Songs zu fordern. Vielmehr folgt er der Devise 'Es gibt kein Gutes außer man tut es' und deshalb wird Udo Lindenberg wohl auch in Zukunft mein deutscher Lieblingsrocker bleiben.

Trackliste

  1. 1. Seid willkomen in Berlin
  2. 2. Augen in der Großstadt
  3. 3. Mackie Messer
  4. 4. Süße Lippen
  5. 5. Baby wenn ich down bin
  6. 6. Die kleine Zockerin
  7. 7. Mama
  8. 8. Wir wollen doch einfach nur zusammen sein (Mädchen aus Ostberlin)
  9. 9. Hinter'm Horizont geht's weiter
  10. 10. Der Exzessor
  11. 11. Sie brauchen keinen Führer
  12. 12. Father, You Should Have killed Hitler <b>CD 2</b>
  13. 13. Hermine
  14. 14. Bel Ami
  15. 15. Gustav
  16. 16. Unter'm Säufermond
  17. 17. Gott, wenn es dich gibt
  18. 18. Und trotzdem lieb ich dich so sehr
  19. 19. Du knallst in mein Leben
  20. 20. Cello
  21. 21. Gegen den Strom, gegen den Wind
  22. 22. Medley: Ich brech die Herzen der stolzesten Frauen, Johnny Controlletti, Sonderzug nach Pankow, Alles klar auf der Andrea Doria, Candy Jane
  23. 23. Bis ans Ende der Welt
  24. 24. Ich schwöre

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