laut.de-Kritik

Vom Kopfnicken mit guten Freunden.

Review von

"Hawaiianischer Schnee" - das dritte Album in drei Jahren. Und trotzdem ist darauf nichts von 'Qualitätsverlust' zu spüren, wie uns Umse im Interview selbstsicher verspricht. Wie das gehen soll? Mit einem einfachen Rezept: Kurzerhand Beatproduzent Deckah geschnappt, für vier Wochen in die Niederlande abgesetzt, Unmengen an gutem Gras geraucht und da war sie, die Inspiration. Das nach eigener Aussage leckerste Grün in unserem Nachbarland nannte sich damals 'Hawaiian Snow', kurz die Germanistik-Keule geschwungen und auch der Albumtitel war im Kasten: "Hawaiianischer Schnee".

"Wir sind Chef in Sachen Sound, ein Traumduo, ein Ein-Raum-Studio, kein großes Equipment und das ist auch gut so. Schau zu, du bemerkst direkt, dass da Herz drin steckt. Kein Sterbebett in Sicht, jedes Werk besticht durch nen derben Text." So begrüßt Umse den Hörer im Opener und Titeltrack und erklärt kurzerhand, mit welch geringen Mitteln man gute Musik produzieren kann. Wichtig sind dazu nur die richtigen kreativen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Mit Deckah aka R2drehZwo hat Christoph Umbeck seit Jahren einen Haus- und Hofproduzenten an der Seite, der beständig vielschichte und ausgefeilte – aber auch immer straighte Hip Hop-Mukke bastelt. Deckahs Beats kommen zudem nicht einfach so aus der Konserve, sie bestechen mit einer großen Musikalität. Er verwendet viele Spuren realer Instrumente, seien es Gitarren, Tasten- oder Blasinstrumente. "Hawaiianischer Schnee" ist dadurch wie gemacht für ein grandioses Liveerlebnis und euphorisch zum Himmel gestreckte Hände.

Umse macht keine Musik für die Charts und auch keine Musik für den Club. Umse macht Musik für laue Spätsommerabende, für lange Autofahrten, für kollektives Kopfnicken mit guten Freunden. Zeitgeist findet man auf der LP so gut wie keinen, mal kommt das Album sogar ein bisschen oldschoolig rüber. Aber dafür ist "Hawaiianischer Schnee" ein Paradebeispiel, wenn man einem Szenekritiker ob der aktuellen Fler'schen Auswürfe erklären will, dass es im Rap auch besser geht.

Der Silberling kommt mit zwölf Songs und einer Spielzeit von gut 39 Minuten um die Ecke und leistet sich keine, wirklich absolut gar keine Schwäche. Ob einfach nur Gute-Laune-Musik à la "Rush Hour" und "Die Bombe Tickt" oder Gesellschaftsbeobachtungen wie in "Menschen" und "Wer Du Bist" - jeder einzelne Song wirkt durchdacht und gefühlvoll in das Gesamtkonzept der LP eingefügt. Selbst "Glaub An Was" passt auf "Hawaiianischer Schnee" wie die Faust aufs Auge, obwohl es weitestgehend ohne knallende Drums auskommt. Und mit "Wo Man Auch Auftritt" liefert Umse mal einfach so nebenbei den zukünftigen, viel umjubelten Zugabenhit seiner Tour, dessen Text jeder Konzertgänger lauthals mitsingen kann. Gänsehaut vorprogrammiert!

Die Themen scheinen dem gebürtigen Ratinger einfach nicht ausgehen zu wollen. Klar, mit 32 Jahren hat man schließlich einiges erlebt und kann auf einen reicheren Erfahrungsschatz zurückblicken, als der ein oder andere Newcomer. Aber die Souveränität, mit der Umse in Zusammenarbeit mit Deckah mittlerweile gute Musik am Fließband produziert, ist dennoch bemerkenswert. Im Vergleich zu "Wachstum" oder "Kunst Für Sich" hat er sich insbesondere als MC weiterentwickelt und die frühere, etwas zu häufige Verwendung von Zweckreimen nahezu abgestellt.

"Hawaiianischer Schnee" ist sein bislang bestes Album (ja, die Plattitüden kommen immer ganz zum Schluss) und passt, um es mit den leicht abgewandelten Worten Sepp Herbergers zu sagen, wie das Runde ins Eckige. Oder trifft präzise und spektakulär ins Ziel, wie es Umse höchst selbst in "Rush Hour" rappt: "Dreh mal den Bass lauter! Jaap, sauber. Aus dreißig Metern in den Winkel und kein Abstauber!"

Trackliste

  1. 1. Hawaiianischer Schnee
  2. 2. Rush Hour
  3. 3. Stillstand Ist Der Tod
  4. 4. Menschen
  5. 5. Die Bombe Tickt
  6. 6. Ich Weiss
  7. 7. Glaub An Was
  8. 8. Wer Du Bist
  9. 9. Wo Man Auch Auftritt
  10. 10. Versuch's Mal Mit Musik
  11. 11. Iller Denn Je
  12. 12. Dankbar

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