laut.de-Kritik
Gekommen, um zu sterben.
Review von Kai ButterweckUnheilig sind Geschichte. Mit einem rührenden Abschiedsbrief trug der Graf im Dezember 2014 sein musikalisches Schaffen unter Tränen zu Grabe. Es folgten Bestürzung und Trauer, zumindest im Fanlager des Projektes, das im Februar 2010 mit der Veröffentlichung des sechsten Studioalbums "Grosse Freiheit" erstmals vom deutschen Albumcharts-Gipfel grüßte.
Von heute auf morgen wollte sich der Graf dann aber doch nicht verabschieden. So spielten Unheilig noch schnell ein letztes Album ein und starteten eine bis ins Jahr 2016 reichende Farewell-Tour. Um dem hartgesottenen Fan auch noch die letzte Träne abzupressen, schickt der Graf nun auch noch eine pompös aufbereitete MTV-Unplugged-Version seines Erbes ins finale Rennen.
Aufgenommen im vergangenen Oktober im Studio Hamburg, präsentiert das Album einen Querschnitt aus 16 Jahren Unheilig-Geschichte. Nur wenige Zuschauer durften an jenem Oktoberabend dabei sein, als der Graf seine vorerst letzte offizielle Albumproduktion live und vor Ort in Form goss. Unbestätigten Gerüchten zufolge sollen sich auf der Bühne bisweilen mehr Personen aufgehalten haben als davor. Der Graf kam natürlich nicht alleine. Im Schlepptau hatte er seine vertrauten Live-Musikanten, außerdem ein vielköpfiges Orchester und den einen oder anderen Duettpartner.
Als erste gesellen sich Alea von Saltatio Mortis und Schandmaul-Sänger Thomas Linder zum Hauptprotagonisten auf die Bühne. Beide stehen dem "Eisenmann" treu zur Seite und hauchen dem mit voluminösem Tamtam untermalten "Lichter Der Stadt"-Song wenigstens ein bisschen Leben ein.
Cassandra Steen hingegen mimt eher die Schwester des Sensenmannes. gekommen, um die beiden hilflos in glibberigem Pathos-Gelee paddelnden Ergüsse "Goldene Zeiten" und "Geboren Um Zu Leben" mit Hilfe jammernder Catterfeld-Phrasierungen endgültig in die dunkle Tiefe zu zerren.
Es geht aber noch schlimmer. Helene Fischer machts möglich. Die fleischgewordene Blondinen-Lüge mit der Lizenz zum Omnipräsentsein macht erwartungsgemäß den Schlagerdeckel drauf. Wahlweise schunkelnd ("Zeitreise") oder umgeben von triefender Melancholie ("So Wie Du Warst") lässt sich die Sängerin auf den Schultern des Grafen in Soundwelten tragen, in denen sich einst Romina und Albano Power, Cindy und Bert und Gitte und Rex Gildo in den Armen lagen.
Der Graf macht es nicht viel besser. Zwischen blutleerem Lindemann-Gesäusel ("Freiheit", "Sage Ja") und schmachtendem Pathos-Rotz ("Astronaut", "Herz Aus Eis", "An Deiner Seite") pendelnd, haut der unheilige Frontmann einen Nagel nach dem anderen in seinen morschen Retrospektive-Sarg, und das so lange, bis sich auch das letzte Taschentuch mit Schnodder und Tränenflüssigkeit füllt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ist es endlich "Zeit Zu Gehen". Ich habe fertig. Ein geheucheltes "Auf Wiedersehen" spar' ich mir an dieser Stelle. Ich bin einfach nur froh, dass ein für mich vom ersten bis zum letzten Tag unerklärliches Kapitel der deutschen Musikgeschichte endlich geschlossen ist. Vielleicht sollte ich mich aber nicht zu früh freuen. Es ist bekanntlich Weihnachtsalbumzeit. Oh je, bitte nicht!
21 Kommentare mit 13 Antworten
Wegen solcher Alben wünscht man sich Taubheit
Was Rex Gildo auch dabei? Aber der machte doch den Abgang per hops aus dem Fenster, so ein Ende wünscht man sich doch keinem Grafen.
Ansonsten Kai, glaube ein Interview bekommste von dem nicht mehr, was aber nicht sonderlich tragisch ist oder?
nö
Schlicht unerträglich.
Jaja, anno 2008 beim Album Puppenspiel klang das Ganze noch ganz anders. Lest euch die Rezi ruhig mal durch. Zugegeben, seitdem gings mit der Qualität steil bergab. Aber Laut braucht jetzt nicht so zu tun als hätte mans eh immer schon gewusst das unheilig kacke sind...
Ähm keiner hier tut so als hätte er irgendwas gewusst. Einige hier schauen hin und vergleichen z.b. Karrieren. Das so was natürlich von der Qualität des Output´s abhängt ist klar. Wie du schon selber bemerkt hast ging es damit beständig bergab beim Grafen. Dazu kam aber noch eines, dieser affektierte Habitus, der dann in seinem Abschiedsbrief mündete. In dem er doch ernsthaft behauptet, er allein kenne die Zauberformel für was auch immer. Nö, so was muss man sich nicht geben. Der Typ hatte es mit Puppenspiel selber in der Hand und vergeigte es.
R.I.P. Hier ruht ein Graf der König war und sich selber die Zacken aus der Krone entfernte.
Oh ja, es macht doch riesig Spaß auf andere draufzuhauen, wenn man sich selber auf dem elitären Thron sieht. Musik hat nun mal die selbe Bandbreite wie Geschmack. Wer so arrogant ist zu werten und zu richten, um neben dem Werk auch den Schaffenden niederzumachen, sagt mehr über sich selbst aus, als über den, den er angreift. Ich bin auch kein Freund von Schlager, oder solcher Musik, aber dieses ewige Gebashe find ich zum kotzen.
Hm? Wird der Schaffende in dieser Rezension niedergemacht?
Gruß
Skywise
Nee, aber in den Kommentaren.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
In 2 Jahren dann große Comeback Tour. So lange künstlerisch nicht existente Kommerzmaschinen wie Der Graf noch derartige mediale Beachtung finden ...
Das glaub' ich sogar noch nicht mal. Ich denke schon, daß man vom Grafen oder dem Menschen dahinter noch mal was zu hören bekommt, aber das Kapitel "Unheilig" dürfte er tatsächlich abgeschlossen haben.
"Kommerzmaschine" darf man ihm natürlich unterstellen, aber für unehrlich oder derart kalkulierend halte ich den Grafen nicht.
Gruß
Skywise