laut.de-Kritik
Gummirock, Schlagergroove und Lindemann-Wahn für die zweite Liga.
Review von Ulf KubankeNach dem überwältigenden Erfolg der beiden letzten Alben "Grosse Freiheit" und "Lichter Der Stadt" war es vorprogrammiert, die viel beschworene Liveenergie des Grafen als Konzertfilm festzuhalten.
Und 35.000 Freiwillige im Kölner Rhein Energie Stadion zeigten ihm gern die Hände und schienen geradezu erstarrt in Trance. Mehr als 20 Lieder, dazu ein gänzlich auf den Fürsten zugeschnittenes Programm.
Doch auch das zentimeterdick aufgetragene Make Up kann keine Sekunde darüber hinweg täuschen, dass der Gig in musikalischer wie charismatischer Hinsicht im übertragenen Sinn nicht mehr bot als ein Potemkinsches Dorf.
Schon der Anfang zeigt, wo es lang geht: Die vor Verzückung betäubten Gesichter harren der nahezu messianisch getränkten Ankunft des 'Vicomte'. Teutonischer Tonfall und Gestik inbegriffen. "Könnt ihr die Wärrrme spüren?" Nein! Das Problem: Die nette Bühnenpräsenz von Mr. Unheilig ist in ihrer linkischen Freundlichkeit einfach nicht gemacht für die ganz große Show. Zwischen Schlagergroove, Gummirock und Lindemann-Gesang für die zweite Liga versinkt er in den allzu großen Fußstapfen der Vorbilder.
Liveplatten leben meist davon, der Studioversion Lebendigkeit einzuhauchen oder sie als Variation auf die Bühne zu bringen. Das erfordert die Fähigkeit zum eigenständigen musikalischen Denken wie Darstellen. Hier verhält es sich merkwürdig gegenläufig: Zahm wie die Fischerchöre havariert der dargebotene Songzyklus an der eigenen Weichgespültheit.
Gegen die abeschmackte Rührseligkeitsorgie von "Grosse Freiheit" stünden gar Maffay oder Westernhagen daneben wie kernige Rocker. Dagegen wäre grundsätzlich nichts zu sagen. Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Doch die Hochstapelei, mit der sich Unheilig der Öffentlichkeit als etwas ganz und gar anderes verkaufen, muss man nicht goutieren. "Uargh, ich mag ja Schlager nicht so! (...) Ich mag den Sound wirklich und wollte es ja auch deshalb genau so haben", meinte der Graf im Interview. Ein Schelm, der hier einen unauflösbaren Widerspruch hört.
Auf Spielfilmlänge martern die sprachlichen Simplizismen geradezu. "Die Zeit fliegt viel zu schnell an uns vorbei!" Wäre es doch tatsächlich so. Wie Kaugummi zieht sich das Melodram in die Länge. Eine vorhersehbare Weisheit vom Kalenderblatt nach der anderen. Dazu muss das Publikum dauernd die Hände zeigen. "Auch ihr da oben auf den Rängen." Derlei Spielchen erfordern schon das Charisma gestandener Bühnencharaktere. Es gibt gute Gründe, warum so etwas bei Springsteen oder Maidens Dickinson funktioniert. Bei anderen wirken solche Rituale anbiedernd, rockistisch und peinlich.
Bei den härteren Stücken begibt sich der 'Conte' unnötig ganz ans falsche Ende der musikalischen Nahrungskette. Sein Lindemann-Wahn ("Wenn man sich über ein Lied ausdrücken möchte, darf man sich doch dessen bedienen, was es schon gibt.") löscht erneut jede Eigenständigkeit im Timbre aus.
Das wäre verzeihlich, wenn die Musik einen eigenen ästhetischen Wert hätte. Doch der bummsrockende Allerweltsansatz - eine Art zahnlose Neue Deutsche Härte für Stefan Raabs Bundesnivelierungsvision - reißt nichts. Alleinstellungsmerkmale? Fehlanzeige! "Ich finde aber schon das meine Sachen individuell sind." Ein Irrtum.
So bleibt es leider beim eingangs bemühten Bild: Alles fein herausgeputzt, um den in kreativer Hinsicht bescheidenden Zustand zu verbergen. An der Oberfläche beeindruckend, darunter ohne Substanz. Bei den Vertretern des gerollten 'R' bleibt es mithin bei folgenden Formel: Laibach = Rammstein für Erwachsene, Rammstein = sexy German Blitzkrieg Comic - und Unheilig = Rosamunde Pilcher plus Gähn.
19 Kommentare
Für Geld würde der **** sogar seinen Bart abrasieren (O-Ton irgendeine Gazette) - ich bin mir sicher der würde noch viel mehr ...
Alle Unheilig-Reviews sollten grundsätzlich nur noch vom Anwalt verfasst werden!
Habt ihr euch beim Interview eigentlich auch gekloppt? Das hätte da noch gefehlt
Die grössten musikalischen Verbrechen fangen immer mit "der" an wie z.b "der Wendler", "der Graf" oder "der W".
Nicht weniger Opfermusik als Bushido!
Stimmt.
das stimmt nicht ganz ..es gab schon 2 gute live dvd´s..die beste davon ist Puppenspiel Live: Vorhang Auf! ..diese konzert ist gut aufgenommen und zeigt den grafen anderst als heute..nicht beliebig geworden und auf massenkompatibilität getrimmt