laut.de-Kritik
Frieden mit "Brown Eyed Girl" und dem alten Labelchef Bert Berns.
Review von Giuliano BenassiIm Juni 1966 spielten zwei Morrisons miteinander auf der Bühne des Whiskey A Go-Gos in Los Angeles: Der eine, Jim, stand mit seinen Doors am Beginn einer sensationellen, wenn auch kurzen Karriere, der andere, Van, mit seinen Them erst mal vor einem Trümmerhaufen.
Wenig später saß Van, nun ohne Band, in seiner Heimatstadt Belfast und überlegte, wie er als Musiker weiter machen könne. Das Schicksal schien es zunächst gut mit ihm zu meinen. 1964 hatte Morrison den Songschreiber und Produzenten Bert Berns kennengelernt, der ihm (und Them) das Stück "Here Comes The Night" angeboten hatte. Sie nahmen es gemeinsam in einer Session mit "Baby Please Don't Go" auf. Beide wurden zu Hits.
Berns war danach in die USA zurück gekehrt und hatte das Label BANG gegründet. Als er erfuhr, dass Morrison in Irland hockte, lud er ihn zu einer Aufnahmesession ein. Morrison erschien im März 1967, spielte in zwei Tagen acht Stücke ein und flog wieder zurück.
Eines davon war "Brown Eyed Girl", auch 50 Jahre später noch Morrisons bekanntestes Lied. Es erreichte Platz 10 der US-Charts und ist in vielen "Beste Lieder aller Zeiten"-Listen vertreten. Auch wenn Morrison selbst nie viel von dem Stück gehalten hat. Aber das gehört beim notorischen Grantler mit dazu.
"Brown Eyed Girl" war das kurze Highlight einer schwierigen Beziehung. So gut Berns als Produzent und Songwriter war, so schlecht verhielt er sich als Chef. Der Vertrag, den Morrison leichtsinnig unterschrieben hatte, bürdete ihm die Ausgaben auf und beraubte ihn praktisch aller Tantiemen. Für den Song habe er nie Geld erhalten, erklärte der Nordire später.
Doch es kam noch schlimmer. Berns veröffentlichte die acht Songs aus der Session ohne Rücksprache als Album mit dem Titel "Blowin' Your Mind" (1967). Kaum verwunderlich: Es floppte.
Obwohl Berns wichtige Unterstützer hatte (BANG stand für Bert Berns, Ahmet Ertegün, Nesuhi Ertegün and Gerald 'Jerry' Wexler, die drei Gründer des Labels Atlantic), litt er unter finanziellen und persönlichen Schwierigkeiten. Als Morrison später im Jahr in die USA zurück kehrte, um neue Songs einzuspielen, war die Magie verflogen. Um sich über Wasser zu halten, spielte er in Bars und Clubs. Schließlich erhielt er Besuch von der Einwanderungsbehörde, denn BANG hatte sich, anders als vereinbart, nicht um ein Arbeitsvisum gekümmert.
Um den Vertrag zu erfüllen, der ihn noch an BANG band, begab sich Morrison im Dezember 1967 ein letztes Mal ins Studio, um auf die Schnelle 31 Tracks zu improvisieren. Wie ernst es ihm dabei war, zeigt sich an den ersten fünf Titeln: "Twist And Shake", "Shake And Roll", "Stomp And Scream", "Scream And Holler", "Jump And Thump", alle um eine Minute kurz. Seinen Gemütszustand drückte er eher mit dem Titel "The Big Royalty Check" aus.
Eine Aussprache fand nicht statt: Berns starb am 30. Dezember 1967 unvermittelt an einem Herzinfarkt. Es folgte ein bitterer Streit, in dem Berns Witwe Morrison beschuldigte, ihren Mann zu Tode gestresst zu haben. Gerichtlich ließ sie ihm verbieten, im Raum New York aufzutreten.
Ohne Visum und praktisch mittellos zog Morrison nach Boston. Das Blatt wendete sich jedoch: Er heiratete sein brown eyed Girl Janet Rigsbee, praktischerweise eine US-Amerikanerin, unterschrieb einen Vertrag bei Warner Records und veröffentlichte 1968 "Astral Weeks", eines der bekanntesten Alben der Rockgeschichte.
Das kann man von der vorliegenden Anthologie um sein Debüt nicht behaupten, denn außer "Brown Eyed Girl" enthält sie keine bemerkenswerten Stücke, abgesehen vielleicht vom langen "T.B. Sheets" und einer souligen Version von "Midnight Special", das aus dem Repertoire Lead Bellys stammt. Doch wie schon bei "The Complete Them" (2016) haben sich die Verantwortlichen bei Legacy/Sony viel Mühe gegeben, neben den bekannten Versionen alternative Takes aus den Archiven zu fördern und diese tadellos zu restaurieren.
Auch wenn vier Versionen von "Brown Eyed Girl" vielleicht zwei zu viel sind, ist es interessant zu erfahren, wie sich das Stück von den hier vertretenen "Takes 1-6" und "Takes 7-11" zu den Versionen Stereo (Album) und Mono (Single, beide Take 22) entwickelt hat. Erstaunlich, dass das Intro von Beginn an fest stand. Immer wieder unterbricht Berns die Musiker, um Anweisungen zu geben. Sie lassen sich, als fähige Profis, die sie waren, nicht aus der Ruhe bringen.
Fast schon amüsant, trotz des ernsten Hintergrunds, fällt die "Contractual Obligation Session" aus, die zwar schon länger erhältlich war, nun zum ersten Mal aber bei einem großen Label, was den Titelzusatz "authorized" erklärt. Auch wenn Morrison damals Blut und Galle spuckte, zeigt er sich nun erstaunlich altersmilde: "Bert Berns war ein Genie. Ein brillanter Songschreiber, der viel Soul besaß. So etwas gibt es heutzutage nicht mehr", schreibt er in seinen Liner Notes.
1 Kommentar
ich kann morrison durchaus verstehen, dass er "brown eyed girl" nicht zu den besten liedern seines katalogs zählt; erst recht nicht zu den besten songs aller zeiten.
verglichen mit den gar nicht so viel später verfassten killern a la "moondance", "you don't pull..." oder "streets of arklow" ist das nette liedchen ja wirklich nichts besonderes.