laut.de-Kritik
Prog-Kunst, die auf den Geist und direkt ins Herz geht.
Review von Yan VogelVanden Plas bewegen sich im Herbst 2019 mit dem ersten Teil von "The Ghost Xperiment - Awakening" zurück zu ihren Metal-Wurzeln. Das Quintett aus Kaiserslautern spannt die Fans gleichsam auf die Folter, da sie eine Story ausbreiten, die die Tücken und Tricks des menschlichen Bewusstseins behandelt. Der zweite Teil "Illumination" bringt nun Licht ins Dunkel.
Das Philip-Experiment - eine wissenschaftsistorisch eher randständig behandelte Versuchsreihe - stellt den Ausgangspunkt für die Story von Sänger Andy Kuntz dar. In den Siebzigern versuchte eine Gruppe von Menschen den Gegenbeweis anzutreten, dass es Geister oder sonstige unerkannte Wesen gibt. Dazu dachten sich die Teilnehmer einen fiktiven Charakter mit dem Namen Philip aus. Sie strickten ihrer Figur eine Biografie zurecht und versuchten, fortan mit ihr in Kontakt zu treten. Das Unwahrscheinliche wurde Realität und Philip begann mit der Gruppe zu kommunizieren.
Fakt oder Fiktion, Hirngespinst oder reale Erscheinung? Schon Friedrich Schiller schrieb in seinem - wenn auch zugegebenermaßen nicht zum Kanon der Weltliteratur gehörenden - Groschenroman "Der Geisterseher" die häufig gebrauchte Floskel: "Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als wir in unsern Philosophien träumen". Der Charakter von Kuntz heißt Gideon Graves. Im ersten Teil von "Ghost Awakening" blieb der Hörer im Glauben, Graves sei von drei Geisterscheinungen verfolgt.
Man ahnt schon mit Blick auf das Philip-Experiment, was die Wendung in Teil zwei ausmacht: Die drei Geister entpuppen sich als leibhaftige Menschen, die wiederum aus einer Laune heraus eine fiktive Person erdacht haben - Graves. Und so breitet der Theater-affine Kuntz seine mit zahlreichen Wendungen gespickte Story vor dem staunenden Rezipienten aus, auf das einem die Sinne schwinden und man zwischen Traum und Realität nicht mehr unterscheiden mag.
Gute Prog-Kunst geht auf den Geist und direkt ins Herz. Nachdem der Genre-Geist aus der Flasche ist, bleibt die Frage: generisch oder genial? Die Pfälzer kehren als Antwort ihre Schokoladenseiten hervor. Vanden Plas fokussieren sich auf den Prog-Metal der Anfangszeit, ohne ihre dramaturgischen Erfahrungen der vergangenen Jahre außen vor zu lassen. Konkret bedeutet das: Stephan Lill spielt eine klar definierte Rhythmusklampfe und flicht seine Chris Oliva-Gedächtnis Soli zwischen Blues-Stasis und Shredding-Ekstase sowie die cleanen Einsprengsel ein.
Die Rhythmussektion schmiegt sich den Riffs und Harmonien an und entwickelt bisweilen ein Eigenleben, etwa der Bass im Refrain von "The Lonely Psychogon" oder die Drums im himmlisch-hochfliegenden Refrain von "Under The Horizon". Der Opener "When The World Is Falling Down" knallt zünftig und kassiert, ohne mit der Wimper zu zucken, stilistisch ähnlich gelagerte Tracks neueren Datums von Dream Theater oder Symphony X.
Günter Werno ist das Zünglein an den Tasten. So gut wie jeden Track versieht er mit artifiziellen Texturen, die das komplette Spektrum von analog bis digital abdecken. Sein songdienliches Spiel gipfelt in den Solopassagen, die jederzeit melodische Anker aufweisen und nicht zum Selbstzweck dargeboten werden.
Als Kernstücke schälen sich nach wenigen Durchläufen "Black Waltz Death" und "The Ouroboros" heraus. Ersterer Track ist ein tänzelndes Requiem zwischen dem zünftigen Dias de la muerte und einem Begräbnis mit Leichenbittermiene, beschwingt und todtraurig zugleich. Im 13-minütige "The Ouroboros" kulminieren die Themen und Melodien, die Liebe und Destruktivität gleichermaßen in sich tragen und im großen Finale miteinander in Richtung Abgrund wanken.
In diesem Annus horribilis stellt die Platte Leuchturm und Fluchtpunkt zugleich dar und zeigt, dass auch etablierte Prog-Acts überraschen können. Die Bodenständigkeit der neuen Fates Warning vermischt sich auf spannende Weise mit einem strengen Konzept à la Ayreon. Somit zählen Vanden Plas neben Blind Guardian und Avantasia hierzulande zu den drei dramatischen Metal-Königen. Der zweite Teil des schaurig schönen Experimentes fällt noch einen Ticken geistreicher aus als Teil eins.
3 Kommentare
Prog-Schmutz 0/5
Aso nun promoten wir auch noch Kaiserslauten, feiner Zug! Band noch nie gehört, Musik hat nix mit Prog zutun und 5 von 5, Kopfschütteln! Alte weiße Deutsche, die die letzten Groschen zusammenkratzen müssen, um davon doch nicht den nötigen Friseur zu zahlen, wahrscheinlich? Respekt Your Ears, die besser weg hören.
Das sind aber hier mal unqualifizierte Kommentare. Wenn ich mich recht erinnere waren Vanden Plas mitunter die ersten die Anfang der Neunziger, nachdem Dream Theater diese Prog-Welle gestartet haben auf ähnlich hohem Niveau gespielt haben (und das auch noch als deutsche Band). Sie haben ihren eigenen Stil entwickelt, sind diesem Treu geblieben und haben hier wiedermal ein solides Prog-Album abgeliefert.