laut.de-Kritik
Abschied mit beeindruckender Gästeliste.
Review von Giuliano BenassiWenige Wochen vor seinem Tod im Januar 2009 hatte John Martyn eine der höchsten britischen Auszeichnungen erhalten, den Order Of The British Empire (OBE). In musikalischer Hinsicht hatte er sich zu diesem Zeitpunkt schon längst aus der Öffentlichkeit verabschiedet. Seit seinem kreativen Höheflug in den 70er Jahren und kurzzeitigen Charterfolgen zu Beginn der 80er war einfach zu viel Zeit vergangen.
Welchen Einfluss er nicht nur auf befreundete Kollegen sondern auch auf folgende Generationen hatte, zeigt sich anhand dieser prall gefüllten Doppel-CD, die bekannte und weniger bekannte Bands und Musiker versammelt. Allen voran Phil Collins, der die letzten 30 Jahre einer der engsten Freunde Martyns war. "Ich habe ihn geliebt. Er kannte keinen Mittelweg, weder in der Musik noch im Leben. Ich hoffe, dass man sich an ihn und seine Musik erinnern wird", gibt er im Booklet zu Protokoll.
"Er war der erste Folktroniker", erklärt Beth Orton, die ebenfalls hier vertreten ist. Vashti Bunyan dagegen hat ganz andere Erinnerungen. Zu Beginn ihrer Karriere Mitte der 60er Jahre stand Sie angsterfüllt am Rande einer Bühne und wartete auf ihren Auftritt. Martyn war vor ihr dran. "Er stand da, zündete sich ganz ruhig eine Zigarette an und klemmte sie ans Griffbrett. Neben ihm stand ein Glas Bier. Ich habe versuch, dieses Bild in meinem Kopf zu behalten. Um mich daran zu erinnern, dass man da draußen keine Angst zu haben braucht.".
Die meisten Interpretationen stammen aber von Menschen, die Martyn nie persönlich gekannt haben. "Ich erinnere mich, in der Plattensammlung eines Freundes herumgefischt zu haben", so Paolo Nutini. Plötzlich hält er "Solid Air" in der Hand, eine von Martyns bekanntesten Platten. "Nachdem ich sie auflegte, wollte ich mich zurückziehen, eine Tüte drehen, laut lachen und anschließend weinen. Seine Musik hat mich wirklich berührt", erklärt er - stellvertretend für andere.
Dass Martyn in verschiedenen musikalischen Gebieten beheimatet war, zeigt sich auch auf dieser Platte: Zu Beginn und zum Ende der Karriere akustisch zwischen Folk und Blues, dazwischen aber auch von Elektronik, Reggae und Trip Hop angetan.
Die Liste der vertretenen Künstler ist beeindruckend. Während sich David Gray und Cure-Frontmann Robert Smith in Eigenregie an Home-Produktionen versuchen, klingen Clarence Fountain & Sam Butler (von den Blind Boys Of Alabama) sowie Becks Interpretation schon eher nach Album-Material. Folkig-ruhig fallen die Stücke von Swell Season und Vetiver aus, gechillt die von Skye und Nutini, während Joe Bonamassa auf traditionellen Blues setzt.
Auch CD2 wartet mit großen Namen und unterschiedlichen Genres auf: Trip Hop mit Morcheeba, Poprock mit Snow Patrol, Folk mit Beth Orton und Bombay Bicycle Club, Entrückt-Esoterisches mit Vashti Bunyan. Den Abschluss macht Phil Collins mit einem Lied, das er einst gemeinsam mit Martyn schrieb. "Er hat mir die Melodie für den Refrain gegeben, weil er nicht wusste, was er damit anfangen sollte. Ich habe den Rest geschrieben, aber es war nie mein Lied. Es fühlt sich nach wie vor an, als hätte ich es mir von ihm ausgeliehen", erklärt der Schlagzeuger.
Das Tribute-Album ist liebevoll gestaltet und enthält in der Bonus-Version auch eine DVD. Wer mehr von Martyn haben möchte: Zeitgleich erscheint "Heaven & Earth", das Album, an dem er vor seinem Tod gearbeitet hat.
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