laut.de-Kritik
Radiohead, White Stripes, PJ Harvey, Sonic Youth, Jarvis, Beck und Co. ganz intim.
Review von Thomas KlausDer audiovisuelle Mitschnitt von Musikkonzerten bleibt gezwungenermaßen Simulation. Eine DVD kann das authentische Live-Erlebnis nicht vermitteln. Den geballten Ausstoß von Adrenalin, Endorphinen und Schweiß, die unmittelbare physische und psychische Reaktion auf Sound und Performance, dieser besondere Kick, all das bekommt man nur inmitten der Zuschauermenge.
Nigel Godrich, Initiator der From The Basement-Serie, umgeht die Limitierung des Mediums ganz bewusst, indem er sich einfach auf die Möglichkeiten konzentriert, die das Format zu bieten hat. Nach dem Motto "Kein Gastgeber, kein Publikum" bittet der Produzent von Radiohead seit Dezember 2007 regelmäßig geschätzte Bands auf die Bühne eines Kellerstudios in England und drückt den Aufnahmeknopf.
Der Fokus ist allein auf die Musiker und ihr Spiel gerichtet, ohne Lightshow, ohne Projektionen, ohne Nebelmaschinen, ohne Schnickschnack. Das Konzept ist zwar nicht neu, die Künstler dafür aber umso besser in Szene gesetzt. Radioheads Thom Yorke bringt die Vorzüge auf den Punkt: "From The Basement war aufregend, weil es aus dem Wunsch entsprang, den ganzen Scheiß, der zwischen der Musik und dem Zuschauer steht, auszublenden. Keine Produzenten- oder Regisseur-Egos, die alles versauen."
Nachdem sämtliche Clips bislang nur online verfügbar waren, gibt es die Auswahl besonders gelungener Aufzeichnungen nun auf DVD. Vorhang auf für 129 Minuten mit Radiohead, The White Stripes, Beck, Jamie Lidell, The Shins, Jarvis Cocker, Neil Hannon, Laura Marling, Sonic Youth, Eels, Albert Hammond Jr.., PJ Harvey, Super Furry Animals, Damien Rice, Autolux und José González. Alle auf demselben dunkelroten Teppich, alle spärlich ausgeleuchtet und (fast) alle mit zwei Songs vertreten.
Kein unnötiger Firlefanz lenkt vom Wesentlichen ab, keine Illusionen gaukeln falsche Eindrücke vor. Die Kameras bleiben eher statisch - rasante Fahrten, Schwenks und Schnitte fehlen. Statt verwackelten Bildern gibts Tiefenschärfe satt. Die Aufnahmen überzeugen allesamt durch stringente Nüchternheit und visuelle Brillianz, wobei sich die eigentliche Wirkung aus der Abwesenheit von Ballast entfaltet.
Die Aufmerksamkeit gilt den kleinen Details, die gerne im bombastischen Popanz untergehen. Man kann zum Beispiel erkennen wie akkurat die White Stripes auf ihre farbliche Linie achten, selbst Mikrofonköpfe und der Filz an Megs Schlagzeugbecken sind ganz in rot gehalten.
Faszinierend auch, wie die Interaktion der Musiker im Raum ungefiltert vermittelt wird.
Man kann die Chemie zwischen Jack und Meg White förmlich greifen – immer wieder nehmen sie beim Spielen Blickkontakt miteinander auf. Sehr spannend anzusehen sind auch Sonic Youth, die bei "Pink Steam" eine unglaubliche Dynamik entfalten. Jarvis Cocker gibt auch ohne Publikum die Rampensau, der Performer steckt ihm offensichtlich im Blut.
Zu den bewegendsten und intensivsten Momenten zählt die Performance von PJ Harvey. Lediglich mit Gitarren- bzw. Klavierbegleitung vermag sie allein mit ihrer Stimme die Atmosphäre zum Knistern zu bringen. Eine vermeintlich gigantische Band wie Radiohead, die mit ihrer bahnbrechenden Bühnenshow auf der "In Rainbows"-Tour erneut alles visuell Dagewesene in den Schatten stellte, erscheint in diesem reduzierten Ambiente plötzlich als das normalste, was es auf der Welt gibt: Fünf Typen machen zusammen in einem Raum Musik. Trotzdem magisch.
So gestattet "From The Basement" dem Zuschauer einen voyeuristischen Einblick durchs Schlüsselloch, der ganz neue Perspektiven auf die Bühne als Mikrokosmos offenbart. Nie konnte man so nah ran und die Musiker scheinbar ungestört beim reinen, unverfälschten Spiel beobachten.
"Ich bin ein trauriger Fan, der versucht, dem Musikfernsehen die Magie zurückzugeben", erklärt Nigel Godrich seine Motivation. Dieser Kunstgriff ist ihm aus dem Keller heraus meisterhaft gelungen.
2 Kommentare
Weihnachtsgeschenk!
Für mich natürlich.
Will auch haben!
Obwohl QotSA nicht mit von der Partie ist. Aber gerade In Rainbows taugt im Grunde nur live. Statische Kamera klingt ebenfalls sehr verführerisch.