laut.de-Kritik
Neues Sternensystem, alte Soundcloud.
Review von Lena BayerProben war während des Lockdowns auch für die Lisbeths lange nicht möglich. Also nutzten sie die Zeit, um sich ausgiebig über einen neuen Albumtitel Gedanken zu machen. Online suchten sie nach Sternensystemen, um "Dieses Weit-weg-von-der-Realität-sein"-Gefühl aufzugreifen. "EZ Aquarii" ist das Ergebnis, dessen Titel weitaus spannender als der Inhalt klingt. Wobei selbst der nach "sweetlilly93@hotmail.com" irgendwie erwartbar war.
Auf dem letzten Longplayer orientierten sich Von Wegen Lisbeth vor drei Jahren mit Alexa oder dem "Lieferandomann" am damaligen Zeitgeist. Heute sprechen die Menschen abgesehen von globalen Krisen von den Elon Musks der Welt. Der echte "Elon" wollte Anfang des Jahres im Berghain feiern gehen, kam aber angeblich nicht rein. Die Berliner besingen das Highlight des Albums genauso freudig wie das Runden drehen der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und das Berufsverbot der gleichnamigen Wetterfrau Kleinert und Kollege Kachelmann.
"Wir haben uns Weiterentwickelt" sagen VWL selbst über den Release, der auf den gleichen Freitag wie der globale Klimastreik von Fridays For Future fällt. In ihrer Heimatstadt Berlin sollen Von Wegen Lisbeth auftreten, wenn unter dem Motto 'Politik für Menschen statt Profite' demonstriert wird. "Elon" macht sich da sicherlich ganz gut.
Über den Sound lässt sich nicht allzu sehr streiten. Der klingt ähnlich Indie-Poppig wie bei den beiden Vorgängern. Ab und an mit tropischen Klängen, bekannten Synthies und der immer gleichen melancholischen Grundstimmung, die aber nie so richtig depri wird. Dazu kommen markante Bässe, Drums, die zur zweiten Albumhälfte an Tempo zulegen, ein Omnichord und ein Kinder-Glockenspiel.
Auch die Texte bleiben ironisch und verspielt wie immer. Sie handeln von Personen des öffentlichen Lebens ("Auf Eis", "Hochdruckgebiet"), bekannten Situationen aus dem Alltag ("Captcha") und dem "Fundbüro", unterschwelligem ("Alles OK") und offensichtlichem Liebeskummer ("L.OST"). Genauso "L.OST" wirken auch die Lines zu "Augen I" und "Augen II": "Füße hab' ich zum Spazieren / Beine hab' ich für den Sprint / Fäuste für das Rebellieren", aber: "Augen / Hab' ich nur für dich". Texte mit detailliert beschriebenen Alltagssituation bleiben halt nach wie vor Geschmackssache.
Doch ab und an sind es ausgerechnet diese zusammenhangslosen Tracks, die hängenbleiben: "Meerschwein" etwa mit entspannt-hawaiianischen Klängen und einem Text über die gern genannte Lutherstadt Wittenberg: "Siehst du das T-Shirt vom Kellner da? / Da steht 'Say no to drugs and stay clean' / Doch am Fünfer, den er dir als Rückgeld gibt / Klebt zu achtzig Prozent Kokain". Ansonsten fehlen "EZ Aquarii" ein paar Cheries und Bitches mehr, die vor allem "Grande" hergab.
2 Kommentare mit 3 Antworten
Endlich, das langerwartete neue Album von VWL für BWL-Studenten, die selbstkritisch das eigene Handeln hinterfragen und gekonnt das eigene ausgeprägte ökologische Bewusstsein ihren nicht weniger erfolgreichen 1,3k Insta-Followern zur Schau stellen!
Ein angesagtes Stück Zeitgeist voll quirliger Indie-Tunes zum Rumhopsen und Abhotten für die favorisierte Indiedisse! Musik im sweet spot für Leute, denen Max Giesinger zu wenige Ecken und Kanten hat, Mark Forster jedoch etwas zu rough ist, out now!
Na etwas mehr Kanten als Mark Foster hat VWL aber schon. Und Texte die mit mehr Humor gefüllt sind.
Immer dieses Rumgejammere von Classic-Rock-Dads.
Classic-Rock-Opa, wenn ich bitten darf!
Aber mal ernsthaft, das hörst du doch selber nicht oder?
Damit kannst du, ganz im Gegensatz zu Cro, nicht bei den angesagten Influencern punkten.
Die haben sich jetzt fürs neue Album kein Bein ausgerissen. Trotzdem sind da wie immer 3-4 Hits drauf und neben der Höchsten Eisenbahn macht wohl aktuell niemand so schöne Popmusik auf Deutsch.
Textlich wird das auch immer mehr zu Element of Crime für die Generation Avocado nur mit schlechtem Gewissen essen, was ich ausdrücklich als Kompliment verstanden wissen möchte.
Und geiler als so pathosbesoffene Industyplants wie Provinz sind die sowieso.