laut.de-Kritik
Songs für die Zeit zwischen Praktika und Klimarettung.
Review von Amelie KöpplTäglich werden wir von immer deutscherer Musik überschwemmt. Meistens erwischt einen die Schlagerwelle, doch manche entdecken in dem ganzen Wust auch neue deutsche KünstlerInnen, die unter der Oberfläche des spiegelglatten Popgeschäfts kratzen. Zur letzteren Kategorie zählen Von Wegen Lisbeth, die mit ihrem zweiten Album erneut den Spagat zwischen ernsten Themen und fluffigen Melodien wagen.
Der Plattentitel "sweetlilly93@hotmail.com" weckt sofort rührselige Assoziationen: An damals, diese gute alte Zeit, als man für Chatforen Nicknames hatte und diese am liebsten gleich noch bei ICQ und der ersten eigenen Mailadresse wiederverwerten wollte. So schlicht, aber doch komplex wie der Titel starten die Berliner mit "Wieso". Keine Herzschmerz-Schmonzette, sondern existenzielle Fragen über Öffnungszeiten, Küsse und "wie so was schiefgehen kann". Dazu gesellt sich auf Anhieb ein knackiger Lisbeth-Beat, wie wir es von "Grande" gewohnt sind.
Weiter geht es mit herrlichen Spitzen auf Kosten des Zeitgeists: Der "Lieferandomann" als liebeskranker Ex, Alexa als Ausrede für alles Schlechte in der Welt und optimiertes Gutmenschentum. Frontmann Matthias Rohde wäre sogar fast lieber ein "Gefährder", als das AirbnB im gentrifizierten Viertel mit Ratten teilen zu müssen.
Von Wegen Lisbeth reihen abermals einen ausgefeilten Wortwitz an den nächsten. Die kleinen Alltagsanekdoten passen mitten ins rastlose Gefühl einer ganzen Generation, die ständig zwischen Praktika und Klimarettung pendelt. Nicht nur der Einsatz von klingelndem Glockenspiel, Klanghölzern oder feinen Synthieeinheiten erinnert an den Vorgänger. "Sweet Lilly" scheint mit ihrer multiplen Online-Persönlichkeit im ersten Moment der Smartphone-fanatischen "Lisa" nachempfunden. "Westkreuz" wiederum ist ein schräges Liebeslied à la "Bitch" ("Der Fahrstuhl am Westkreuz riecht noch immer nach Pisse / und du weißt nicht wie doll ich dich vermisse.")
Die deutsche Sprache mag für viele noch ein sperriges Element in der Welt der Popmusik darstellen. Von Wegen Lisbeth machen es einem mit ihren schlicht gehaltenen Melodiestrukturen jedoch leicht, sich auf die Geschichten einzulassen, die immer mal wieder Kritik an sich selbst und den Mitmenschen üben. Deutsche Musik, die mehr kann, als nur zum Schunkeln zu animieren.
5 Kommentare mit 12 Antworten
Finde das Album super. Ähnlich super wie das erste. Speziell gefährder.
Nur ist mir echt eindrücklich aufgefallen, dass die Reime doch massiv simpel sind. Da würde sich manchmal anbieten auf den Reim zu verzichten und dafür doch etwas komplexere Satzstrukturen zu ermöglichen.
massiv und simpel ist ein wiederspruch
ein 200 Kilo Fettsack der nur Fressen in sich reinschaufeln im Kopf hat ist auch massiv und simpel
ich hatte schon angst nich alle verstehe den joke. massiv ist ein deutsche rapper viele sagen der beste keiner sagt simpel bruder
Next Level Trollung.
Nur dass daran halt nix next Level ist. Oomphie hat das besser hinbekommen.
Ja, es ist halt die 2019 Version von Oomphie.
"... ins rastlose Gefühl einer ganzen Generation, die ständig zwischen Praktika und Klimarettung pendelt"
sollen sie halt mal gescheit arbeiten gehen, dass treibt die flausen aus dem kopf
AB INS STAHLWERK MIT DENEN!
"Früher hat man die Kinder einfach in den Krieg geschickt. Jemanden zu töten stärkt den Charakter!"
Ich halte derlei Musik nicht aus. Und das obwohl ich das Klima gerne retten würde.
This. Ist mir alles zu gewollt, zeitgeisty, kantenlos. Reime straight von Onkel Jochen Turnhallen-Geburtstagsparty zum 50.
bald kommt neu album von farid b.
Unerträglicher Studentenbefindlichkeitspop 1/5
Ich spüre hier Minderwertigkeitskomplexe, aber lass dir gesagt sein, dafür, dass man nicht studiert hat, muss man sich nicht schämen. Wofür man sich aber schämen sollte, sind solche Kommentare
Das ist mal ne richtig coole deutsche Band - erinnert mich an Oasis