laut.de-Kritik
Der würdige Nachfolger Ludwig Hirschs.
Review von Giuliano BenassiBei den Stichworten "Wien", "Liedermacher" und "morbid" kommt den älteren Nichtösterreichern unter uns vermutlich recht schnell Ludwig Hirsch in den Sinn. Ein außerordentlicher Texter, der sich 2011 leider das Leben genommen hat. Fünf Jahre nach seinem Tod keimte die Hoffnung auf, dass sich endlich jemand an ein neues "Omama" oder "I Lieg Am Ruckn" wagen würde. Ein Titel wie "Heite Grob Ma Tote Aus" verhieß nur Gutes.
In der Tat schaffte es der Neue, international (also auch jenseits des Wiener Stadtgebiets) für Aufmerksamkeit und Begeisterung zu sorgen. So schüchtern und eigenbrötlerisch Hirsch wirkte, so cool kam sein potentieller Nachfolger daher. Allein schon der Künstlername verdiente Anerkennung: Voodoo Jürgens, vermutlich eine Verneigung vor dem oft zu kitschigen, dennoch zurecht verehrten Udo, und dada in der besten Tradition eines anderen großen Wieners, Falco.
Drei Jahre hat er sich nun für sein zweites Album gelassen. David Öllerer, wie Jürgens bürgerlich heißt, ist nach zehn Jahren als Frontmann der Band Die Eternias zum Glück erfahren genug, um nicht Hirschs Fehler zu machen. Erstens: Wiederhole dich nicht. Zweitens: Mach keinen Schlager. Während "Ansa Woar" im Wesentlichen eine Singer/Songwriter-Mühe war, überrascht "'S Klane Glücksspiel" mit Pseudo-Balkanklängen. Fast scheint es, als hätte Shantel im Studio vorbei geschaut. Auch wenn natürlich Jürgens' Begleitband Ansa Panier die Musik einspielte und mit Louie Austen ("Kumma Ned") sowie Jazz Gitti (im Titeltrack) zwei weitere Wiener Größen im Studio waren.
Lustig geht es meist zu, gar fröhlich, während Jürgens über einen bösen Geldautomaten singt, der die Karte schluckt statt Scheine herauszugeben ("Eisensau"), die Geschichte einer trostlosen Kindheit erzählt ("2L Eistee" - und 1 Sackel Chips) und sich sogar an das heikle Thema des erstarkenden Rechtspopulismus wagt ("Angst Haums").
Auch wenn sich Wien seit den 1970er Jahren, in denen Hirsch seine besten Stücke schrieb, vom nationalsozialistischen Mief befreit hat und als eine der lebenswertesten Städte der Welt gilt, gibt sie offenbar immer noch genügend Stoff her. Auch diesmal bevölkert Jürgens sein Album mit Menschen vom Rande der Gesellschaft. Demütigung? Zum Glück nicht, schließlich könnte es ja jeden von uns treffen.
Und so sitzt er auf dem Cover am Spieltisch (oben links, mit obligatorischer Kippe) und zockt. Ganz anders als mit seiner Musik, die auch diesmal die Stadtgrenzen gesprengt hat, auch wenn seine Aussprache so eigen ist, dass selbst Wiener seit Generationen Probleme haben dürften, alles zu verstehen. Als Piefke versucht man es erst gar nicht. Bis Google einen Übersetzer "Vodoo Jürgens - Deutsch" bereitstellt, bleibt also nichts anderes übrig, als vermeintlich mitwissend mitzuschunkeln. Und das am besten auf Tour, die ihn Anfang 2020 auch ins deutschsprachige Ausland führt.
5 Kommentare mit einer Antwort
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
angst vor 5***** für voodoo? dabei versteht man ihn doch schon fast in KN? ist doch gar nicht so weit bis wien...
musikalisch jetzt nicht ganz so meins, aber den dialekt könnt ich mir halt stundenlang geben.
wobei der song " 's klane glücksspiel" halt scho ziemlich geil ist. zumindest in kombi mit dem vid.
schad sicher nix, sich doch mal das komplette album anzuhören.
Ich finde ihn sehr unterhaltsam. Durfte in Live in Salzburg erleben und ich kann nur sagen dass er überzeugt. Oft etwas zu melancholisch, dennoch gespikt mit Witz und Ironie. Ich mag ihn. Schön dass er hier sogar bewertet wird.
Guter Typ und Musik wie aus der Kneipe. Hab sie mir jetzt lang angehört und heute gekauft. Mit der Zeit versteht man auch ungefähr von was er singt.