laut.de-Kritik
Die Antithese zu deinem Schwanzgewedel.
Review von Marvin MüllerEn gesundes Maß Antihaltung für die Industrie und sich nicht vor politische Karren spannen lassen: So könnte die Erfolgsformel von Waving The Guns lauten. Vielleicht ist das Faszinosum um diese Crew aber auch der Eloquenz eines Milli Dance oder Admiral Adonis geschuldet. Ganz sicher haben die samplelastigen Beats von Dr. Damage und Dub Dylan einen erheblichen Einfluss auf das Gesamtkunstwerk WTG.
Ein gutes Jahr nach dem Labeldebüt "Totschlargumente" verschlägt es die Rostocker Fachkräfte unter tosenden Schlachtrufen in die vielen 1000-Seelen-Käffer der Bundesrepublik. Diesmal ohne Neonschwarz, dafür mit neuen Kampfliedern ausstaffiert: "Endlich Wird Wieder Getreten".
Das "Intro" schlägt mit unheilvollen Fanfaren und düsterem Streicher-Loop auf, die Fronten sind schnell geklärt. Mit Bierfahne und gezückten Mittelfingern gegen die Obrigkeit und ihre Vollstrecker, gegen rechtsmotivierte Aktivisten, gegen Laissez-faire-Wohlfühlrapper und vor allem gegen das System. Die Waffen für das letzte Gefecht: dichte Beatstrukturen mit Bausteinen aus Funk und Soul der 90er, eine spuckende Hi-Hat als ewiger Begleiter sowie die schiere Wortgewalt von Milli Dance und Admiral Adonis.
Während ihre geistigen Mitstreiter selbstironisch falsche Götzendiener mimen und aus Verzweiflung gebackene Teigfladen als Heilsbringer feiern, wählen die hedonistischen Steineschmeißer drastischere Farben für ihr Gemälde. Ob schmerzliche Darstellung sozialer Abgehängtheit ("Mülltonne"), selbstkritische Zwischentöne ("Identifikationsfigur") oder zum Umsturz anstachelndes Chanson ("Überlegen"): Milli rotzt die Realität schonungslos aufs Blatt. Häufig mit Sarkasmus getränkt, dafür nie zu überspitzt oder sich selbst erhebend.
"Zapfhahn" wartet nicht nur mit einem atmosphärischen Video auf. Die kongenialen Cuts (Sex Pistols, Dizzee Rascal, Tove Lo und Yassin) sowie ein brillanter Milli Dance machen den Song zu einem All-Time-Favorite. "Die Menschheit ist ein Sauhaufen, gib' mir Schnaps und Weed / solang du noch den Zapfhahn bedienst, hab' ich Dreams."
Gerne landen die Herren mit anderen politischen Rap-Crews in einem Topf, doch allzu oft hinkt der Vergleich. Waving The Guns lassen sich nicht auf die Antifa-Schiene fesseln. Unverkennbaren Einfluss nimmt lediglich Retrogott, der den Jungs nicht nur in Sachen Beats Modell stand, sondern auf "An Einem Strang" gleich die bittere Diagnose für Deutschrap mitliefert: "Deutscher Hip Hop und die Bild-Zeitung ziehen an einem Strang."
Einen kleinen Wermutstropfen gibt es allerdings: Der selbstreferenzielle Tour-Track "Open Mic" zündet trotz nettem Louis C.K.-Intro nicht. Milli spricht Erlebnisse auf Konzerten an, wonach einige Zuschauer den Auftritt von WTG zum Anlass nahmen, um auf die Bühne zu steigen und ihre wirre Meinung kundzutun. Milli Dance wendet sich direkt an die Adressaten: "Ein WTG-Konzert ist keine Open Mic Veranstaltung!" Gut, wäre das auch geklärt.
Der achtminütige Eastside-Representer "Es War Nicht Alles Schlecht" vereint das gesamte Kollektiv um die Rap-Crew und bietet neben der kampfeslustigen Gesangseinlage von Genosse Soselo auf "Überlegen" die einzigen Gastbeiträge. Das beiliegende Album "Totschlagargumente" von 2015 veranschaulicht sehr deutlich die Entwicklung der Rostocker Zecken-Crew, die keinen Zecken-Rap macht, und ist nebenbei auch noch hervorragend gealtert.
"Kunst wird für mich in dem Augenblick langweilig, wo es nur noch darum geht, irgendetwas Politisches zu transportieren", so Milli Dance 2016 gegenüber Noisey. "Es geht ja auch viel darum, wie mit Sprache umgegangen wird." Dass es den Herren vornehmlich um die Musik gehe, ließe sich ihnen als Inkonsequenz auslegen. Doch Milli weiß es besser: "Eigne mich nicht als politische Identifikationsfigur / ich bin nur eine Frohnatur / die einfach gern hier oben turnt!"
5 Kommentare mit 8 Antworten
Sehr nice, sehe sie morgen in Rostock live. Zusammen mit Pöbel Mc. Wird klasse.
Dito
war gut, kannte das album und damit die texte nicht, aber pöbel mc und wtg gingen schon steil
https://www.youtube.com/watch?v=eLcmicH7xA…
die kommentare sind das beste. audiolith - schlimmstes label ever.
und was kann das label für die kommentare ? mal wieder so nen dämlicher "bla bla ever spruch" der keinerlei Substanz hat
Ist doch gar keine Rede von einem kausalen Zusammenhang, oder? Die Kommentare sind eine Sache, Audiolith als Scheißlabel (Fakt) eine andere.
wenn man das ganze so hintereinander schreibt erweckt es schon den eindruck^^ und bei Audolith haben wir unterschiedliche Meinungen
Banger Musik kann auch nichts für die ganzen Kiddie Fans
"Deutscher Hip Hop und die Bild-Zeitung ziehen an einem Strang."
ich hätte grundsätzlich gar nichts dagegen, wenn "Neonschwarz" oder "waving the guns" am ende dieses Stranges hingen....
gegen die beiden ist mal gar nichts einzuwenden ^^
Alle tot seit gestern
Find's ganz geil, live reißen die auch ab. Review irgendwie lurchig, naja. Ist natürlich weder was für AfD-Sodi, Kraken-Torque und für Baude schon ganz und garnicht.
Warte allerdings noch auf grünes Licht vom offiziellen Realkeeper-Craze, damit Lauti es feiern darf