laut.de-Kritik

Poppunk zwischen Weezer und Nirvana.

Review von

Die Popwelt wird in ihrer fortschreitenden Intertextualität zusehends komplexer - man denke nur "Hipster-R&B". Um nicht in der Genre-Schublade zu versinken, entwickelt sich der Künstler von heute andauernd weiter, webt neue Intertexte, erfindet sich am besten regelmäßig neu, um immer höhere Reizschwellen zu überschreiten. In Anbetracht digitaler Allverfügbarkeit von Musik ist eben auch der Hörer anspruchsvoller geworden.

Nathan Williams beweist mit seinem dritten Album erneut, wie Bandgeschichtsbewusstsein und Novelty zusammengehen. Mit viel Effet entgeht er als Wavves der Gefahr, sein kreatives Potenzial demnächst im autobiografischen Loop aus Gras, Sand und Mädchen zu vergeuden. Nach drei Jahren und dem Hip Hop-Projekt Sweet Valley setzt der Mittzwanziger die auf dem Vorgänger "King Of The Beach" gesponnenen Texte fort.

Das Erstaunlichste zunächst: Trash und Thrash sind diesmal nur noch bedingt stilgebend. Zwar finden sich auf "Afraid Of Heights" weiterhin diverse Beachpunk-NoFi-Rocker, Zweiminüter wie "Mystic", die in Attitüde wie Soundspektrum irgendwo bei den Adolescents wurzeln. Sie wirken hier jedoch erstmals fast fehlplatziert.

Wo nämlich das völlig clean produzierte "Cop" mit Chor, Pfeifen, Streichern und klimpernden Saiten Neuland zwischen den Beach Boys und Parts & Labor betritt, passt das anschließende, leidenschaftlich dahingerotzte "Beat Me Up" eigentlich so gar nicht in die Tracklist. Man darf sich zu solch harschen Kontrasten Williams' dämonisches Grinsen vorstellen: ein Bild mit unbeugsamem Mittelfinger.

Entscheidender als das zurückgefahrene Einszwo mit Sandkruste ist jedoch die Wende, die sich exemplarisch im Titeltrack vollzieht. Williams und Bandkollege Stephen Pope weiden neuerdings ausgiebig im hookgeladenen Poppunk of 1995. Harmonie-schwangere Uhuhuus, sattes, geradeaus verlegtes Wall-of-Sound-Riffing und akuter Ohrwurmbefall wie aus den besten Weezer-Tagen, während gerade der Gesang an Green Days Billie Joe Armstrong erinnert.

"Demon To Lean On" hingegen kommt durch die Art, wie der Kalifornier hier weltverdrossen einen Singalong wie "Holding a gun to my head / So send me an angel /Or bury me deeply instead / With demons to lean on" überdehnt, sehr nah ran an Nirvana zu "In Utero". Im Gegensatz zu den Grunge-Ikonen gelingt Wavves allerding das Kunststück, die selbstverachtenden Lyrics in eher hymnische denn depressive Songs zu verpacken.

Wobei sich der Superslacker über allen Tateifer nie den Sarkasmus nehmen lässt. Die Streicher und das süßliche Xylophon in "Dog" sind gekonnte Kontrapunkte zum inhaltlichen Zynismus: "In the mooorning / Wake up choking but it's sunny". Außerdem erweitern Fragmente aus Animal Collectives Experimental-Repertoire ("Everything Is My Fault") den identitätsstiftenden Grungepunkpop-Appeal.

Wavves transponieren den Kassettensound früher Tage vom Strand erst in die Neunziger und dann bruchstückhaft in die Avantgarde. Sie produzieren an Beachpunk, Grunge und Indierock hochgezüchtete hymnische Cluster, die ungeachtet ihres substanziellen Defätismus aktivierend und catchy sind. Ob all der neuen Textanfänge steht das Duo zukünftig vor der Qual der Richtungswahl.

Trackliste

  1. 1. Sail To The Sun
  2. 2. Demon To Lean On
  3. 3. Mystic
  4. 4. Lunge Forward
  5. 5. Dog
  6. 6. Afraid Of Heights
  7. 7. Paranoid
  8. 8. Cop
  9. 9. Beat Me Up
  10. 10. Everything Is My Fault
  11. 11. That's On Me
  12. 12. Gimme A Knife
  13. 13. I Can't Dream

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