laut.de-Kritik
Ein neuer Song unter lauter The Mission-Heulern.
Review von Ulf KubankeDer König ist tot, es lebe der König! Diese alte Heroldsformel beschreibt Wayne Husseys erstes Solo-Lebenszeichen recht gut. Nachdem der Goth-Altmeister seine legendäre Band The Mission dieses Jahr endgültig auf Eis legte, präsentiert uns der Engländer mit "Bare" nun sein Solodebüt.
Betrachtet man die Tracklist, überwiegt zunächst Skepsis: Die CD besteht ausschließlich aus Neueinspielungen alter Mission-Tracks und eingestreuten Coverversionen; teilweise live, sowie einem neuen Song. Eine Ettäuschung? Mitnichten.
Dem Albumtitel folgend, erhalten die Lieder der Kultband ein neues Gewand, das sehr minimal und akustisch, tweilweise tatsächlich nackt, daherkommt. Diese gar nicht mal so neuen Kleider stehen dem Kaiser ausgezeichnnet. Wie schon gern in früheren Zeiten (man erinnere sich an die großartige Akustikversion von "Like A Child Again") bewaffnet sich der Mann aus Bristol vornehmlich mit Akustikgitarre und Klavier. Viele der eher rockigen Mission-Tracks erhalten auf diese Weise den notwendigen Klangraum zur totalen Entfaltung.
"Shelter From The Storm" war 1986 eine heftig tobende Zugabe bei der ersten Tour. Mit dem Song kotzten die Missionare sich stürmisch über die gemeinsame Zeit an der Seite von Oberschwester Andrew Eldritch aus. Im neuen Arrangement klingt der Song so wohlig warm wie ein Heuschuppen bei Gewitter.
Die alten Schlachtrösser "Garden Of Delight" und "Kingdom Come (Live)" sollten für sich allein schon ausreichen, den Wahlbrasilianer Hussey in den erlauchten Kreis englischer Weltklassekomponisten aufzunehmen. Ohnehin versteht er es perfekt, Stille und Zurückgenommenheit mit der typisch britischen - gern leicht hymnischen - Songwritertradition zu verbinden.
Auf "Absolution" und dem hervorragenden brandneuen Wavekracher "Another Lonely Day" führt uns der Meister intensiv und berückend seinen ureigens erfundenen Gothgitarrenstil vor. Ersterer bleibt zart gezupft, letzterer haut einem das Goth-Brett um die Ohren, wie es Cure und Co. nur zu "Cold"-Zeiten vermochten.
Die Coverversionen überzeugen ebenfalls überwiegend. Das nach gefühlten 1000 Bono-Vergleichen selbstironische "With Or Without You" ist ein humoriges Augenzwinkern. "A Night Like This" von Kollege Robert Smith gefällt so manchem eventuell sogar besser als das Original. Die furchtbar blutarme Version des Jazzballaden-Klassikers "My Funny Valentine" jedoch ließe Chet Baker und Miles Davis nicht gerade vor Freude im Grab rotieren.
Den eigentlich uncoverbaren Bowie bekommt Hussey bei "Ashes to Ashes (Live)" dafür - vor allem im inbrünstigen Schlussteil - sehr gut in den Griff. Der offene, aber sehr intime Umgang mit dem Bochumer Publikum tut sein Übriges. Hussey versteht es eben auch seit jeher, den kumpeligen Charmebolzen zu geben.
Die Sonne Südamerikas scheint dem Engländer alles in allem sehr gut zu bekommen. Das Album ist ein Fest für altgediente Fans und interessierte Neueinsteiger. Man darf gespannt sein, wie eine Platte voll neuer Sachen klingen wird.
3 Kommentare
Schöne Rezi. Bin nicht nur Komplettierung wegen drauf und dran zu kaufen. Der olle Wayne...
ich finde es immer noch schade, dass beide ollen streithähne (eldritch/hussey) nicht mal zwischendurch die xat begraben und kräftebündelnd in perfekter ergänzung mal wieder zusammenarbeiten.
wer gemeinsam "first and last and alwys" erfunden hat (für mich quasi das "sgt pepper" album der goth-gweschichte), hätte in gereiftem alter sicherlich eine menge, gemeinsam zu sagen.
...aber das wird nix mehr,klar.
@dirk:
Sehr schön geschrieben - *Lob* an den Verfasser Wer sich mit dem Gedanken trägt, das Album zu kaufen, sollte mal bei www.waynehussey.de vorbeischauen. Da läuft nämlich noch eine Sonderaktion zum Album... Und zusätzlich gibt`s noch ein recht aktuelles Interview mit Wayne.