laut.de-Kritik
Glanz und Elend liegen mitunter nahe beieinander.
Review von Joachim GaugerWenn der Westernhagen gut drauf ist, dann kann er einen so richtig um den Finger wickeln. So auch in "Du bist nicht allein", dem ersten von zwei neuen Songs auf dieser Werkschau. Die tröstenden Sätze, die er hier zu warmen Gitarren- und Bläser-Klängen und schaukelnden Rhythmen nuschelt, kommen hörbar von Herzen und sind doch sehr wortmächtig und stilsicher gewählt.
Da werden Erinnerungen wach. Mit spitzer Zunge und respektlosem Auftreten gegen sich ("Johnny Walker") und andere ("Dicke") ersang sich der Mann einen Ausnahmeplatz in der deutschen Musik-Szene. Diese Songs vom 78er Album "Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz" kennen auch heute noch viele.
"Dicke" fehlt leider in dieser Compilation. Überhaupt ist die "Rock'n'Roll"-Phase Westernhagens hier vielleicht etwas unterrepräsentiert (das gilt bei der Doppel-CD-Ausgabe auch für die Tracks von CD 2). Statt dessen viele Lieder aus der jüngeren Zeit, in der Westernhagen nicht mehr die Bühnensau, sondern lieber den Songwriter gibt. "Lass uns leben" oder "Freiheit" können noch als gelungene Balladen durchgehen, die ja auch auf Konzerten meist fleißig mitgesungen werden. Andere Stücke dagegen strotzen von penetrantem Optimismus, so sehr, dass sie schon fast (seelisch) staatstragend wirken ("Wieder hier", 1998).
Denn wenn der Westernhagen zu gut drauf ist, kann er auch ein wenig auf die Nerven gehen. Wie ganz am Anfang, als seine Texte vor allem eine weinerliche Innerlichkeit ausbreiteten, bewegt er sich in letzter Zeit wieder gern in der Nähe zu Schmalz und Kitsch. "Ich hab' die Tränen nicht gezählt, die ich geweint weil sie mir fehlt", heult er in "Rosanna", dem zweiten neuen Track auf "So Weit". Und wenn der Opener noch ein Mal den Glanz des großen und großmäuligen Entertainers mit dem guten Kern aufleuchten lässt, dann verdeutlicht "Rosanna" das Elend eines Mannes, der seinen Zenit überschritten hat und nicht aufhören kann.
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