laut.de-Kritik
Die Zeit der Experimente ist vorbei.
Review von Hannes HußDie Zeit der Experimente ist vorbei. War "Five" noch voller Stilbrüche und Sounderweiterungen, finden White Lies auf "As I Try Not To Fall Apart" wieder zu dem zurück, was sie einst zu Englands neuesten Post Post (und so weiter) Punk-Wunderknaben machte. 80s-Einflüsse, Pop-Strukturen, existenzielle Texte, alles hübsch verpackt und konsumfreundlich präsentiert. Ecken oder Kanten sind nirgends zu finden. Stattdessen fliegt "As I Try Not To Fall Apart" die meiste Zeit gefällig an mir vorbei.
Klar, für sich genommen unterscheiden sich die Songs durchaus. "I Don't Wanna Go To Mars" spielt die Stadionrock-Wendung von Biffy Clyro anno 2010 noch mal nach, "Am I Really Going To Die" schielt auf Franz Ferdinand (als die noch das "next big thing" waren, zyklische Hypes und so, ihr wisst, was ich meine). "Step Outside" versucht's beschwingter, "Roll December" gibt hingegen den stampfenden Rocker. Alles schön und gut. Kein Song ist hier ein Ausfall. Aber keiner bleibt wirklich dauerhaft in Erinnerung.
Vielleicht liegt das daran, dass White Lies nie ganz das waren, zu dem sie gemacht wurden. Sie waren nie die neuen The Smiths, Cure oder Joy Division. Mit gefälligen Popmelodien, ausreichend Indie-Credentials und starken Hooks fallen sie eher in die Sparte Two Door Cinema Club. Der Sound ist nichts Weltbewegendes, der Song läuft ganz auf die Hook hinaus. Auf "As I Try Not To Fall Apart" fehlen nur eben die Hooks.
Das Produkt sind dann Songs wie "Roll December", der schon von Beginn an "Epos!!!" schreit. Sieben Minuten. Langes Intro. Repetitiver Bass. Zeilen der Sorte: "All this empty living / Could make a kid wanna cry if he was ever alive". Hier geht es um die menschliche Existenz, unsere Essenz. All das. Aber aufgekratzte Schweinerock-Gitarren, Synthies und co. tragen einen Song nur so weit, wie die Hook es erlaubt. Hat der Song aber nicht. Hier bleibt am Ende nichts kleben. Auch nicht das Hardcore-inspirierte Finale. Nichts berührt, nichts bleibt. Am Ende ist "Roll December" ein Song voller Ansätze, der sich selbst ins Knie schießt.
"I Don't Want To Go To Mars" hat zumindest schon mal eine gute Hook. Ob das wirklich an der Killers-artigen Melodie liegt, oder doch an der sehr guten Zeile "I don't wanna go to mars / what kind of brainwashed idiot does", lässt sich nicht vollständig entscheiden. Zumindest bleibt hier etwas hängen. Auch wenn die Drums etwas zu sehr auf große Arenen schielen, die Background-Chöre kein Gefühl von Epos, sondern Kitsch vermitteln, kommt hier viel Gutes zusammen.
Der Opener "Am I Really Going To Die" hingegen? Die schon erwähnten Franz Ferdinand-Gitarren sind nett. Das Sci Fi-inspirierte Into hingegen klingt etwas generisch. Auch der Refrain mäandert etwas vor sich hin, erinnert auch ein bisschen zu sehr an einen Two Door Cinema Club-Song.
Besser klingt das im Titeltrack "As I Try Not To Fall Apart". Hier treffen Elemente aufeinander, die auch wirklich zueinander gehören. Etwas elektronische Kälte in den Synthesizern. Die graduelle Steigerung des Tempos in Richtung Refrain. Die gelungenen Lyrics über die eigene Existenz. Der prägnante Refrain. So sollte ein White Lies-Song immer klingen.
Oder, so wie der Closer. Der merkwürdigerweise nach einem Song namens "The End" kommt. Geschenkt. "There Is No Cure For It" sollte die Blaupause für ein ganzes White Lies-Album sein. Das drängelnde des Post Punks. Die atmosphärische Dichte, die Harry McVeighs Erzählung über moderne Einsamkeit, Statusgedanken und Nachleben daraus erhalten. Aber über allem thront der Break nach zweieinhalb Minuten. Für eine glorreiche Sekunde ist da nur Stille, bis alle Dämme brechen.
White Lies finden endlich einen Weg, den Song noch größer strahlen zu lassen, als die Summe seiner Einzelteile. Alle Regler werden aufgedreht, während McVeigh verzweifelt den Tod seines Protagonisten beklagt: "There is noch cure for it". Alles, was diesem Album inne liegt, findet hier seine Auflösung. Erst hier kommt "As I Try Not To Fall Apart" zu sich selbst. Zu spät, um all seine Probleme vergessen zu machen. Aber immerhin gut genug, einen Weg in die Zukunft zu zeigen.
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