laut.de-Kritik
Sogar Casio-Allergiker schnippen mit den Fingern.
Review von Kai ButterweckSo lange dabei derart reichhaltige Indiepop-Juwelen entstehen, dürfen sich die Wild Beasts ruhig öfter eine Live-Pause unter Palmen und einige ungezwungene Wochen im Studio gönnen. Die vertrackte Schluchz-Hymne "Wanderlust" leitet das Album ein. Das Falsett-Drama "Mecca" wirkt kaum minder verschroben. Das schlürfende "Daughters" spannt im Stile eines musikalischen Stilllebens gekonnt den Bogen zwischen atmosphärisch balladesken Depeche Mode-Erinnerungen und neuzeitlichen Synthie-Schüben aus dem Hause Metronomy.
Die vier Briten hüllen auf wundersame Weise hochgradig klinischen 80s-Wave-Pop in ein organisches Ganzes, so dass am Ende sogar gepeinigte Casio-Allergiker begeistert mit den Fingern schnippen.
Wahlweise aufwühlend, fast schon hypnotisierend oder impulsiv und hibbelig hinterlässt der Kendal-Vierer seine sphärischen Duftmarken in verrauchten Piano-Bars ("Pregnant Pause", "New Life"), auf der Tanzfläche unter glitzernden Discokugeln ("A Simple Beautiful Truth") oder inmitten tropischer Landschaften ("Nature Boy"):
"Wir haben Ewigkeiten damit verbracht, individuelle Abschnitte zu programmieren und zusammenzusetzen, wobei wir vor allem das Gefühl hatten, dass jeder in der Band alles machen konnte, ohne an eine bestimmte Rolle gebunden zu sein", erklärt Schlagzeuger Chris Talbot. Das Ergebnis ist beeindruckend.
Stets bemüht, sich immer dann für eine disharmonische Abzweigung zu entscheiden, wenn sich Melodien zu offensichtlich in Richtung Mainstream bewegen, pendeln die Wild Beasts zwischen Greifbarem und Haltlosem hin und her ohne dabei die Kontrolle zu verlieren.
Gespickt mit zahllosen Dynamik-Spielereien am Mikrofon, bei denen sich die beiden Sänger Hayden Thorpe und Tom Fleming die Falsett- wie auch die Bariton-Krone auf den Kopf setzen, flirren die Songs des Albums von einer synthetischen Ebene zur nächsten und münden schließlich in der alles zusammenfassenden Fragment-Odyssee namens "Palace".
Hier pferchen sie noch einmal alles zusammen, das sich in den vierzig Minuten zuvor an detailverliebt Arrangiertem angesammelt hat. So verabschiedet sich das Album auf die vollkommenste Art und Weise, bevor der Finger Richtung Repeat-Taste wandert und der ganze Dreampop-Spaß von vorne beginnt.
1 Kommentar
Ganz ganz heißes Teil! Beste Dreampop-Scheibe seit 'nem guten halben Jahr, wenn man mich fragt.