laut.de-Kritik

Ob Schlager oder Rock: Er verrät beide.

Review von

"Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen die Toten auf die Erde zurück" heißt es in Romeros "Dawn Of The Dead". Nach den ewig untoten Scorpions löst mit Wolfgang Petry nun der nächste Showbiz-Zombie sein Ticket back from Hell. Das erste reguläre Studioalbum in zehn Jahren trägt den unfreiwillig ironischen Titel "Brandneu". Es klingt so altbacken und luftleer wie vermutet.

Schon beim letzten Pausenfüller des Grauens ("Einmal Noch!", 2014) fragte man sich, ob Petry tatsächlich so vor Publikumsverachtung strotzt oder jeglicher Kontrolle über den eigenen Katalog verlor. Die neue Scheibe klingt anders, aber nicht weniger schlimm. Alles auf "Brandneu" erinnert an frühere Tage, nur deutlich weniger inspiriert.

Noch immer tritt sein Schlager dem Rock so hart ins Gemächt, dass dieses sich die gesamte Platte über nicht mehr davon erholt. Die Methode hat Petry in den vergangenen 20 Jahren ohnehin perfektioniert.

Das nicht gerade brandneue Rezept: Schreibe diätische Songs der Marke AOR-Zero, füge die Stadiongeste des Entertainers hinzu und lösche das Ganze mit ausladender Deutschrockpose voller Gassenhauer-Rhetorik ab. Hier steht er Westernhagen, Pur oder Maffay im Guten ("Altes Eisen", "Sich In Den Arm Zu Nehmen") wie im Bösen ("Brandneu") in nichts nach.

Die Texte geben wieder das große Ich-bin-einer-von-euch-Getue. Dazu leert man dann immer gemeinsam irgendein Glas, und der Tag ist sowieso ganz besonders und total super. Das permanente Hochgejazze derselben Nichtigkeiten wirkt mittlerweile nur noch ermüdend. Denn das hat er alles schon mal besser gemacht. Lieder wie "Ich Heb Das Glas" etwa haben weder die Hook noch den Drive alter Klopper aus "Hölle-Hölle-Hölle"-Zeiten. Stattdessen gibt es audiophobe Backförmchenroutine für ganz Unbedarfte und komplett Alkoholisierte. Darauf hat die Welt ja wirklich gewartet.

Clever ist Petrys Inszenierung allemal. Mit einem melodisch gelungenen Track wie "Epoche" klopft er sich als aus der Zeit gefallene Ikone auf die eigene Schulter. Nebenbei sammelt er damit Nostalgiker und Modernisierungsverlierer ein, bis die Feuerzeuge glühen und alle in Trance ums goldene Petry-Kalb tanzen. "Alles kommt mir so wie gestern vor!" Geht es noch unattraktiver?

Ja klar! Spätestens wenn 'Wolle' nicht Neugier sondern Oberflächlichkeit bräsiger Pauschaltouristen aus Teutonia feiert ("Ich hab die tollsten Wasserfälle gesehen. Ich hab mir Phillysteak bestellt. Das Fleisch war nicht ok. Es war der Inbegriff von zäh!"), nur um schlussendlich ebenso vorhersehbar das heimische Balkonien zu preisen, wird es unangenehm. Alles bleibt 90er-Jahre, alle bleiben leberwurstige Spaßgeneration und Petry gibt den Pepitahut tragenden Vordenker anachronistischen Erste-Welt-Geleiers. Ein Hoch auf den begrenzten Tellerrand!

Doch weit schlimmer ist die unerquickliche Konsequenz, mit der Petry seine kompositorisch nicht üblen Rock-Songs zerschmilzt, bis nur noch breiige Spurenelemente übrig bleiben. Jede Hook, jeder Anschlag, jede Trommel: Allem amputiert er die instrumentale Seele, bis von potentiellem Dynamit nur noch nasses Schießpulver übrig bleibt.

Diese vollkommen überflüssige Zähmung seiner Lieder stiehlt der Produktion - und nahezu jedem theoretisch gut erdachten Arrangement - in den schnellen Momenten ihren Wumms und in den zarten Momenten jegliches Gefühl. Übrig bleibt ein traurig fader Matsch, der nicht mehr reiner Schlager sein mag, doch ebenso jenen Rock kastriert, den Petry stets bauchladenhaft vor sich herträgt.

So verrät Wolfgang Petry beide Stile gleichermaßen. Am Ende ist "Brandneu" musikalisch weder Fisch noch Fleisch und dazu so unfruchtbar wie ein Maultier. Als einzige Ausnahme in diesem klanglich frustrierenden Reigen präsentiert sich die Schlussnummer "Mio Padre". Das Lied kommt vergleichsweise organisch aus den Boxen und gibt den Instrumenten deutlich mehr Raum.

In solchen Augenblicken umweht den Hörer eine leise Ahnung davon, was Petry für ein toller Musiker vielleicht sein könnte. Doch diese Erkenntnis macht "Brandneu" nur umso trauriger.

Trackliste

  1. 1. Gesungenes Vorwort
  2. 2. Brandneu
  3. 3. Kein Ort Der Welt
  4. 4. Mission
  5. 5. Spielerfrau
  6. 6. Epoche
  7. 7. Ich Heb Das Glas
  8. 8. Sich In Den Arm Zu Nehmen
  9. 9. Altes Eisen
  10. 10. Fall Mir In Den Rücken
  11. 11. Düdedip
  12. 12. Abenteuer
  13. 13. Spielt Mich, Wenn Ich Tot Bin
  14. 14. Richtig
  15. 15. Mio Padre

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7 Kommentare mit 14 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Einige sehr witzige Sätze in der Rezension, die keine Lust auf das Album macht. Und das ist ein Kompliment!

  • Vor 9 Jahren

    Irgendwie klingt der "neue" Petry wie 'ne Mischung aus dem Mittelmäßigsten von Bap und Grönemeyer (angereichert mit ein paar fäkalsprachlichen Elementen).

  • Vor 8 Jahren

    Ich kenne Petry nicht, doch ist das keine sachliche , unvoreingenommen Rezension. Schade, laut ist nicht mehr das was es einmal war: kompetent, sachlich und unvoreingenommen. Der Rezensent findet das bestätigt, das er ohnehin erwartet hat. Schreibt viel, ohne dass der Leser tatsächlich ein differenziertes Bild bekommt und scheut sich auch nicht beleidigend zu sein.