laut.de-Kritik

Mit Onkel Rudy ab in die Klapse? Gern!

Review von

Nachdem Josef Ratzinger zur aktuellen Osteransprache bereits Geschichte ist, kann man sich wenigstens auf Rudys karfreitägliche Elektromesse verlassen. Eine zuverlässige Familie! Mit Onkel Rudy ab in die Klapse? Gern! "Madman Szpital" heißt der morbide Ort des Geschehens. Ein gutes, aber für Wumpscut-Verhältnisse nicht überragendes Genrewerk.

"Der liebe Gott sieht alles!" verkündet ein mental leicht derangiert klingender Martin Semmelrogge vom "Boot" aus zum Einstieg in die Scheibe. Preisverdächtiges Intro! Das Lied selbst: ein abgehangener Midtempofeger der typischen Sorte. Überhaupt ist vieles in mittlerer Geschwindigkeit gehalten.

Produktion und Komposition hauen mich nach dem grandiosen letzten Album nicht ganz so vom Stuhl. Der musikalisch essentielle Anteil geschickt eingestreuter weiblicher Vocals fehlt leider völlig. Vielen Melodien geht das hypnotisch zwingende Element, der Kontrapunkt ab. Und ein wirklich herausstechender Klopper findet sich nirgends.

Das Coverartwork bewegt sich einmal mehr zwischen vordergründigem Schockmoment und hintergründigem Sarkasmus. Mal wieder nichts für zart besaitete. Dafür klares Highlight in einer seit Jahren mutlos vor sich hin vegetierenden deutschen Coverartkultur.

Ratzingers eingestreute Filmsamples sind dagegen einmal mehr von blinder Treffsicherheit. Wie er Dialogfetzen als Rahmen der Tracks installiert, ist stets originell und soundästhetisch eingebettet.

"The Duke Of Death" erinnert diesbezüglich an Richard Harris' gleichnamige Rolle in Clint Eastwoods "Erbarmungslos". Trotz dieser schönen Idee steht das Lied leider exemplarisch für die Mittelpracht der CD. Der distinguierte Duke entpuppt sich im Filmverlauf als entenlahmer Feigling, den man zum "Duck Of Death" degradiert. Ebenso hat man das laue Liedchen nach dem Hören schnell wieder vergessen. Auch Allerweltsstücke wie "Ich Bin der Tod" lassen eher Augenbraue als Mundwinkel nach oben schnellen.

Gleichwohl birgt :W:s Irrenhausplatte in der zweiten Reihe viele Ideen. Statt "Angst Essen Leben Auf" heißt es hier selbstverständlich "Tod Essen Leben Auf". Das Titelstück spielt gekonnt ein Arrangement aus, das man für Elektroindustrial-Verhältnisse schon fast als Barroomjazz bezeichnen kann.

Fast am Ende des Zyklus kommt dann noch eine gelungene Ratzingerprovokation. "Aber natürlich ist er nicht in Ordnung. Er ist ein Neger." "Du Neger" ist ein ebenso simpler wie effizienter Track. Schon jetzt darf man gespannt sein, wann der Song medial erstmals als rassenhygienischer Nazischmand missverstanden bzw verleumdet wird. Lang dauert es bekanntlich nie.

So gelingt Rudy mit angezogener Handbremse eine Wumpscutrille, die weder enttäuscht noch euphorisiert. Zum nächsten Ostern dürfen es dann gern wieder etwas dickere Eier sein.

Trackliste

  1. 1. Der liebe Gott sieht alles
  2. 2. Tod Essen Leben auf
  3. 3. Madman Szpital
  4. 4. The Duke of Death
  5. 5. We Are Immortal
  6. 6. Ich bin der Tod
  7. 7. Gabi Grausam
  8. 8. Moshe Tokoloshe
  9. 9. Du Neger
  10. 10. Vegan Witch

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