laut.de-Kritik

Das grenzt nicht mehr an Frechheit, es definiert sie.

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In Zeiten, in denen Rechtsaußenpolitiker ihrer Klientel Songs von Xavier Naidoo als "phantastische Kombination aus herrlicher Musik und so kraftvoller wie wichtiger Botschaft" anpreisen, lässt ein neues Album vom prominentesten Sohn Mannheims Schlimmes befürchten: frisches Futter für Reichsbürger, Fundamentalchristen und Autonarren, nämlich. Spoiler: Ganz so schlimm wirds nicht. Zugleich aber auch viel schlimmer.

Fangen wir mit den erfreulichen Punkten an, das geht auch schnell, versprochen: Die musikalische Ausgestaltung bleibt ohne Fehl und Tadel. Kein Wunder: Die Produktionen gehen sämtlich auf das Konto der Jugglerz. Die wiederum haben schon wiederholt gezeigt, dass sie die unterschiedlichsten Künstler stimmig beliefern können, problemlos auch Xavier Naidoo. Besonders experimentellen Stoff dürfte bei ihm niemand erwarten, alle Anforderungen an glatten Soul-Pop erfüllt das eigentlich aus Dancehall- und Hip Hop-Kontexten stammende Produzententeam mit Bravour.

Die Jugglerz beweisen: Sie können dezenten, trotzdem prägnanten Bass. Sie können trendiges Hi-Hat-Gerappele (wenn auch hier sehr sparsam eingesetzt). Sie können Melodien und Harmonien. Ob klimpernder Popschlager ("Gute Zeiten"), Synthiesound ("Aufgeregt"), Akustikgitarrennummer ("Diese Eine") oder Dramadrama-Pianoballade ("Mein Glück Ist Besiegelt"): "Hin Und Weg" klingt von den ersten, leise an Bill Withers' "Just The Two Of Us" gemahnenden Akkorden bis zum Ende satt, rund und stimmig.

Halt, stop. Es klänge so, wenn ... ja ... wenn Gesang und Texte nicht wären. Die machen "Hier Und Weg" trotz des soliden musikalischen Fundaments schier unhörbar, und das, obwohl Naidoo sich fragwürdigen verschwörungstheoretischen Mist verkneift, seinen Autofetisch in der Garage lässt und auch das religiöse Mäntelchen diesmal nur zwei-, dreimal in den lauen Wind hängt. Der Fokus liegt auf Liebeslyrik. Wobei sehr schwer fällt, das Gebotene mit dem Prädikat "Lyrik" zu versehen. Armseligere Texte sind mir tatsächlich lange nicht mehr begegnet (und wer weiß, womit ich mein Geld verdiene, ahnt, was das bedeutet).

Was Xavier Naidoo hier abliefert, grenzt nicht mehr an Frechheit, es definiert sie. "Du bist diese eine, diese eine wie keine, von allen Frauen auf der Welt bist dus, die mir am besten gefällt." Wer solcherlei für eine kreative, charmante Liebeserklärung hält, glaubt vermutlich auch, dass eine Feststellung wie "Es gibt Menschen, die nur vorüberziehen, es gibt Menschen, die lange bei dir sind" voller bahnbrechendem Erkenntnisgewinn steckt.

"Eins kann ich dir empfehlen: den Weg zu dir selber zu wählen." Danke, oh großer Xavier, komm und gib mir mehr Ratschläge! Als schwaches Weib lechze ich natürlich ganz besonders nach der Schulter zum Anlehnen, nach Halt und einem, der mir endlich zeigt, wo es langgeht. Das wollen doch alle Frauen, nicht wahr? "... und ich greife an wie ein Leopard, bin genau der Mann, den du brauchen kannst". Jesses.

"Ein starker Mann hat ein' Tatendrang", klar, ne? Sehr im Gegensatz zu den überall angeschmachteten Frauen, die außer "Anmut" aber bitteschön nicht mehr zu bieten haben sollen als Äußerlichkeiten. "Deine Augen, dein Lächeln, dein Gesicht", rühmt Naidoo "Diese Eine", an anderer Stelle preist er immerhin zusätzlich Haare und Lippen. Zur Belohnung für ausreichenden dekorativen Liebreiz setzt es die abgegriffene Metapher "meine Rose im Garten" und die Aussicht: "Ich teile mein Geld mit dir." Romantisch as fuck, "so werden Babys gemacht."

"Was soll ich sagen? Für mich gemacht", stellt Naidoo gleich darauf die Besitzverhältnisse klar. "Die Krone seiner Schöpfung hat der Schöpfer mir zugedacht. Ich sag': Gut gemacht." Von einem, der fertig bringt, sogar seinem Gott gegenüber gönnerhaft und herablassend aufzutreten, braucht man Respekt vor seinen Mitmenschen, insbesondere den niederenlichen weiblichen, wohl nicht zu erwarten.

"Dein zartes Wesen hat mich wiederbelebt." Oho, um innere Werte geht es also auch, sofern sie dem Mann im Haus nützen: Um den dreht es sich nämlich bei aller vorgetäuschten Wertschätzung immer und ausschließlich. "Du bist eine selbständige, vielbeschäftigte Frau", jodelt Naidoo in "Keine Meile". "Ich kann es sehen, wenn ich in deinen Planer schau." Erste Frage, die sich da stellt: Was hat er seine Nase in fremde Terminkalender zu stecken? Geht ihn doch einen Scheißdreck an! Die zweite: Wieso sollte eine selbständige, vielbeschäftigte Frau auf die Aufforderung "Setz' dich auf die Schultern eines Riesen, denn wir sollten unser Leben wie einen Höhepunkt genießen" und die Verheißung "Ich nehm' dich mit" warten? Kann so eine Frau nicht alleine gehen?

Ich, ich, ich. Wenn er nicht gerade Horoskopweisheiten verbreitet ("Starte das Feuer in deinem Leben, damit du dich immer wärmen kannst", "Dein Leben ist dein Weg und manchmal kein Spaziergang"), kreiselt Xavier ausschließlich um die eigene Achse. "ICH halte deine Hand, ICH habe den Schatz gehoben", "ICH nehm' dich mit", "ICH bin aufgeregt", und, besonders schön, deswegen in voller Länge zitiert: "Ängste sind nur für das eine gut, sie verleihen mir den nötigen Mut, in mir fließt kein Tropfen feiges Blut, ICH WERDE SIEGEN." Jesusmaria!

Gäste gibts auch, allerdings fallen in Naidoos egozentrischem Einheitsbrei weder MoIchfeaturejedenundseinemutterTrip noch Chefket noch Kontra K besonders auf. Allenfalls der italienischsprachige Part des Mannheimer Newcomer-Rappers Klotz in "Anmut" bricht etwas mit dem schlageresken Soul-Pop-Schema ohne jede Reibungsfläche. Das Gesamtbild bleibt dennoch sterbenslangweilig.

Von der ersten Nummer an haben die Texte einen wirklich unangenehmen Beigeschmack. In "Alle Meine Sinne" versucht Naidoo vermutlich, eine zerbrechende Beziehung zu beschreiben, zwei Menschen, die sich auseinander entwickelt haben und voneinander wegdriften. Tatsächlich igelt er sich in der Opferrolle ein und wälzt alle Verantwortung auf sein Gegenüber ab. ER strebt weg, wenn SIE bleiben will, trägt SIE automatisch die Schuld daran, wenn sie ihn verliert. Scheint mir, am Rande bemerkt, kein allzu großer Verlust zu sein.

Naidoo singt, wie gesagt, nahezu ausschließlich über sich, huldigt darüber hinaus einer "Königin", die sich - sehr originell - als die Mutter herausstellt, die wiederum IHN "unter Schmerzen geboren, von Herzen gestillt" hat. Uäch. "Ich Packe Meine Sachen" reitet das diffuse Fernweh-Gefühl, das deutschen Schlager seit jeher speist. "Licht Und Farbe" und "Mein Glück Ist Besiegelt" liefern dann noch den üblichen Schuss Kirchentagsflavour. Jesusmariaundjosef und Amen!

Warum Xavier Naidoo seit jeher als so überkrass talentierter Soulsänger gefeiert wird, hab' ich noch nie verstanden, daran ändert auch "Hin Und Weg" nichts. Klar trifft er die Töne. Ob er sie halten kann: Wer weiß? Er lässt sie ja immer ohne jeden Nachhall abbrechen und versteckt sich ansonsten hinter Vokaljodelei. Über die wirklich sackdämlichen, teils befremdlichen Texte hätte allerdings auch ein Charles Bradley nicht hinweggetröstet.

Trackliste

  1. 1. Alle Meine Sinne
  2. 2. Anmut mit Klotz
  3. 3. Aufgeregt
  4. 4. Blut, Schweiß Und Tränen
  5. 5. Diese Eine
  6. 6. Eine Nacht
  7. 7. Gute Zeiten mit MoTrip
  8. 8. Ich Danke Allen Menschen
  9. 9. Ich Packe Meine Sachen
  10. 10. Keine Meile
  11. 11. Königin mit Chefket
  12. 12. Licht Und Farbe
  13. 13. Mein Glück Ist Besiegelt
  14. 14. Welt mit Kontra K

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28 Kommentare mit 124 Antworten

  • Vor 4 Jahren

    Ich bin kein Naidoo Fan aber diese Rezession ist von Anfang bis Ende eine Frechheit. Die Autorin scheint persönlich ein Problem mit dem Künstler zu haben und lässt jegliche Objektivität vermissen. Die Bewertung geht unter die Gürtellinie und grenzt an Rufschädigung. Sorry laut.de aber gibt es bei euch keine Qualitätskontrolle? Ich wünsche mir in Zukunft mehr Sachlichkeit.

  • Vor 4 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 4 Jahren

    Da macht die ReviewschreiberIn Fr. Fromm ihren Zunamen wohl alle Ehre, haha. Sry, soviel MISS-GUNST und Neid in einem Text preiszugeben, wie entsteht so eine Sichtweise? Eine reale Offenbarung eines merkwürdigen Standpunktes aus ihrem Charakter zeigt's hiermit.
    Manche lassen sich halt durch Kunst so provozieren, wo dann eine peinliche Seite ans Tageslicht strahlt.
    ***
    Yeah auf "Gute Zeiten"
    Danke @xaviernaidoo für Deine lebendige Musikgeschichte...

    • Vor 4 Jahren

      @SO...
      Nun ja, und manche lassen sich sogar schon durch eine Rezension so provozieren, daß sie eine peinliche Seite zur Schau stellen.
      - Gegenargumente? Keine.
      - Höflichkeit? Keine.
      - Inhalt des Postings? Mimimi.
      Gruß
      Skywise

    • Vor 4 Jahren

      Hallo @Skywise,
      danke erstmal für Deine Reaktion.

      Ich empfinde es halt als ganz abwertend was dort von Fr. Fromm geschrieben wurde. Um ehrlich zu sein ist das weitere Ruf-Schädigung des Künstlers.
      Die Songtexte sind dort auseinander gepflückt und einzelne Passagen aus Vermutungen, aus Unwissenheit beschrieben.
      Warum soll ich's denn weiter erklären mit Gegenargumente, die Meinung von ihr steht doch fest und wird wohl unverändert bleiben.
      Von daher belassen wir es dabei, meinerseits,
      auch was Du meinst, wie ich bin.
      Cu und
      mit freundlichen Grüßen
      Sonja

    • Vor 4 Jahren

      @SO...:
      Nur, um mal das Prinzip zu erklären:
      Ein Rezensent faßt in Worte, wie er von ein Album einschätzt. Wenn Songtexte dort auseinandergepflückt werden, dann macht das der Rezensent nach seinem aktuellen Kenntnisstand, genauso wie jeder Musikkonsument das zunächst mal nach seinem Wissensstand macht, genauso wie Xavier Naidoo auch im Laufe seiner Interviewaktivitäten einiges an unausgegorener Scheiße aus Vermutungen und aus Unwissenheit ans Tageslicht gefördert hat. Falls Du etwas zur Beseitigung von Vermutungen und Unwissenheit beizutragen hast, bitte sehr, bitte gern.
      Es ist keine Rufschädigung eines Künstlers, wenn jemand seine Meinung zu einer Veröffentlichung des Künstlers kundtut. Jeder Künstler stellt sich der Meinung eines Publikums, das gehört zu seiner Stellenbeschreibung. Wenn er glaubt, seine Person oder seine Kunst würde allen gefallen, wird er mit der Realität seine Probleme haben. Und solange es nicht persönlich wird, hat jede Bewertung seines Werkes ebenso ihre Daseinsberechtigung wie das Werk selbst.
      Wenn die Meinung des Rezensenten feststeht - super. Hier gibt's die Kommentarmöglichkeit aber nicht, um den Rezensenten zu verbessern oder zu beschimpfen, sondern um eine eigene Meinung zu dem Werk oder zu dem Künstler abzugeben, damit Leute, die sich die Rezension durchgelesen haben, vielleicht auch mit einer gegenteiligen Ansicht oder mit einer Bestätigung konfrontiert sehen. Man muß ja immer davon ausgehen, daß die Rezensenten nicht Angehörige der Ich-will-ein-Kind-von-dir-Fangemeinde des Künstlers sind, den sie bewerten, sondern vor allem Musikkonsumenten, die für andere Musikkonsumenten oder solche, die es werden wollen, Kritiken zu jüngst hoffentlich konsumierten Veröffentlichungen (oder Konzerten) schreiben. Und genau diese "Empfänger" der Rezension sind es im Regelfall auch, die sich hier in den Kommentaren die gegenseitige Begeisterung ob der Veröffentlichung verbal um die Ohren dreschen. Für die meisten Rezensenten ist doch die Geschichte ohnehin schon maximal eine Woche nach Abgabe der Rezension wieder erledigt, weil sich bis dahin schon wieder eine Reihe weiterer Veröffentlichungen im jeweiligen Gehörgang bzw. bereits in der Feder befinden.
      Gruß
      Skywise