laut.de-Kritik
Soundtrack zum Bibelnachmittag.
Review von Jeremias Heppeler"Ich kann es sehen, so plastisch / es geschieht wie prophezeit / und wenn er alle Tränen abwischt / wird der Tod nicht mehr sein." Es gibt Lieder, da reichen die ersten beiden Zeilen, und man möchte am liebsten abbrechen und nicht mehr weiter hören. Der Musik abschwören. Also, auch allgemein. Auswandern.
"Renaissance Der Liebe" ist zweifelsohne so ein Fall. Eigentlich hätte auch der bloße Songtitel gereicht. Aber wir sind schon drin, hypnotisiert von einer marternden Pianospur und einem Xavier Naidoo, der darauf mit vollem Einsatz herumdrischt wie ein Holzhacker. Als Axt dienen ihm die schwingenden Stimmbänder, die mühelos das Trommelfell spalten.
Das geschundene Format "MTV Unplugged" wabert dieser Tage wie undurchsichtiger Nebel durch unser Portal. Einerseits, weil Westernhagen ein überzeugendes und würdiges Konzert ohne Strom lieferte, andererseits weil das Video zur Unplugged-Version von "Hulapalu" von Andreas Gabalier und den 257ers alle Halloween-Horrorfantasien in den Schatten stellte. Puh, da hat uns ein Xavier Naidoo-Live-Album gerade noch gefehlt, auch wen die Marke "Unplugged" aufgrund fehlender Offizialität hier nur als unscheinbarer Aufkleber bemüht wird.
Naidoo, das sollte jedem klar sein, erscheint der eigenwillig sozialen Medien- und Onlinewelt nicht erst seit dem Eurovisions-Debakel als Persona non grata (nicht im Mainstream, der liebt den Camper fahrenden Mannheimer immer noch). De facto ist es beinahe unmöglich, eine Review ohne zig Aluhut-Witzchen zu präsentieren. Hierüber gerät gerne in Vergessenheit, dass Naidoos Musik für vieler Ohren schon unerträglich erschien, als er sich nur als sympathischer Langweiler präsentierte.
Warum auch immer: "Nicht Von Dieser Welt 2 – Allein Mit Flügel Live" verströmt übel riechenden Schwefelgeruch, der dir schon im Vorfeld in die Nase kriecht. Der Gestank wird recht schnell noch penetranter, lässt sich doch nach kurzer Recherche im Pressetext feststellen, dass dieses "Allein Mit Flügel"-Experiment bereits der im April erschienenen "Nicht Von Dieser Welt 2"-Deluxe Edition beilag, die Kollegin Fromm im Detail auseinander pflückte.
Die Wiederveröffentlichung unter dem zarten Deckmantel als Neuerscheinung kann hier eigentlich nur zwei Gründe haben: Kohle und Parra. Das kaufkräftige Winterpublikum soll zum Nachschlag gebeten werden, parallel dazu rühren die Verantwortlichen auch noch die Werbetrommel, natürlich per Sticker: "MEHR DAVON AUF DER NICHT VON DIESER WELT-TOUR 2016."
Ja, mir ist bewusst, dass ein Großteil der aberwitzigen Arenen bereits ausverkauft und die CD für 'nen knappen Zehner zu haben ist. Das ganze Projekt stinkt trotzdem vom Kopf her, da hilft auch nicht das hinterlegte Bibelzitat: "Das ist die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt: Wir sollen einander lieben." Nicht mehr.
Ihr merkt schon, dass ich mich hier um die eigentliche Musik herum schlängle. Das liegt aber auch daran, dass dieses in Gold präsentierte Werk wenig bis gar nichts Neues offenbart. Zieht man die bereits auf dem Album aufgeschäumte Version von "Amazing Grace" ab, bleiben neun Songs, allesamt aufgezeichnet im Rittersaal des Mannheimer Schlosses. Naidoo lässt sich hierbei von Neil Palmer begleiten, der seine Sache durchweg sehr gut macht, und von Moses Pelham, der auf "Kopf" ein Gastspiel gibt. Warum Pelham, der für einen Großteil der Schreibarbeit verantwortlich zeichnet, nicht wie auf dem Album auch bei "Das Prinzip" mitmischt, bleibt ungeklärt.
"Kopf" markiert einen der wenigen wirklichen Höhepunkte der Platte: Das Piano klimpert springend vor sich, Naidoo stellt stilsicher unter Beweis, dass er immer noch ein technisch herausragender Sänger ist. Selbst der Text wirkt in Kombination mit der ungewöhnlichen Komposition irgendwie angenehm und abseits der Norm. Einzig Pelhams Rap-Einlage klingt ein wenig angestaubt, trägt aber ihren Teil zu einem interessanten Song bei. Im Gegensatz dazu "Das Prinzip": Ohne Pelhams Reime bleibt nur ein absolut generisches Pianostück.
Auf "Latein", das muss man objektiv festhalten, liefert Naidoo eine beeindruckende Gesangsperformance ab, die sich vor nichts und niemanden verstecken muss. Beim Rohrkrepierer "Der Fels" gibt es für den Zuhörer aber nur eine positive Meldung: Glücklicherweise hat der Mannheimer Barde darauf verzichtet, den Song wie bei der Echoverleihung gemeinsam mit einer den Tränen nahen Andrea Berg als Duett darzureichen. Danke dafür.
Auch das abschließende "Wiedersehen" funktioniert bestenfalls als Einschlaf- oder Einschläferungsmittel: "Aber uns gehört die Ewigkeit und ich weiß, wir sehen uns wieder." Langeweile ist an dieser Stelle gar kein Ausdruck mehr, das Album tönt aufgrund der spärlichen Abwechslung wie der Soundtrack für den Bibelnachmittag der ortseigenen Ministrantengruppe.
Die live eingespielte Piano-Aufarbeitung der Platte ist definitiv gelungen. Vor allem Neil Palmer haucht den Kompositionen neues Leben ein, das Naidoos Stimme in jedem Fall eindrucksvoll nutzt. Das wiegt allerdings nicht auf, dass diese Versionen hier ausschließlich recycelt wurden und in Inhalt und Aufbau mit fragwürdigen Botschaften wedeln.
Welche Berechnung im Umgang mit dem eigenen Publikum! Man hätte es doch so einfach bei der Deluxe-Version belassen können. Wenn es schon unbedingt ein "Nicht Von Dieser Welt" sein muss: Holt euch das ordentlich produzierte und mehrschichtige Orginalalbum oder gleich den 1998 erschienenen Vorgänger.
10 Kommentare mit 14 Antworten
@zweiter Absatz: Äxte, die sich irgendwo durchsägen? Sind die grauenhaften Texte oder Chemtrails für die krumme Metapher verantwortlich?
Mentale Freiheit! Das ist das Prinzip, der Fels in unruhiger See. Doch mein Kopf ist nicht frei.
Xavier happened. Oh Mamma Moses. Amazing Grace am Arsch. Renaissance der Liebe allein mit Flügel? Happy Halloween.
Nach diesem Album ist so mancher mit dem Latein am Ende. Doch: Das lass ich nicht zu! Ich Will Leben!
Wiedersehen Xaver, mit der Scheibe kann ich von innen den Mülleimer aufpimpen.
einfach unglaublich, wie verdiente systemkritiker hier abgewatscht werden
+1
hihihi.
Sehr gut!
Eins noch Achtung kein Xavier Naidoo Fan darf diese Platte bewerten der auch Moses Pelham mag. Moses Pelham mag die Onkelz also dürfen alle Xavier Naidoo Fans, due die Onkelz hassen nicht diese Platte bewerten aber auch Leute die Ben Becker mögen dürfen sich zurückhalten weil dieser letztes Jahr Stadionsprecher bei den Onkelz war und auch mit Moses Pelham Onkelz supported.
Jetzt wird kompliziert also einfach mal die Scheuklappen abnehmen an alle. Ich kann gut Xavier Naidoo, Pelham, Onkelz, Hosen und Die Ärzte hören...
Nicht verzweifeln
Fred
Es ist nicht kompliziert, es ist ganz einfach; Reichbürger Naidoo ist genau so scheiße wie die Onkelz.
Vergiss nicht Peter Mafay für den weidner einen Text schrieb oder michi Beck von den fantas der auch bo Fan ist ausserdem noch Sven väth und noch en paar andere die ich jetzt vergessen habe.... Alle scheisse... Alle nazis
soisseshalt
Ich freue mich sehr das die Onkelz jetzt auch wieder mit dem neuen ALbum zurück sind. Wo sie damals aufgehört haben fand ich es scheisse weil ich sie nicht live sehen konnte weil ich noch zu jung war. Aber in den nächsten Jahren bin ich zur GOND und anderen Deutschrockkonzerten und habe viele Gleichgesinnte kennengelernt durch die Böhsen Onkelz. Wo dann die Nachricht kam das sie wieder anfangen war ich total begeistert und seitdem auch jedesmal beim Hochkenheim was die besten Konzerte sind auf denen ich war. Weil es stimmt schon: Mit dieser Band hast Du nicht viele Freunde,
doch die, die Du hast, teilen Deine Träume
Die, die Du hast, teilen alles mit Dir." Das merkt man auch wenn man die Kommentare hier liest. Es exestiert viel Hass gegen unsere Onkelz und die Fans weil wir uns keine Meinungen vorschreiben lassen und zu der Band stehen. Aber wir scheissen darauf und lachen über euch weil wir wissen was wir an den Onkelz haben und sie an uns. WIr sind alles eine Gemeinschaft und wir bleiben ein Leben lang den BO treu nur das ihr es wisst
Ich geh mal davon aus, dass die Zahl dein Geburtsjahr ist. Daher bin ich ganz schön schockiert, wieviel 5 Jahre Altersunterschied in der Entwicklung ausmachen. Ich hoffe ich war nicht so mit 25.
Mein Böhse-Onkelz-Bullshit-Bingo ist voll...
Wenn ich das höre, beneide ich Beethoven.