laut.de-Kritik
Der Shootingstar schlägt den Mainstream kurz und klein.
Review von Johannes JimenoDer koreanisch-amerikanische Shootingstar des introvertierten Dance veröffentlicht sein Debütalbum nicht gerade subtil, sondern "With A Hammer". Und zwar einem ziemlich gerissenen, wie der verschmitzt lächelnde Smiley auf dem Cover andeutet. Yaeji will Aufmerksamkeit mit bunten Farben in den Videos, ausgefallenen Outfits, neuer Frisur und selbstbewusster Attitüde.
Diese kommt nicht von ungefähr, gilt Yaeji in Fachkreisen doch als Liebling, spielt eine große Nordamerikatour und namhafte Festivals wie das Coachella. Von außen betrachtet stimmt die Brachialgewalt also schon einmal, doch spricht die Musik die gleiche Sprache? In gewisser Weise schon, jedoch nicht in wahlloser Manier: Yaejis Kreativität sprudelt laut und wuchtig, behält aber einen reflektierten, ruhigen Kern.
Beweisstück Nummer eins liefert direkt der Opener "Submerge FM". Anfangs überraschen verschiedene Querflötentöne, bis sich weiche Synth-Vocal-Einschübe hinzugesellen und der Beat unbeirrt stampft. Die Stimme schwebt unaufgeregt im Hintergrund und streckt somit die Hand in Richtung ihrer Vorgängermixtapes aus. Ein ähnlicher Trademark-Song bildet das cool entspannte "For Granted", bei dem gegen Ende jedoch eine wilde Drum'n'Bass-Salve niederregnet.
Dieses ungezügelte Moment demonstriert Yaeji auch in den drei folgenden Etappen. Im elektronischen Fleischwolf "Fever" schmeißt sie harte Drumpattern, verzerrte Gitarren und schlichte Loops ineinander und rappt energisch auf Koreanisch. Der dichte Slowburner "Passed Me By" bietet wiederum sphärische, mit reichlich Bass unterfütterte Strophen, die die restliche Instrumentierung, bestehend aus echtem Schlagzeug, akzentuierten Synths und verzerrten Sequenzen, konterkarieren. Beim Titeltrack herrscht sperriger Elektro mit leichten Einschlägen aus der 90er Techno-Szene vor, der durch Streicher sowie weichen Synth-Teppichen aufgeweicht wird.
Thematisch geht es Yaeji wie so oft um die alltäglichen, profan erscheinenden Dinge, und sie versucht in ihnen Sinn zu finden oder provokante Fragen zu stellen. Zudem rückt sie persönliche Einblicke und ihr neues Erscheinungsbild in den Mittelpunkt, spricht von Freiheit und spielt mit Erwartungen - eine sehr passende Weiterentwicklung.
Das süße Interlude "I'll Remember For Me, I'll Remember For You" beschreibt beispielsweise den befreienden Prozess des Aufschreibens der eigenen Gefühlswelt, wenn eine verträumte Trompete auf tiefe Bässe trifft. Einen weiteren Ohrenschmeichler mimt "Done (Let's Get It)": Ein fein orchestrierter Elektropop, bei dem schöne Melodien und Yaejis unnachahmliche Lässigkeit ineinanderfließen.
Danach betreten vier Featuregäste die Bühne, und man könnte denken, gerade beim ersten richtigen Album muss man groß aufschlagen und namhafte Künstler ins Studio einladen. Glücklicherweise bleibt sich Yaeji auch in dieser Hinsicht treu und wählt weitestgehend unbekannte Musiker aus. K Wata unterstützt den perlend traurigen Hyperpop "Ready Or Not", der Hektik und Ruhe zugleich ausstrahlt. Der perfekte Soundtrack für verregnete Nächte in Seoul. "Michin" mit Enayet aus Bangladesch verhält sich hingegen wie die Kehrseite zum vorherigen Song: Knallharte Bässe, flirrende Hi-Hats, hohe Distortion auf der Stimme. Letztere hört man zudem im einzigen Schwachpunkt des Albums "Away x5", bei dem eine niedliche Tonfolge durch einen blechernen UK Garagebeat wackelt.
Die Abschlusstracks schimmern dunkelblau, bringen Yaejis verletzliche Seite zum Vorschein. "Happy" beherbergt Neo-Soul im verspielten Elektrokleid, zu dem der Vortrag von US-Sänger Nourished By Time ganz hervorragend passt. "1 Thing To Smash" gönnt sich zum zweiten Mal eine Querflöte, flankiert von breitflächigen dunklen Synths sowie Loraine James' famosem Gesang. Das eiskalte "Be Alone In This" versprüht den Esprit einer Björk oder Arca und dient als verträumtes, wehmütiges Outro.
"I'm with the hammer / And I'll break it down / How you like it now? / Do you like it now?" fragt sie die Hörerschaft. Die Antwort heißt ein klares 'Ja'. Unprätentiös und äußerst leger schwingt Kathy Lee den musikalischen Hammer und schlägt den Mainstream kurz und klein. Trotz Massenappeal geht sie im Untergrund auf, verzichtet auf Radiotauglichkeit und strahlt Leidenschaft sowie Experimentierfreudigkeit aus. Ein cleveres, charmantes Debüt ohne Allüren.
1 Kommentar
Cooles Album. Mag das, wenn einige Genres vermischt werden. Als Start in eine Karriere find ich ihren dargebotenen Mix voll ok: https://youtu.be/DCB22RWIWM8