laut.de-Kritik
In Vielfalt vereint.
Review von Manuel BergerAsaf Avidan legte die Messlatte für israelische Künstler Anfang des Jahres beeindruckend hoch. Mit "Older" reicht Yael Naim zwar nicht an diese heran. Etwas hat sie jedoch mit ihrem Landsmann gemeinsam: Ihre Stücke sind musikalisch sehr breit aufgestellt, tragen aber dennoch eine Note in sich, die verhindert, dass das Album aufgrund seiner Vielfalt auseinanderfällt.
Naim (und der sie erneut bei vier Kompositionen begleitende David Donatien) spannen einen roten Faden von beschwingten Gute-Laune-Songs über reduzierten Satzgesang zu folkigen hebräischen Chansons. Sie hat definitiv ihren eigenen Stil. So lässt dann beispielsweise "She Said" trotz anderer Ausrichtung Erinnerungen an "New Soul" aufkommen.
An relaxten Tracks dieser Marke hat "Older" einige im Programm. Doch alle weisen individuelle Elemente auf. Die fordernde Up-Tempo-Nummer "Take Me Down" kommt mit Nintendo-Sounds, "Walk Walk" verfügt über einen leichten Gospel-Touch, "I Walk Until" lebt von einem pulsierenden Arrangement-Gerüst, in "Make A Child" trällert ein Kinderchor.
Zurücklehnen, Abschalten und Entspannen funktioniert prächtig. Die Texte lohnen allerdings auch gehört zu werden. Oft verbirgt sich darin mehr, als die oberflächliche Unbeschwertheit auf den ersten Blick verraten möchte. Dementsprechend gibt es auch die andere Seite der Yael Naim. Es muss nicht immer verspielt, zwitschernd und eingängig sein. Sie kann auch melancholisch verträumt auf Hebräisch und Französisch über einer einsamen Spieluhr singen. Siehe "IMA".
Noch besonderer wird es bei "Coward". Zunächst doppelt Yael nur das Klavier. Den Großteil des Liedes aber macht dann feiner Satzgesang aus, vor dessen Kulisse Naim ihre inneren Ängste besingt. Gegen Ende entfaltet der Titelsong "Older" seine leisen Schwingen zwischen Lykke Li und Christina Perri.
Den Höhepunkt des Albums markiert aber weder neckische Leichtigkeit, noch eine nachdenkliche Ballade. Sondern das mittendrin angesiedelte "Trapped". Die Folk-Elemente sind vorhanden, ein ruhiger Beat zieht sich durch das Stück, Backgroundchor und Bläser sorgen für Harmonie, Streicher fetten die Basis an. Verpackt ist das alles in eine fingerschnippende Tanznummer. Als Taktgeberin verkörpert Yael Naim Eleganz und Verführung, stimmlich brilliert sie. In diesem wiegenden Mid-Tempo geht sie vollends auf.
Eigentlich hat "Older" alles, was es braucht: eigenen Stil, Abwechslung, eine tolle Sängerin. Häufig fehlt aber das mitreißende Quäntchen. "IMA" berührt, "Trapped" ist nahezu perfekt, "Coward" besticht mit Ungewöhnlichkeit. Sie haben es. Die anderen Tracks sind durch die Bank gut, können sich aber leider nicht immer richtig durchsetzen. Und hier liegt der Hauptunterschied zu Asaf Avidan: er besitzt diese Durchschlagskraft – in ruhigen wie in treibenden Momenten.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Wie schön, wird gehört! Mal in der Kölner Kulturkirche (Location!) live gesehen, beeindruckende Dame!
Liest sich eher wie eine 4/5. Werde auf jeden Fall mal reinhören!
Ist es auch fast. Nur ein klein wenig fehlt dazu noch. Leider können nicht alle Songs das Niveau von z.B. "Trapped" halten.
Reinhören lohnt!