laut.de-Kritik

Die grandiose Selbstsabotage der Nordengländer.

Review von

Ein fast lakonisches Gemurmel eröffnet das Album "Where's My Utopia", dazu ein Gospelchor und Hi-Hats-Sound, wie man sie eigentlich aus Funk oder Hip Hop kennt. "An Illusion" passt als Songtitel ganz gut, da der Track mehr an Mike Skinner und wenig an den zackigen Post-Punk von "The Overload" erinnert. Das erfolgreiche Debütalbum katapultierte die Engländer aus dem Stand in ungeahnte Charts-Höhen.

Schon kurze Zeit später äußerten Stars wie Elton John ihre absolute Begeisterung. Nach solch einem Traumstart wird jedes nachfolgende Album schwierig, bleibt doch nur noch die Option, das altbekannte Muster weiterzuverfolgen. Gerade britische Bands - man denke nur an The Stone Roses - besitzen diese spezielle Gabe, stilprägende Meisterwerke an den Anfang ihrer Karriere zu stellen, deren Glanz sämtliche Nachfolger überstrahlt.

Schon direkt am Anfang also einen Mittelfinger für die Hörerschaft, die wieder kompakte Sing-A-Long-Refrains erwartet. Yard Act kennt man in der Rolle der smarten Hit-Lieferanten, mit weniger Krawall-Charme als Idles oder gar der Hool-Attitüde von Shame. Gerade der nerdige Sänger James Smith erinnert an den Reporter-Typ aus den Achtziger Jahren, der spitzfindig mit einem großen Mikro aus dem Leben der britischen Gesellschaft berichtet. Rückblickend mag er das erste Album und vor allem das Etikett 'Post-Punk' gar nicht mehr. Harte Worte über ein Album, das der Band in so extrem kurzer Zeit so viel Erfolg bescherte.

Nun wagen die Nordengländer den Befreiungsschlag, indem sie etwa mit sperrigem Boom-Bap-Rap ("Down By The Stream") experimentieren. Ein chaotischer Freestyle zwischen Jazz, Samples und viel Beastie Boys. Die schockten damals nach dem pubertären "Licensed to Ill" ebenfalls mit dem Nachfolger "Paul's Boutique" und setzten ihre Karriere auf Neustart: ein Album voller Samples, Genre-Hopping, eine Befreiung von Konventionen. Ein Ladenhüter in den Verkaufsregalen zwar, aber heute ein anerkannter Meilenstein in der Diskografie.

Im laut.de-Interview wies James Smith zudem auf die Talking Heads hin. Wenn es nun wirklich noch eine Post-Punk-Schublade braucht, dann bitte mit dieser Band. Die New Yorker Visionäre brachten ausgerechnet auf dem kommerziellen Höhepunkt von Punk das flirrende Rhythmus-Monster "Once In A Lifetime" heraus.

Ähnliches wagen nun Yard Act, die mit ihrem zweiten Album eine grandiose Sabotage an ihrem Indierock-Image betreiben. Lieber probieren sie hyperaktiven Disco-Funk in "Dream Job" oder verträumte Achtziger-House-Sounds in "Grifters Grief" aus. Letzteres mündet gar in ein Hardcore-Punk-Geschrei - spätestens in diesem Moment erkennt man das absolute Nicht-Interesse an einem Kompromiss.

An "The Undertow", mit Streichern und Props an De La Soul, zehrt man eindeutig länger als an "The Overload". So schnell dessen Hits auch zündeten, so schnell stellte sich ein Gefühl der Übersättigung ein. Auch nach wiederholtem Hören entdeckt man auf der Platte immer wieder neue Details. Ein anfangs gar nicht so spektakuläres "Where:s My Laughter" entfaltet so plötzlich das Potential zum besten LCD Soundsystem-Song seit langer Zeit.

Yard Act besitzen nun hörbar genügend Selbstbewusstsein, um jenseits der Erwartungen einfach einen achtminütigen, warm verspulten Spoken Word-Track wie "Blackpool Illumination" hinzulegen. Ein schöner Hangover-Trip macht sich breit, ähnlich wie bei Beck in seiner "Mellow Gold"-Phase. Was als Dialog über das große Lichter-Spektakel in Blackpool beginnt, nimmt mit Jazz-Flute-Sound immer weiter Fahrt auf und gerät zu einer Mediation über das Aufwachsen, einem befreienden Drogen-Trip, dem übergroßen Gefühl von Freiheit und der eigentlich unsinnigen Suche nach der großen Wahrheit. Am Ende dieser transzendenten Erfahrung bleibt die folgenschwere Erkenntnis: "Why the fuck was I still wondering what wankers would think of album two?".

Genau diesen Betonköpfen reichen sie mit "We Make Hits" ein vergiftetes Geschenk. Da habt ihr euren Hit, scheint diese Persiflage auf "The Overload" herauszuschreien. Die Meute tanzt, während Yard Act mit großer Freude auf den Eisberg zusteuern: "And we just wanna have some fun / before we're sunk. Sollte es wirklich so weit kommen, war es eine Ehre, dabei gewesen zu sein.

Trackliste

  1. 1. An Illusion
  2. 2. We Make Hits
  3. 3. Down By the Stream
  4. 4. The Undertow
  5. 5. Dream Job
  6. 6. Fizzy Fish
  7. 7. Petroleum
  8. 8. When the Laughter Stops
  9. 9. Grifter’s Grief
  10. 10. Blackpool Illuminations
  11. 11. A Vineyard for the North

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