laut.de-Kritik
Vom Nischen-Meme zum Rap-Star und zurück.
Review von Yannik GölzWenn wir den Beginn der Rage-Welle auf das Release von Playboi Cartis "Whole Lotta Red" datieren und davon ausgehen, dass die ganze Existenz von Yeat als erfolgreichem Rapper nur als Reaktion auf dieses Album möglich war, dann hat er doch inzwischen so viel Musik veröffentlicht, um vom Nischen-Meme zum Rap-Star aufzusteigen. Er hat ein Album mit Kult-Potential gemacht und ist inzwischen soweit, dass es schon die ersten Nostalgiker für den alten Yeat gibt. Das ist so verrückt, verrückter ist nur die Tatsache, dass er an einem Punkt seiner Karriere ist, wo er ein regelrechtes "back to basic"-Album veröffentlichen kann, bevor Carti zurückgekehrt ist.
Und ja: Yeat verzeichnet inzwischen die ersten Nostalgiker. Für alle, die Rage nicht so richtig interessiert, dürfte "2093" das eine, definitive Yeat-Album sein. Aber tatsächlich führen die Techno-Experimente und der Sci Fi-Kitsch eher von seinem eigentlichen Kult weg.
Album zwei im selben Jahr scheint nun eher klar zu machen: Hey Leute, ich bleibe meinen "2 Alive"-Wurzeln treu. Das Album verabschiedet die konzeptuelle Kohäsion und schmeißt wieder eine ganze Stunde klobige Rage-Bretter an die Wand. Wer seine jüngsten Liveshows in Deutschland mitbekommen hat, wird merken, dass das tatsächlich auch immer noch sein größter Sell ist. Er hat die Aesthetics irgendwo zwischen einer Monster Energy-Dose und einem Call of Duty-CGI-Trailer um 2012. Sein ganzes Ding ist, dass er stumpf und dämlich ist. Das ganze Bühnenbild, seine Show verkauft sich aktiv an musikalisches Junk Food und macht damit ein Meer cool angezogener Teenager zu einem einzigen Crowdcrush.
Entsprechend macht "Lyfestyle" fast einen Punkt damit, die Experimentation nicht zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Yeat will Spaß machen - und entsprechend ist auch dieses neue Tape eine ziemliche Kalorienbombe.
Will nicht heißen, dass hier nicht eine Menge lustiger Sachen passieren. Das großartige Intro "Geek Time" legt mit seinem stotterigen Groove die Messlatte vielleicht fast ein wenig zu hoch: Auf diesen fiesen Kopfnicker folgen erstmal ein paar Tracks, die die Rage-Formel simpler und rhythmisch weniger interessant spielen. Fans seiner experimentelleren Seite werden dann gedrillt sein, besonders aufmerksam auf die Ausreißer zu hören, als wolle man aktiv noch einen zweiten "Nun Id Change" erhaschen.
"Gon 4 A Min" deutet diese Geste mit einem verklatschten Electro-Gecroone erfolgreich an, der schmalzige Synthpop auf "Forever Again" hat zwar einen grundsätzlich effektiven Beat, macht aber wenig Argumente, dass Yeat nicht doch am besten als Rapper aufgehoben wäre.
Wer "Lyfestyle" mögen will, der muss eben wirklich den Sound geil finden, der Yeat groß gemacht hat. Und es gibt seine Highlights: "Orchestrate" und "Eliminate" insbesondere haben die richtige Würze und die richtigen Melodien, um den Rage-Sound so richtig lebendig marschieren zu lassen.
Aber man ahnt schon: Das ist eine eher durchwachsene Ausbeute an Highlights - und über die Rest der Laufzeit kommt man leicht in einen "das habe ich doch gerade schon gehört"-Strudel. "Lifestyle" hat seinem bisherigen Ouvre wenig hinzuzufügen, stattdessen dreht es ein paar Ehrenrunden durch zunehmend anonyme Tracks.
Besonders negativ stechen die Features heraus. Die sind teilweise einfach ulkig. Von all den Rappern, die Synergie mit Yeat haben könnten, wer hat bitte auf Kodak Black und Lil Durk gesetzt? Das sind Trap-Artists, klar, aber die kommen zumeist eher über Texte und organische Texturen, weil der große Selling Point für sie Schmerz und das echte Leben sind. Yeat hat mit dem echten Leben bestenfalls über Ecken zu tun. Entsprechend klingen die beiden, aber auch Don Toliver ulkig und deplatziert. Als hätte man Geld für große Gäste gehabt und die ohne groß darüber nachzudenken auf gut Glück in die eigene Playlist geshufflet.
Aber das ist wohl das Ding, wenn man acht Alben in vier Jahren macht: Yeat hat offensichtlich eine funktionierende Formel gefunden - und er will die verteidigen, bevor zu viele Fans "2093" nun zur Messlatte machen. Und auch, wenn "Lyfestyle" eher durchwachsen daherkommt, ist es doch fair von ihm, dieses Grundgerüst zu verteidigen. Hätte er diesen Sound nicht geil gefunden, wäre er heute nicht hier. Es wäre nicht mal so schwer zu argumentieren, dass er an diesem Punkt der Rapper ist, der am meisten mit diesem Sound verbunden wird. Und solange weiter eine solide Menge Banger darunter ist, lohnt sich das ja auch. Trotzdem könnte ein bisschen mehr Kuration und ein bisschen durchgezogener Mut für das Tellerrand-Jenseits nicht schaden für die nächsten acht Alben, bis Cartis nächstes Album das Gen Z-Rapgame wieder komplett auf den Kopf stellt. Vielleicht? Vielleicht!
1 Kommentar
Definitiv das Album an dem ich dieses Jahr am meisten Spaß hatte. Beim ersten Durchlauf auch noch vieles als sehr ähnlich empfunden. Sehe das mittlerweile als Vorteil von dem Album. Es fühlt sich durchgängig so rasant und spaßig an. Es gibt viele Details in den vocals die man später erstmal entdecken muss. Generell ist das Album ne ziemliche Reizüberflutung aber so funktioniert Yeat für mich am besten. Mmn nach hat er hier seinen klassischen Sound auf Albumlänge perfektioniert. 3,4 filler sind dabei und das Album ist ein wenig zu lang, aber dass ist vermutlich Standard bei Yeat geworden. Kann jede Wertung von 3-5 nachvollziehen. Für mich 5/5 weil ich dieses Jahr kein Release so oft gehört habe. Objektiv natürlich weniger. Tyler Album muss ich aber auch noch intensiv hören. Uzi und Westside gun dropen ja auch noch diese Woche.