laut.de-Kritik

Die Highlights auf diesem Album entstehen eher zufällig.

Review von

Young Thug hat modernen Trap mit definiert. Alles moderne Auto-Crooning der Gegenwart geht irgendwo auf seine mutierte Lil Wayne-Interpretation zurück. Die Magie von Tapes wie "Slime Season 2" oder "Barter 6" zündet auch heute noch, in einer Zeit, in der Thugger als Feature-Rapper, Sympathie-Träger und experimentierfreudiger Ziehvater der Lil Babys und Gunnas der Welt aktiv bleibt.

Doch sein kommerzieller Achtungs-Erfolg "So Much Fun" hat angedeutet, dass sein Hunger über die Jahre nachgelassen hat. Schon damals ging er mit dem Plan an die Öffentlichkeit, nach einer Ladung Hits mit einem lyrischeren Tape namens "Punk" aufzuwarten. Zwei Jahre später, hier sind wir. Und irgendwo in den Grundpfeilern dieses Albums liegt diese Idee wohl immer noch verschüttet. Aber jenseits von ein paar interessanten Ansätzen und Songs klingt kaum eines seiner Alben so unfokussiert, orientierungslos und inkohärent wie "Punk".

Dabei fängt es eigentlich so quintessentiell Thug an: Auf melancholisch gezupften Gitarren wippt er zwischen ein paar Bars und Spoken Word-Erzählung hin und er. Ein paar Momente lang lässt er die Tonlage absinken, klingt so entwaffnend und klar, wie er es selten getan hat, und erzählt traumatische Erlebnisse seines Aufwachsens nach. Die enden dabei, wie seine Mutter bei einem Unfall lebensgefährlich verletzt wurde, um schließlich doch zu überleben. Ein sentimentaler, rührender Moment, wie er ihn aufbereitet. Dann fängt er wieder an zu rappen, unterschwellige Produktion, die selbe Stimmlage. "I always knew I wasn't gon' be gay", rappt er dann. Oh, Thug.

Es steht emblematisch für den Rapper, der auf "Punk" immer wieder dazu ansetzt, Geschichten zu erzählen und Stimmungen einzufangen. Aber irgendwas im Handwerk hakt hier fundamental. Nicht jede Geschichte muss dem handwerklichen Grundkasten folgen, oft ist es einem Typen wie ihm sogar auf unkonventionellen Ebenen besser gelungen, Gefühle zu vermitteln, als auf gängigen. Aber auch wenn "Punk" sicher ein halbes Dutzend mal dieselbe dröge Gitarren-Untermalung eröffnet, um ihm dieses Mal die Chance zu geben, wirklich das Herz auszuschütten, es wird einfach kein Schuh draus. Die Songs ertrinken in Filler-Parts und teils wahllosen Features, die Parts ertrinken in Fülle-Lines, der ganze Zusammenstellungsprozess kommt mit der Willkür eines Wühltisches zustande.

Das zeigt schon "Stressed", das instrumental das atmosphärischen Intro "Die Slow" fortführt, aber statt inhaltlicher Ausarbeitung singt Thug hier nur eine austauschbare Hook und überlässt die Verses T-Shyne und J. Cole, die solide abliefern, aber aber mit dem emotionalen Kern dieses Albums doch offensichtlich nichts zu tun haben. "Stupid / Asking" will einen atmosphärischen Beat-Wechsel abliefern, aber auch wenn der erste Teil einen soliden Refrain hergibt, geht der Switch-Up ins Niemandsland. Es fehlen die zündenden musikalischen Ideen, man findet keinen Grund, einen schlechten Beat und einen unwesentlichen Refrain zwei Minuten weiter wabern zu lassen.

Ein paar Highlights gibt es im Laufe der Platte trotzdem, zum Beispiel den wirklich schönen Beinahe-Closer "Hate The Game". Nicht, weil er da nicht ziemlichen Nonsens erzählen würde, aber die Mischung aus Akustik-Gitarre und Trap-Bounce funktioniert dort besser als sonst wo und der Refrain könnte einer seiner besten sein. Ähnlich funktioniert es mit "Contagious", auf dem er tatsächlich einmal mehr oder weniger einem Thema folgt. Er rappt darüber, dass er Leuten um sich herum immer nur Gutes gewünscht hat, diese Energie aber selten zurückbekommen hat. Und man glaubt Thug, dass er es gut mit den Leuten meint. In der schimmernden Piano-Synth-Kombination schwimmt ein bisschen der prominenten YSL-Psychedelia mit, die sein Label so lange kultiviert hat, in Verse zwei und im Refrain klingt er sternenklar.

Andere Highlights entstehen eher zufällig in Kombination mit den Features. Wenn er mit Future auf "Peepin Out The Window" den gegenseitigen Legenden-Status beweist, dann wirken sie wie die Begegnung zwei legendärer Pokemon nebeneinander, Groudon und Kyogre für die Trap. "Rich N*gga Shit" rekrutiert Juice WRLD auf einen explosiven Pi'erre Bourne-Beat, die Energie zieht sofort mit und "Rich N*gga shit, calamari" könnte nicht geiler betont sein. Ähnliches gilt für den energetischen Wheezy-Banger "Bubbly", auf dem ihn Travis Scott und Drake begleiten.

Aber wer aufmerksam liest, merkt hier schon – was haben energetische Wheezy-Banger mit Travis Scott-Feature oder Juice WRLD auf Pi'erre Bourne-Geballer mit diesem ganzen "Punk"-Konzept zu tun, das was wir am Anfang besprochen haben? Die Antwort ist: Überhaupt nichts. Es ist schwer zu sagen, ob man einfach zu schnell aufgegeben hat, aber über die Laufzeit des Albums merkt man, dass diesem ganzen lyrischen Gitarren-Konzept der Biss fehlt. Für ein paar Tracks trägt es, aber viele Songs kommen nicht aus dem Saft, fügen nichts Neues hinzu und laden schon beim zweiten Hören zum Skippen ein. Statt die Idee radikaler fortzuführen und ihn wie in seinem NPR Tiny Desk-Concert wirklich mit einer Band performen zu lassen, hat das Album sich dafür entschieden, wahllose "So Much Fun"-Leftovers in die Tracklist zu schmeißen. Klingt "Living It Up" mit Post Malone und A$AP Rocky an sich geil? Klar tut es das, ein unterschwelliger Pop-Rap-Cut mit Post Malone-Hook kann nicht furchtbar klingen. Aber so viel Spaß das macht, ist es nur bezeichnend für ein Album, das seinem Protagonisten nicht zuzutrauen scheint, den Hauptteil zu tragen.

"Punk" wirkt insgesamt, als hätte Thugger versucht, etwas Ambitioniertes abzuliefern, schließlich aber doch nicht den Mut oder die kommerzielle Risikobereitschaft mitgebracht, es wirklich durchzuziehen. Zu sehr versucht er, altbewährte Songwriting-Techniken für etwas zu forcieren, das andere Ansätze gebraucht hätte. Für "Slime Langauge" oder sogar "So Much Fun" funktionierte es, einfach Banger nach Banger und Zusammenarbeit nach Zusammenarbeit aufzureihen. Aber hier hätte es eine All-Out-Peformance gebraucht. Momente, in denen man "Verdammt, Thugger, das hätte ich nicht erwartet" in sein Handy brüllt. So etwas wie die Stimm-Experimente auf "Jeffery" oder die Genre-Stunts auf "Beautiful Thugger Girls". Aber "Punk" hat wenig davon zu bieten.

Stattdessen gibt es Filler ohne Ende, Songs, bei denen nur die Feature-Liste ambitioniert klingt (Nate Ruess von Fun. kommt für eine unterwältigend blutleere Hook vorbei) und Songs, die im Kern okay sind, aber auch nicht außerhalb des Albums gehört werden müssen. Die ganze Zeit fragt man sich, wann der Mann, der schon so magische Songs und Parts gemacht hat, endlich aus dem Autopilot schaltet. Aber in all seiner Andeutung von Großartigkeit bleibt dieses Album ein Warten auf Sternstunden. Und die hätten in manchen dieser Songs passieren können. Aber irgendwie hatte keiner Lust auf die dringend notwendigen zweiten und dritten Drafts dafür.

Trackliste

  1. 1. Die Slow (feat. Strick)
  2. 2. Stressed (feat. J. Cole & T-Shyne)
  3. 3. Stupid/Asking
  4. 4. Recognize Real (feat. Gunna)
  5. 5. Contagious
  6. 6. Peepin Out The Window (feat. Future & Bslime)
  7. 7. Rich N*gga Shit (feat. Juice WRLD)
  8. 8. Livin It Up (feat. Post Malone & A$AP Rocky)
  9. 9. Yea Yea Yea
  10. 10. Insure My Wirst (feat. Gunna)
  11. 11. Scoliosis (feat. Lil Double O)
  12. 12. Bubbly (feat. Drake & Travis Scott)
  13. 13. Road Rage
  14. 14. Faces
  15. 15. Droppin Jewels
  16. 16. Fifth Day Dead
  17. 17. Icy Hot (feat. Doja Cat)
  18. 18. Love You More (feat. Nate Ruess, Gunna & Jeff Bhasker)
  19. 19. Hate The Game
  20. 20. Day Before (feat. Mac Miller)

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