laut.de-Kritik

Fuck Fame! Ehrlich, traurig und auch für Nicht-Fans mehr als sehenswert.

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"Nein." Ein entschiedenes Nein steht am Beginn von "A-ha - The Movie". Während Gitarrist Pål Waaktaar-Savoy ein neues A-ha-Album quasi schon fertig geschrieben hat und Sänger Morten Harket sich die Aufnahmen vorstellen kann, wenn man sich drei Monate in ein Studio begeben und dort all die Probleme innerhalb der Band endlich lösen würde, lässt Keyboarder Magne Furuholmen den Fans nicht den Hauch einer Hoffnung: "Nein." Die nächsten 90 Minuten begibt sich Regisseur Thomas Robsahm auf die Suche nach dem Grund dieser so bestimmten Blockade.

Prophetisch startet der Film mit mit einer Akustikversion des 1988 veröffentlichten "There's Never A Forever Thing". Es folgt die bittere Geschichte dreier naiver Jungs, die aus Norwegen aufbrechen, um nicht nur Weltstars, sondern auch drei verbohrte Trottel zu werden, die sich lieber vierzig Jahre lang streiten statt zur Therapie zu gehen und all die aufgehäuften Probleme aus der Welt zu räumen.

In der Dokumentation dieser tiefen Zerrissenheit innerhalb der Band zeigt sich "A-ha - The Movie" so ehrlich wie kaum ein Film über einen noch aktiven Act vor ihm. Wo andere die Großartigkeit der Protagonist*innen lobpreisen, zeigt Robsahm die triste Realität seperater Backstagebereiche. Drei Menschen, die getrennt reisen und sich bei Interviews, Fototerminen oder im Studio zeitweise nicht einmal mehr in die Augen schauen können. Dabei vergisst er aber nicht, an die großartige Musik und die Aufsehen erregenden Videos zu erinnern.

Nie stehen die großen Allüren und die wilde Sause im Mittelpunkt, sondern die drei Musiker und ihre Gefühle und Probleme miteinander. Robsahm bricht Harket, Furuholmen und Waaktar-Savoy auf das herunter, das wir alle sind: Menschen mit ihren sympathischen und unsympathischen Seiten. Es ist ihm dabei hoch anzurechnen, dass er nie Partei ergreift. Jeder Punkt bleibt aus der Sicht der jeweiligen Person nachvollziehbar.

Zu Beginn steht aber noch die unbekümmerte Story dreier Burschen, wie sie zur Musik und schließlich zueinander fanden. Gerade in dieser Phase nutzt der Film immer wieder den "Take On Me"-Comicstil. Wie sie in London strauchelten, in einer winzigen Bruchbude lebten, in der Morten vergammelten Kuchen aß, und doch nie aufgaben.

Die Rollenverteilung wird schnell klar: Der Songwriter und Band-Diktator ist Pål, der sich alles erarbeitet hat und nur die Musik kennt. Selbst wenn die beiden anderen ein Veto einlegen, setzt sich am Ende immer noch Waaktaar-Savoy durch. Morten: das verdammt gut aussehende und mit einer großartigen Stimme beschenkte Maskottchen. Abseits davon bleibt er eher blass, mag seine eigene Stimme nicht mehr hören ("Ich bin die ganze Zeit am Jaulen!") und scheitert mit einem Vermittlungsversuch nach dem anderen. Und Magne, der am Ende einfach immer aufs Maul bekommt. Schon als Kind verliert er seinen Vater bei einem Flugzeugabsturz, den Morten beobachtet hatte.

Der erste Riss zwischen Furuholmen und Waaktaar-Savoy entsteht bereits bei der Vorgängerband Bridges (noch ohne Harket), bei der beide zuerst Gitarre spielten. Eine zuviel, wie Pål entscheidet, und Magne ans Keyboard befielt. Eine Entscheidung, die diesen traumatisierte, die er aber dennoch hinnahm. "Ich hatte das Gefühl, mich seinem Willen zu beugen, weil es zu schmerzhaft gewesen wäre, dagegen anzukämpfen", erklärt Furuholmen. "Es war nie mein Traum, Keyboarder zu sein."

Ein Streit über die Songwritercredits der frühen Alben, auf denen Furuholmen zumeist unerwähnt blieb, brachte die beiden mittlerweile nachhaltig auseinander. Pål versteht sein Songwriting als Tisch, den Magne mit schönen Blumen und Vasen lediglich dekoriere. Magne hingegen sieht in seinen Keyboardparts und Arrangements einen wesentlichen Teil des Songwritings und damit eben am Erfolg der Band. Wenn Furuholmen an etwas arbeitete, ließ sich Waaktar-Savoy in den Credits hinzufügen, lief es anders herum, blieb Furuholmen ungenannt.

Der Zoff zwischen den beiden gipfelt 2009 in "Foot Of The Mountain", einem Song, der sie eigentlich zusammenbringt. Zuerst zwei unterschiedliche Lieder, schlägt Manager Harald Wiik vor, beide zu verbinden. Keiner kommt auf die Idee, die Lyrics zu überarbeiten. Statdessen bleibt in Strophen Magnes giftige Abrechnung mit Pål ("Keep your clever lines / Hold your easy rhymes"), während dessen persönlicher Refrain danach seltsam unpassend erscheint. Noch heute zeigt sich der Gitarrist deutlich angefressen: "Write your own fucking chorus!" Der Clinch über den Track führt letztlich dazu, dass man sich mit "Ending On A High Note" trennt, nur um sich fünf Jahre später mit "Cast In Steel" wieder zusammenzuraufen.

Wirklich glücklich erscheinen die drei Norweger nur in der Zeit zwischen 1994 und 1998, in der sie sich – inoffiziell – erstmals getrennt hatten. Von A-ha befreit, feiert Harket mit seinem Solo-Album "Wild Seed" die neu gewonnene Hoheit über Songwriting und seine Stimme. Furuholmen entdeckt die Malerei für sich und arbeitet an Soundtracks, und Waaktar-Savoy gründet mit seiner Frau Lauren Savoy die Band Savoy. "Ich wollte nie in einer Band sein", erzählt sie. "Ich spiele in einer Band mit ihm, weil ich von der Musik erdrückt wurde. Ich musste Musik machen oder mich scheiden lassen."

Danach geht es mit "Minor Earth, Major Sky" jedoch zurück in den Wahnsinn, in der sich jeder neue Longplayer zuerst wie ein Aufbruch anfühlt, doch schnell zu einem "Hornissennest" (Furuholmen) mutiert. Wir schauen drei in einer Kapsel gefangenen Menschen beim Verrichten ihrer Arbeit zu, die ihre Partner nur noch aufgrund ihres musikalischen Inputs respektieren. Waaktaar-Savoy, der in sich selbst noch das Zeug für mehere Hits sieht, bringt es jedoch auf den Punkt: "In zehn, zwanzig Jahren wird man auf unser Werk zurückblicken. Unsere Zankereien sind für andere Menschen völlig bedeutungslos."

Dieses Werk ist es letztlich, das diese drei Streithähne verbindet. Es geht ihnen nicht darum, berühmt zu sein, sondern um ihre Musik. Sie führt die die drei immer wieder zusammen. Ein Gedicht von John Keats über die Vergänglichkeit des Ruhms, das sein früherer Manager ihm zusandte, beendet Harket mit den Worten: "Fuck Fame!"

Die Klammer um "A-ha – The Movie" schließt sich kurz vor Schluss. Überdeutlich zeigt Robsahm in erschreckend düsteren Bildern, warum man nur hoffen kann, dass Furuholmen bei seinem Nein bleibt: Erst eine kurze Einstellung aus dem Krankenhaus, als nächstes sehen wir, wie sein Herz Elektroschocks erhält. Ärzte stellen bei ihm Kammerflimmern fest, ausgelöst vom Stress.

Vielleicht finden A-ha mit dem im Herbst 2022 erscheinenden "True North" eine Lösung für alle. Eine an drei Tagen live aufgenommene Performance, die eine poetische Hommage an die Schönheit der Landschaften und der Kultur Norwegens darstellen soll, und den Einfluss, den der Klimawandel auf diese hat: Das Konzept klingt erst einmal spannend.

Mit "A-ha - The Movie" gelingt Thomas Robsahm eine ehrliche, traurige und auch für Nicht-Fans mehr als sehenswerte Dokumentation. Er reißt damit jede romantische Illusion über das Innenleben berühmter Bands ein. Er zeigt Geschichten, die normalerweise erst nach einer Trennung an die Öffentlichkeit dringen.

Trackliste

  1. 1. A-ha - The Movie
  2. 2. Extras

Videos

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LAUT.DE-PORTRÄT A-ha

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2 Kommentare

  • Vor 2 Jahren

    Weil die Synthiepop-Affinen sich hier eher selten melden und um zu verhindern, dass ihr weiter solche Veröffentlichungen besprecht :-) Hört sich sehr interessant und nicht so glatt gebügelt wie andere "Band-Portraits" an.
    Davon abgesehen sind a-ha schon ein Phänomen: Ein Ende mit einem aus meiner Sicht bescheidenen Album, Comeback mit einem top Album, Ende mit eher schlechtem, usw. Mal schauen, was da aus der Musikproduktion a-ha noch kommt.

  • Vor 2 Jahren

    Kommt das Ding bald in die Kinos?