laut.de-Kritik

Dancefloor-Sensation aus der chilenischen Gen-Z.

Review von

Zoomer-Musik ist die verdammte Härte. Die besten Songs dieser Generation fangen mit dem besten Groove an, den man je gehört hat, brechen dann in eine depressive Autotune-Episode zusammen und resümieren in einem halben Song kollidierender Synth-Noise-Barragen. Spielzeit: 90 Sekunden. Das ist auf jeden Fall die Musik, die in fünfzig Jahren Kinofilme orchestriert, in denen die 2020er eine Rolle spielen.

Nennt man den Käse jetzt Hyperpop? Leute haben dieses Label ja auf alles geklatscht, das vage futuristisch genug klingt und von Gen Z-Artists gemacht wird. Aber gerade die Streuung von Ideen unter diesem Schirmbegriff zeigt doch erst wieder, wie uneindeutig das alles ist. In Lateinamerika entwickelt sich gerade ein Trend, die eigenen klassischen Genres zu Zoomer-isieren. Und Artists wie Isabella Lovestory oder Villano Antillano klingen für unsere Ohren definitiv wie Hyperpop.

"Epistolares" von AKRIILA zieht Inspiration aus Bad Bunny, Karol G und vor allem Rosalías "Motomami". Rateyourmusic gruppiert diese Musik unter dem Begriff Neoperreo, aber machen wir es nicht komplizierter als nötig: Es ist einfach queerer Party-Dancefloor-Shit, der sich parallel zu unseren neuen europäischen Sounds entwickelt hat. Aber es ist erfrischend eindeutig sein ganz eigenes Ding.

Es haben noch nicht viele Infos zu Akriila aus dem spanischsprachigen Internet heraus geschafft. Ein paar Google Translate-Artikel verraten, dass wir es mit einer 2004 geborenen Chilenin zu tun haben. Den Rest verrät das Album: "Epistolares" ist extrem online, extrem gelangweilt, reizüberflutet und high. Dieses Album ballert eine halbe Stunde extrem krasse Grooves durch den Raum und ersetzt den Glamour und Produktionsbudget von uns bekannten Blockbuster-Alben durch eine untergründige DIY-Edge.

Wie die Beats auf "www.hotxulito.com (feat. Young Cister)" und ganz insbesondere die letzten dreißig Sekunden auf "POPPER!" riden, das ist schon immens Stankface-induzierend. AKRIILA kennt einen toughen Reggaeton-Beat, wenn sie ihn sieht, klebt in ihren durch die Bank eh recht kurzen Tracks aber auch immer eine schräge Ausfahrt vorne oder hinten dran.

Mehr als ein paar Mal drängen sich Vergleiche zu Produzentinnen wie PinkPantheress auf: "Para Siempre (°>_<)" macht diese Liquid Drum'n'Bass-Synth-Schwerelosigkeit auf, ein simples, aber einschlägiges Riff, Vocal-Chops und Heliumvocals. Das ist State of Art in fünf Genres gleichzeitig und jenseits seines modebewussten Glanzes auf irgendeine Art auch geradezu emotional. AKRIILA kommt immer über zehn Filter, als würde sie den Fakt betrauern, dass sie die digitale Distanz zwischen uns niemals ausräumen werden wird.

Ansonsten eröffnen ein paar gekonnte Featurenummern das Tape, die ebenfalls im Kopf bleiben. Die Bassline auf "Epitafio" macht gut Drama, bevor die Reggaeton-Drums übernehmen, "Worldw1de" hat eine abgehobene Cloud Rap-Edge, "Nana" klingt straight up wie ein Beat von 100 Gecs in ihren wildesten Zeiten.

Einziges Manko: Broke Carrey, FaceBrooklyn, Juicy BAE, die können schon alle rappen, die Kollaboration lässt an Classics wie "Pop 2" denken, aber tatsächlich wird keiner von ihen Protagonistin AKRIILA auch nur annähernd gefährlich. Sie dominiert jeden Song mit ihrer Fashionista-Aloofness - Girl klingt schlicht cool wie Eis über das ganze Album.

So ist es auch das Thesis-Statement, das mantrahaft immer wieder wiederholt wird: "Hot gays listen to AKRIILA". Alternativ: "Hot twinks listen to AKRIILA". Was will man dem hinzufügen? "Epistolares" vereint in seiner knappen Laufzeit zwar zehn Genres aus drei Kontinenten, am Ende kommt es aber doch so easy und locker aus dem Handgelenk geschossen, wie man es sich nur vorstellen kann. Es ist eine queere Party aus Chile, die keinerlei Anschlussschwierigkeiten auf queeren Partys in Berlin, London, Benin City oder Hongkong haben dürfte. Probiert es aus, macht es an, ihr werdet sehen: Dieses Level Cunt kennt keine Sprachbarriere.

Trackliste

  1. 1. Debut
  2. 2. Epitafio (feat. FaceBrookyln & Juicy BAE)
  3. 3. Worldw1de (feat. Broke Carrey feat. Princesa Alba)
  4. 4. NANA
  5. 5. www.hotxulito.com (feat. Young Cister)
  6. 6. POPPER! (feat. Taichu)
  7. 7. Mucho, Poquito, Nada
  8. 8. Superficial
  9. 9. TEoría Del Tiempo (feat. Gianluca)
  10. 10. Para Siempre (°>_<)
  11. 11. Lunes FeriadooOOoOO
  12. 12. Carta A Mi Papá

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