laut.de-Kritik

Das beste deutsche Metal-Album aller Zeiten.

Review von

Von Atombombe bis Reinheitsgebot: Von Deutschland aus veränderten im Laufe der Jahrhunderte nicht nur mehr oder wenige kluge Forscher die Welt, nein, auch fünf unbedarfte Rockmusiker schmiedeten in der Stahlstadt Solingen 1982 zum allerersten Mal ein ganz besonderes Metall: Speed Metal.

Vergesst Metallica. James und Lars zofften sich damals noch in einem Proberaum mit Dave Mustaine, als Leadsänger Udo Dirkschneider für "Fast As The Shark" das Heidiheido“-Intro niederkreischt, Wolf Hoffmans sägende Gitarrenriffs den Kopf von den Schultern fräsen und Stefan Kaufmanns treibende Double-Bass selbst die kälteste Zeche im Ruhrpott anfeuert. Mit dem Opener ihres vierten Albums "Restless And Wild" sorgen Accept im Oktober 1982 für schlimmste Nackenschmerzen bei Headbangern rund um den Globus. Das selbst von Motörhead oder Exciter noch nicht erreichte Tempo, die mitreißenden Chöre und das jubilierende Gitarrenduell, bei dem Wolf nach dem Weggang von Jörg Fischer beide Gitarren spielt, heben das Speed- und Thrash-Genre aus der reichhaltigen Metal-Taufe.

"Wenn man zurückblickt, könnte man tatsächlich sagen, dass wir hier etwas Einzigartiges kreiert haben. Dies war uns damals aber nicht bewusst. Wir hatten einfach Spaß", erinnert sich Accept-Chef Wolf Hoffmann im Interview. Der Song ist in der Szene schnell berühmt und berüchtigt. Gerüchten zu Folge rühmt sich selbst Anthrax-Trommler Charlie Benante anfangs damit, dass er das Doublebass-Gewitter noch schneller spielen kann als Kaufmann.

Aufmerksame Hörer:innen und Fans der ersten Stunde ahnten jedoch schon ein Jahr zuvor, dass Accept für große Taten bestimmt waren. "Breaker", der Titelsong des dritten Albums, ballert bereits in erhöhter Schlagzahl und lässt zusammen mit "Starlight" oder "Midnight Highway" die dünnen Rock-Versuche Ender der 70er vergessen. Im Nachgang liefen sich Udo, Wolf und Konsorten aber nur warm, denn "Restless And Wild" avancierte nicht nur zu ihrem Opus Magnum, sondern toppte als Heavy Metal-Feuerwerk selbst im hartwurstigen Breakthrough-Jahr 1982 bis auf "Number Of The Beast" alles andere. Weder Priests „Screaming“-Teil noch Manowars Debüt "Battle Hymnes" spielen in der Liga von "Restless And Wild" - und das liegt nicht nur am hyperschnellen Opener. Accept packen eine ganze Reihe an Grovves und Styles aus und navigieren gekonnt zwischen Tiefe und Härte.

Der Titeltrack "Restless And Wild" galoppiert mit Nicko McBrain-Gedächtnis-Beat am Rheinufer entlang – nur um ab Minute 2:20 mit einer hymnischen Bridge auch kompositorisch zu überraschen - während Udo virtuos und dynamisch zwischen kehligem Reibeisengeschreie und ruhigeren, gefühlvollen Parts pendelt. "Ahead Of The Pack" ist ein schöner Midtempo-Headbanger mit kongenialer Gitarrenarbeit, die Tipton und Downing in nichts nachsteht. "Shake Your Heads" sorgt live für die nötigen Mitgröhl-Momente, "Demons Night" überzeugt mit Tempi-Wechsel und einem dichten Gitarrensound, und "Don't Go Stealing My Soul Away" fliegt so catchy und melodiös über den Highway, wie 1982 nur "No One Like You" von den Scorpions.

Der Grund für den Klassikerstatus von "Restless And Wild" liegt jedoch in zwei Accept-untypischen, aber um so genialeren Tracks. Auf der Hymne "Neon Nights" wagen sich Accept in Pre-Savatage-Gefilde, fügen ihrem sonst so straightem Sound eine leicht proggige Komplexität hinzu, die sie – genauso wie auch Dirkschneiders eigene Band U.D.O. - später dem Auf-die-Fresse-Rock opferten. Ähnlich ungewöhnlich schließt das hypnotische "Princes Of The Dawn" das superbe Album wie auch alle späteren Liveshows ab. Der Beat pumpt so gnadenlosen nach vorne, während Udos heisere, fast gesprochene Stimme zusammen mit Wolfs sphärischen Gitarrensounds jeden aufgekratzten Lederkuttenträger in Trance treibt. Accept legen hier – ebenfalls ungewollt - den Grundstein für den Gothic Rock, der sich Jahre später aus diesen Stilelementen speist.

Mit "Restless And Wild" erfanden Accept nicht nur den Speed Metal, sie veröffentlichten trotz Helloween, Blind Guardian oder Running Wild auch das beste deutsche Metal-Album aller Zeiten. Ein Album, an dessen Genialität und Wucht alle Akteure trotz herausragender Werke niemals mehr herankamen. So steht es als zeitloses Monument in der Musikgeschichte und begeistert mit "Fast As A Shark" auch Jahrzehnte später Horden von neuen Metal-Fans auf den digitalen Plattformen.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Fast As A Shark
  2. 2. Restless And Wild
  3. 3. Ahead Of The Pack
  4. 4. Shake Your Heads
  5. 5. Neon Nights
  6. 6. Get Ready
  7. 7. Demon's Night
  8. 8. Flash Rockin' Man
  9. 9. Don't Go Stealing My Soul Away
  10. 10. Princess Of The Dawn

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9 Kommentare

  • Vor 3 Jahren

    Auf den Punkt. Zusammen mit Maidens Number meine Metal-Geburtsstunde. Fast as a shark hatte seinerzeit ein Mitschüler fürs freie Vorspielen in den Musikunterricht mitgebracht. Ich war total geflasht , der Musiklehrer, Baujahr ca 1935 nahms mit Fassung und 3/4 der Klasse fandens blöd weil Spandau Ballet und co .

  • Vor 3 Jahren

    Danke Stefan, guter Move! Ich hoffe die gesammte Rapfraktion bei euch in der Redaktion hat zur Strafe drei Wochen Zwangsberieselung auf volle Umme im Homeoffice von dir verordnet bekommen, genau mit dem Album.

    Allerdings mit Speedmetal gehe ich nicht umbedingt mit, Accept sind mir immer max. medium Speed, selbst Dirk war dazu garnicht in der Lage, so als Knödel der Szene? Kleiner dicker Zwerg what the fuck kreischst den so gut, Kontrastprogramm oder? Dazu noch die ausführlichen melodischen Gitarrensolis die du im Speedmetal auch nicht so findest. Speedmetal kann so und so nix, allein der Druck auf die Ohren zählt nach meinem Geschmack bei Metal. Scheibe gut gealtert, also alles gut!

    Gruß Speedi

  • Vor 3 Jahren

    Princess, princess, princess of the dawn. Ich liebe es.