laut.de-Kritik
Der Spaceman zieht den Kürzeren.
Review von Kai ButterweckDie Aufnahme in die Rock And Roll Hall Of Fame, jede Menge Schulterklopfer der weltweit immer größer werdenden Anti-Simmons-Stanley-Fraktion sowie die Vorfreude auf die Veröffentlichung seines neuen Studioalbums "Space Invader": Ace Frehley lief in den letzten Monaten mit stolzgeschwellter Brust durchs Leben.
"Paul und Gene werden ziemlich dumm aus der Wäsche gucken, wenn sie mein neues Album hören", so der Spaceman vor einigen Wochen. Ob sich die beiden letzten verbliebenen Kiss-Urmitglieder aber überhaupt die Mühe machen werden ins mittlerweile fünfte Soloschaffen ihres Ex-Kollegen reinzuhören, darf bei nicht enden wollenden Termin-Lawinen (US-Tour, Vegas-Engagement, Restaurant-Einweihungen, etc.) jedoch bezweifelt werden.
Für Kiss-Fans der ersten Stunde dürfte der 15. August 2014 allerdings einen ähnlich wichtigen Stellenwert haben, wie die Release-Tage der letzten beiden Studioalben ihrer Heroen ("Sonic Boom", "Monster"). Für die Die Hard-Fraktion stellt sich nämlich die Frage: Schafft es Frehley, ähnlich wie seine ehemaligen Kollegen, nach eher dürftigen Präsentationen in der Vergangenheit, wieder zurück in die Rock'n'Roll-Spur?
Der eröffnende Titeltrack sorgt erst einmal für wenig Begeisterung bei "Shock Me"-, "New York Groove"- und "Rip It Out"-Liebhabern. Zwar wartet der Song im Vergleich zu den letzten beiden Kiss-Openern "Modern Day Delilah" und "Hell Or Hallelujah" mit einer weitaus dickeren Distortion-Keule auf, doch zieht er in punkto Markanz und Langlebigkeit definitiv den Kürzeren.
Das anschließende "Gimme A Feeling'" hat da schon wesentlich mehr zu bieten. Hier schüttelt der Maestro reihenweise Boogie-Hardrock-Riffs aus dem Ärmel. Auch im Solo-Bereich lässt er nichts anbrennen. Trademarks sind und bleiben halt Trademarks, werter Herr Thayer.
Dennoch: Dumm aus der Wäsche gucken muss noch niemand, schon gar nicht die Herren Stanley und Simmons, die im Gegensatz zu Frehley auch im hohen Alter noch in der Lage sind, solide Rocker mit überdurchschnittlichen Harmonien zu deckeln, sodass am Ende wenigstens ein paar klassische Kiss-Erinnerungen zum Leben erweckt werden.
Da Ace Frehley noch nie zu den größten Sängern gehörte, mussten die Songs aus seiner Feder schon zu Kiss-Zeiten stets über eine außergewöhnliche Instrumental-Aura verfügen, um im Live-Set zwischen Evergreens wie "Love Gun", "Detroit Rock City" oder "Shout It Out Loud" bestehen zu können. Von einer "Shock Me"-und-Co-Präsenz sind aktuelle Versuche wie das Melodie-Debakel "I Wanna Hold You", die überladene "Almost Human"-Hommage "Toys" oder der ermüdende "New York Groove"-Wink "Immortal Pleasures" jedoch meilenweit entfernt.
Mit dem feurigen "What Every Girl Wants" erinnert der Gibson-Fetischist zwar noch einmal an die Hoffnung machenden "Gimme A Feelin'"-Minuten, doch sorgen Allerwelts-Hardrock-Orgien à la "Past The Milk Way" und "Reckless" sowie die wohl hundertste Da-regt-sich-irgendwie-gar-nichts-Version des Steve-Miller-Klassikers "The Joker" schnell wieder für Ernüchterung beim Hörer.
Auch das abschließende siebenminütige Instrumental "Starship" reißt keine Bäume mehr aus, sodass am Ende weder Paul Stanley, Gene Simmons, noch sonst irgendwer dumm aus der Wäsche gucken wird. Das ist umso trauriger, da der New Yorker auch im hohen Alter noch über Fingerfertigkeiten verfügt, die jeden Mariachi-Newcomer vor Neid erblassen lassen. Wäre da nur nicht die Sache mit dem Songwriting.
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