laut.de-Kritik
Tanzen, springen, abspacken. Und die Texte bitte ausblenden.
Review von Anne NußbaumIn der achten Staffel der in den USA beliebten Castingshow "American Idol" trat ein Junge aus Indianapolis auf den Plan, der alle Klischees eines androgynen Heranwachsenden zu erfüllen schien: Die schwarzen Haare zu wilden Frisuren getürmt, dunklen Kajal unter den Augen, zitterndes Vibrato in der Stimme, wie es bei Castingshows gern gehört wird, wurde Adam Lambert schnell zum Liebling der Jury.
In ihm schienen sich die Sehnsüchte tausender Teenager zu manifestieren: Ein attraktiver, offen homosexueller junger Mann mit Bubigesicht schafft es aus Indianapolis bis ganz nach oben - ins nationale Fernsehen!
Nun hat Lambert, obwohl nur Zweitplatzierter im Casting-Marathon, nach seinem ausschließlich in den USA erschienenen ersten Album "Take One" sein Deutschland-Debüt abgeliefert: "For Your Entertainment" inszeniert seinen Sänger und dessen augenscheinliches Bedürfnis nach dem Abheben von der Masse bereits auf dem Cover. Von dem aus stiert Adam uns mit katzenartig geschminkten Augen auffordernd und lasziv zwischen silbergeschmückten Fingern an.
Das schlichte Rezept einer guten Produzenten- und Schreiberlingsriege geht auf: Pink, Lady Gaga, Max Martin, einer der derzeit erfolgreichsten Popmusik-Komponisten, Muse-Frontmann Matthew Bellamy und andere erfolgsverwöhnte Gestalten der Musikszene verhelfen "For Your Entertainment" zu einer unerwarteten Variationsbreite.
Pathetische Glamrock-Ballade trifft energetischen Elektropop-Sound. Für letzteren wird Lambert von seinen Fans gern mit Miike Snow verglichen. Hinkt da was?
Erste Single-Auskopplung des Albums, "Whataya Want From Me", verbindet eingängige Melodie mit Gitarrenriffs, die leicht ins Ohr gehen. Eine Rockballade, die anfeuert zum Durchhalten und Nicht-Aufgeben.
Rockig und energetisch gehts weiter mit "Strut", Adams persönlicher Aufforderung zum Stolzieren. Hier treffen sexuelle Anspielungen auf einen Versuch von Konsumkritik: "Let's take a Maybelline vacation / And get yourself some validationy". Na dann mal los, Adam, du kajalschwarzer Paradiesvogel der Castingshows.
Klebrig-opernhaft wird es, wenn Adam in "Soaked" zu Piano-Dreiklängen vom Seelenschmerz fehlender Liebe trällert. Unwillkürlich fühlt man sich an schlechte Musical-Auswüchse erinnert, in denen Adam als ehemaliger Musicaldarsteller selbst vielleicht schon aufgetreten sein könnte. Achtung, Pathos-Alarm!
Mit einem der Bonustracks sang Lambert sich bereits in die Herzen von Kinozuschauern, die gerne Popcorn-Kino mit viel Trara und Special Effects anschauen: "Time For Miracles" ist Teil des Soundtracks zu Roland Emmerichs Apokalypse-Spektakel "2012". Erneut lässt der Sänger sich hier über seine Anhänglichkeit in Liebesdingen aus.
Im Prinzip drehen sich alle Songs auf "For Your Entertainment" um die großen Themen von Teenagern auf der ganzen Welt: Liebe, Schmerz, Party, Anerkennung. Damit springt er aufs Trittbrett einer ganzen Welle von Castingshow-Sternchen, die in pubertierenden Heranwachsenden eine kaufkräftige Zielgruppe gefunden haben.
Dem Titel seines zweiten Werkes bleibt Adam damit durchgängig treu: He's here for our Entertainment. Das heißt: Tanzen, springen, abspacken. Und die Texte bitte ausblenden.
5 Kommentare
1. Heranwachsender? Mit (damals) 27? Naja.
2. Zu Beginn von Absatz sechs fehlt der Artikel.
3. "Damit springt er aufs Trittbrett einer ganzen Welle von Castingshow-Sternchen, die in pubertierenden Heranwachsenden eine kaufkräftige Zielgruppe gefunden haben." Nachdem Castingshows generell ein eher jugendliches Publikum anlocken, weiß ich nicht, ob man diesen Aspekt derart krampfhaft betonen muss...?
4. "Tanzen, springen, abspacken." Abspacken? Zu diesem Album? Bedingt.
5. Gott sein Dank haben sie das Cover im Vergleich zum US-Release verändert!
Das Interessanteste an diesem Album ist auf jeden Fall Adam's variantenreiche Stimme, mit der er auch aus teilweise eher durchschnittlichen Songs noch etwas Besonderes macht. Und ja, natürlich merkt man bisweilen, dass er aus dem Musicalbereich kommt, aber wenn man, wie ich, diesen Stil mag, wirds einen kaum stören. Abgesehen davon ist die stilistische Bandbreite des Albums recht groß, also sollte das kaum ins Gewicht fallen. Für den Anfang (das erwähnte US-only-Album ist, wenn mich nicht alles täuscht, eine Veröffentlichung von Aufnahmen aus der pre-Idol-Zeit und kein "reguläres" Album) finde ich das Album auf jeden Fall gelungen (3/5?), dennoch würde ich mir wünschen, dass Adam für das Nachfolgealbum ein bisschen besseres Songmaterial bekommt.
Naja die Single geht in's Ohr und führt nicht gleich zu Brechreizattacken wie sonst üblich...
Guter Sound. Der Gesang ist mir zu amerikanisch.
Heutzutage darf man, ich zitiere, "androgyn" sein, ohne der schwarzen Szene oder irgendwelchen Emo-Subkulturen anzugehören. Und plötzlich kennt die "aktuelle Generation" wieder David Bowie. Trotzdem eifert man Lady Gaga nach. Ich finds ätzend. Die Stimme von Lambert ist gut, zweifelsohne, aber die Songs...............naja.
Oh man... Was ist nur mit muse los? Schade.