laut.de-Kritik
Hell, warm und ein bisschen 'on dope'.
Review von Philipp KauseAddis Pablo, geboren am 18. August 1989, ist Sohn der vor über 20 Jahren verstorbenen jamaikanischen Legende Augustus Pablo. Und auch des Sohnemanns Instrument ist die Melodica - eine Art geblasenes Keyboard. Addis' schnörkellose EP "Bright Star" enthält fünf instrumentale Tracks und drei mit Vocals. Wie das Artwork demonstriert, steht das aerophone Tastengerät im Mittelpunkt der Aufnahmen. Ja, Addis setzt dem Ding ein Denkmal.
Dabei verzahnt sich handwerkliche Präzision auf bezaubernde Weise mit der Gefühlsebene. Naturverliebt, hell, strahlend, warm und ein bisschen psychedelisch 'on dope' groovt diese kurze und sehr schöne Platte.
Die Melodica macht bis dato eine überschaubare Karriere in der Pop-Geschichte, wobei Jamaika sie besonders früh und prägnant einsetzte. Kleiner Exkurs: Als Hits am schwarz-weißen Blasinstrument glänzen "Clint Eastwood" von den Gorillaz, "Champagne Supernova" von Oasis, "And We Danced" von den Hooters. Auf Goldfrapps Album "Felt Mountain" findet sie sich ebenfalls. Die Red Hot Chili Peppers setzten für "On Mercury" auf das Teil, und John Frusciante schenkte dem Kollegen Kiedis sogar eines vom Hersteller Hohner. Donald Fagen, Jon Batiste und New Order sind ebenfalls Fans der verträumten Stimmungen, die das Instrument hervorruft.
Im Reggae ist zudem Peter Tosh zu nennen, Joe Whites Klassiker "Jah Jah Dub" (1975), Monty Alexanders "Monty Meets Sly & Robbie" (2000) sowie das Gesamtwerk von Augustus Pablo. Sein Sohn und der Kanadier Exco Levi halten dieses Erbe wach. Auf drei reguläre EPs, ein Album, ein paar Mini-EPs und Maxi-Singles verweist Addis bisher. "Bright Star" wirkt nun erstmals als geschlossenes Konzept, bei dem die Stücke einen runden Bogen schlagen, obwohl gleich drei verschiedene Sound Systems für die Stücke verantwortlich zeichnen.
Romantische Melodien malen hier geradezu die warmen Farben der Hausfassaden von Kingstons bunter Fleet Street. Goldene Federn ("Golden Springs") tauchen vor dem inneren Auge auf, folgt man dem freundlich funkelnden Sound. Auch der helle Stern ("Bright Star") leuchtet voller positiver Vibes. Während die Musiker sicher an der "Pipe" ziehen, in der Frühe, nachmittags und am Abends, wie "Inna Di Dance" erläutert, schweben sie "irie". Wo die Pfeife mal beiseite lieg, werde das in der jamaikanischen Lesart heilige Kraut als Tee aufgebrüht. Sänger hier: Spliffy Dan. Die anderen beiden Vokalisten: Ranking Joe (im Raggamuffin "Stand Firm") und Brother Culture ("12 Lights").
Die Instrumentals, auch das tropenfeuchtwarme "Chanting Praises" und das schnuckelige "African Princess" suggerieren in ähnlicher Weise wie Krautrock, dass man viel Zeit hatte und ohne Schere im Kopf Session-artig improvisierte. So hilft "Bright Star" zum Runterkommen. Dank magnetischer Melodielinien kann man sich der EP gut hingeben. Lässig genießt man die Space-Effekte mancher Dub-Echos. Entspannt lassen sich die rührend analog leiernden verwaschenen Melodica-Töne auskosten. Addis Pablo hat ein idyllisches Kunstwerk geschaffen.
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