laut.de-Kritik

Die Katze ist tot.

Review von

Ja, ich sollte es besser wissen. Ich sollte es so viel besser wissen. Aber: Curiostiy killed the cat. Am Jahresende tauchte auf dem Release-Radar ein Kollabo-Album von Drama-YouTuber KuchenTV mit den ehemaligen JBB-Battlerappern und Baba Saad-Schützlingen Twizzy (fka McTwist) und Cashisclay auf, und ich konnte nicht anders. Ich musste einfach wissen, was in der untersten Schublade von Deutschraps wunderlichster Mutation zehn Jahre nach Platzen der Blase so passiert ist. Stellt sich heraus: Oh Gott, ist die Katze tot. Die Katze ist tot und verrottet und mieft durch den Keller.

Habt ihr euch schon mal gedacht: "JBG2" ist schon cool, aber irgendwie kann ich die beiden Artists darauf ein bisschen zu sehr ernstnehmen? Warum gibt es dasselbe nicht von der Incel-Clique des Abi-Jahrgangs, die ihre Disses exklusiv über nischiges YouTube-Drama schreibt? Dann müsst ihr einen Flaschengeist gefunden haben, denn no way in hell ist dieses Album wirklich real. "Dissrespekt" ist das fünffach fermentierte Restgebilde JuliensBlogBattle, das eine neue Heimat in der Alt-Right-YouTube-Drama-Bubble gefunden hat. Natürlich ist es eine der unhörbarsten Missgeburten, die ich jemals für diese Seite ans Tageslicht gezerrt habe. Aber, wow, es ist eine faszinierende Missgeburt.

Lernen wir zunächst unsere Protagonisten kennen: McTwist ist ein Battlerapper, der seinerzeit im VBT-Kosmos als Sidekick von EstA bekannt wurde. EstA war der wohl schlechteste Finalist der VBT-Geschichte, und Twizzy teilt dessen Ansicht, dass Battlerap nur dann gut ist, wenn man groß und episch investigative Details über das Leben seiner Gegner auffährt. Damit passt er natürlich wunderbar ins "Beuteschema" (Deep-Cut-Referenz, IYKYK) des JuliensBlogBattles, in dem Hip Hop nur zwei Elemente zählt, nämlich Chorbeats und Facebook-Screenshots.

In diesem grotesken Rap-Vivarium wurde auch Cashisclay bekannt. Der Kerl, der sich unwürdig nach dem Boxer benannt hat, ist ein Dude, wie es ungefähr 300 in jeder Kleinstadt gibt, ich nehme an, sein Hobby ist McFit und seine Jogginghose riecht nach der Wichse vom Vortag. Sein Ding ist, der generischste Rapper der Deutschrap-Geschichte zu sein - und er kann schnell rappen.

Der odd one out ist definitiv KuchenTV. Sein Name verrät es, sein Flow überdies auch: Das ist gar kein Rapper, sondern ein YouTube-Keck, den Satan aus einer Rippe von JuliensBlog erschaffen hat. Stellt ihn euch als das eine Kind in der Klasse vor, das konstant das N-Wort sagt, um die Aufmerksamkeit der Lehrer zu bekommen, nur nicht als Kind, sondern als einen erfolgreichen YouTube-Kanal. Er entstammt dieser YouTube-Ära, für die der Kampf gegen das RTL-Gamescom-Video die große emanzipatorische Bewegung der Zeit war (deutsches Gamergate for real). Seitdem hat er sich neuen kreativen Herausforderungen gestellt, wie dem Kampf gegen Social Justice Warriors und Wokeness. Immerhin von seiner NPD-Wahlempfehlung hat er sich heute distanziert.

So. Das wirkt doch wie ein Gespann, dem man ein wundervolles Rap-Album zutraut, nicht? Also, was passiert hier überhaupt? Das ist schon einmal das erste Problem: Fast alle diese Tracks sind Disstracks gegen Leute, die, so muss man annehmen, YouTuber sind. Oder gegen Rooz, for some reason. Leider Gottes weiß ich nicht, wer Shurjoka, Freihraumreh oder Aline sind, und ich werde das jetzt bestimmt auch nicht googlen. Ich muss also per context clues erschließen, dass sie wohl die furchtbarsten Menschen aller Zeiten sein müssen. Wenn nicht, wären die Epik und der Pömp dieser Plastikbeats und das konstant durchritualisierte Geficke von ehrenlosen Müttern sicher ziemlich drüber. Und ich unterstelle diesen drei Leuchten bestimmt nicht, hier ihren ganzen Feuereifer auf belanglosen Bullshit zu verschwenden.

Entsprechend erfüllt das Tape zweierlei Funktion: Einmal ist es in seinem terminally online Rumgestänkere quasi so etwas wie "Gossip Girl" für pubertäre Sexisten. Zudem ist es ein nostalgischer Liebesbrief an die Ära JuliensBlogBattle: die Zeit, in der man online noch Judenwitze machen konnte, Frauen sich nie in die eigenen Online-Spaces verirrt haben und ein neues "Call Of Duty" unter dem Weihnachtsbaum das Größte überhaupt war. Raptechnisch klingt es so, als wäre alle musikalisch-stilbildende Geschichte des Genres ausradiert und von einem mp3-Rip von Kollegahs "Boss Der Bosse" und eine innere Stimme von JuliensBlog ersetzt worden, der gleich die Silbenzahl deiner Reime numerisch bewerten wird. Das Ganze garnieren natürlich Plastikbeats und diese konstant gesetzten, extrem steifen Reimdoppelspuren. Es darf schließlich niemand verpassen, dass gerade Eichenschranktür auf Leichensack-Kür gereimt wurde, oder so.

Eine Sache finde ich aber doch spannend: Twizzy und Cashisclay haben beide jeweils einen Song, den ich im Rahmen ihres Geschmackes sogar ganz solide nenne: Der zweite Part von "Knock Out" ist das beste, das Cashisclay je gerappt haben dürfte, es geht um seinen Frust über die gescheiterten Label-Pläne nach seinem JBB-Hype. Man nimmt ihm ab, dass das an ihm zehrt.

"So Lang Ich Leb" ist die ehrlich aufwühlende Geschichte von Twizzys Kindheit, in der er während einer schweren Krankheit seiner Mutter in eine ihn misshandelnde Pflegefamilie gegeben wurde. Das wäre regelrecht richtig gut, stammte er nicht aus diesem Rapper-Pfuhl, in dem sich "gut rappen" in Reimketten und nicht einer anderen Sache als Reimketten veräußern kann. So rappt er sein tiefstes inneres Leiden so, als bekäme er gleich die Technik-Punkte gezählt, und es zwingt ihn konstant in unnatürliche, holprige und klischeehafte Formulierungen, wo er eigentlich sein Herz sprechen lassen sollte. Das wirkt, als hätte jemand einen Liebesbrief geschrieben, aber sich künstlich auferlegt, er dürfe nur Wörter verwenden, die mit "B" anfangen.

Aber das macht dieses Album so lustig für mich: Wir haben hier offensichtlich zwei komplett aus der Zeit gefallene Has-Beens, die die Plattform von einem Internet-Quälgeist nutzen wollen, um ins Rampenlicht zurückzukehren. Dafür platzieren sie ihren emotionalen Song über Kindheitstraumata auf dem Album neben einem Pseudo-Pop-Song über YTitty-ass-Produktion, in der sie gegen die Woke-Bubble wettern. Oder der Track, in dem weitere mir unbekannte Menschen beschimpft werden, während sie die Melodie von "Hit The Road Jack" schlecht nachsingen. Glaubt mir: Ich bin politisch zwar vermutlich anders drauf als diese Shitlords, aber ich habe mich keine Sekunde provoziert oder gar wütend gefühlt. Im Gegenteil: Dafür sind die Jungens einfach zu durchschaubar verzweifelt. Ich habe ehrlich selten so schlechten, unüberzeugenden Ragebait gesehen. Dabei ist sowas doch echt nicht schwer, goddamnit!

"Dissrespekt" fasziniert mich über alle Maßen. Es fasziniert mich, weil es dieser wirklich mitleiderregende Haufen Elend ist. Diese zurecht aus der Zeit gefallene, grauenhafte Anti-Musik, dieses Gehate gegen Influencer, obwohl Kuchen selber einer ist. Ich will ihnen nicht einmal die Gratifikation geben, das problematisch oder offensive zu finden. Alles, das ich sehe, sind drei Hanseln, die in der peinlichsten Ära des deutschen Internets gepeakt haben und jetzt mit verheulten Augen ihrem nach Monster Energy riechenden 2012 nachtrauern. Jetzt stehen sie mit nichts da außer mit Wut auf alle anderen, die nicht so fulminant wie sie hängengeblieben sind. Und mit einer wirklich beeindruckenden Schamlosigkeit, bei jedem und seiner Tante via Disstrack nach einem kleinen Fünkchen Aufmerksamkeit zu bettlen und sich dabei noch wie die moralische Instanz zu fühlen. Das ist olympische mentale Gymnastik, aber mir solls recht sein. Es hat selten so gut getan, etwas scheitern zu sehen.

Trackliste

  1. 1. Dissrespekt
  2. 2. Knock Out
  3. 3. Wokebubble Diss
  4. 4. So Lang Ich Leb (feat. Jay Jiggy)
  5. 5. Tik Tak (Shurjoka Diss)
  6. 6. Killshot (Aline Disstrack)
  7. 7. Bambis Mutter (Freihraumreh Diss)
  8. 8. Gewaltfantasie
  9. 9. Komm Nach Spandau
  10. 10. KuchenTV Diss
  11. 11. Fake-Ass
  12. 12. Alles Kaputt (feat. 4Tune & Jizi)
  13. 13. Trauerspiel (Rooz Disstrack)

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10 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 13 Stunden

    Die bisher rezensierten Alben in diesem Jahr, lassen für 2025 nichts Gutes erahnen.

  • Vor 13 Stunden

    Bitte beachtet mich – das Album.

  • Vor 11 Stunden

    Kleine Korrektur: Soweit ich weiß, war die Wahlempfehlung damals für die AfD.

    "Ich soll frauenfeindlich sein? / Augenscheinlich nein."
    - KuchenTV, der seinen Durchbruch auf YouTube mit einem Video gegen eine 12-jährige hatte.

    Da haben wir es also; das erneute Auftauchen der angestaubten Videorapbattle-Aussonderungen (nicht mal ein Gewinner dabei), gemeinsam mit einem YouTuber, der immer wieder Anzeigen wegen seiner oberflächlichen und beleidigenden Videos bekommt, die er dann in mehrteiligen Video-Reihen als "lächerlich" zu gaslighten versucht, auch wenn die über Wochen ermittelten Urteile tatsächlich gegen ihn ausfallen. Und natürlich sind es, dem eigenen Markenkern entsprechend, nur Disstracks.

    Was soll man groß sagen? Das ist Musik für Menschen, die auf Partys gehen, um Frauen an den Hintern zu fassen, weil sie sich auch nach dem zehnten Korb immer noch für so toll halten, dass es einfach funktionieren muss. Gleichzeitig provozieren diese Menschen mit rassistischen wie sexistischen Aussagen alle anderen auf der Feier, aber wenn ihnen dann jemand eine auf's Maul gibt, ist Gewalt plötzlich keine Lösung mehr und dann wird die Moral-Karte gespielt.

    Und das ist das Problem: Menschen wie KuchenTV begreifen Moral und Intelligenz als etwas, mit dem sie sich in einer Hierarchie hocharbeiten, nicht als notwendige Abstrakta für eine gesunde Gesellschaft. Deswegen gelten bestimmte Regeln nicht für sie, andere wiederum nur für sie. Das Wort "Einsicht" kommt in ihrer Welt scheinbar nicht mal als Verb vor, denn mehr als ein paar oberflächliche Beleidigungen finden auf diesem Album nicht statt.

    Aber kommen wir zu ein paar generellen Feststellungen zu diesem Schund:
    - VBT- und JBB-Musik ist furchtbar gealtert.
    - KuchenTV wird von den anderen beiden Teilnehmern für seine Reichweite ausgenutzt und nicht nur dafür; seine Performances fallen so stark ab, dass seine Kollegen dagegen wie Mobb Deep wirken.
    - Gute Technik ersetzt immer noch keinen guten Geschmack.

    Und zum Schluss, für die Memes: Deutsche Tom McDonald.

    • Vor 9 Stunden

      Ich gebe dir mit allem Recht, damit ist über diese schreckliche Bubble Alles gesagt. Ich würde aber hinzufügen, dass der Moralabsatz über KuchenTV auch exakt auf so einige andere Rapper zutrifft, die immer dann was von Ehre faseln, wenn es als Mittel zum Zweck gerade passt und sich ansonsten wie Axt im Wald aufführen.

  • Vor 3 Stunden

    Ich glaube das ist mit Abstand der peinlichste Artikel den ich gelesen habe. Alter Schwede.

    Musik ist Geschmacksache klar.

    Aber wie teils über die Rapper hergezogen wird ist echt Unterste Schublade. Das traurige ist das man auch weiß dass der Autor des Artikels vermutlich nicht mal einen Bleistift in der Hand hatte um mal einen Raptext zu schreiben.

    Auch dieses negative Framing weil ein Twizzy und Cashisclay eine JBB/VBT Historie haben ist eines vernünftigen Autors nicht würdig und wiedert nur an.

    Kann mir gut vorstellen das der Autor einen KuchenTV aus Prinzip gehatet werden weil es ist ja „kein Rapper“. Klar ist er kein Kollegah oder Sido, aber für seine aller ersten richtigen Rapsongs ist das ziemlich gut und hat Potenzial nach oben.

    Leider musst du für den Gölz schon perfekt 8-silbige Nomenreime auf einen banger Vendetta Beat mit perfekt auf sämtliche Silben angestimmten doubletime Flow kicken um bei ihm ein okay zu bekommen

    Twizzy ist vermutlich einer der Inhaltsstärksten Rapper die deutsch Rap grade zu bieten hat. Sein Rooz Diss war Bombe. Der hat ja auch ziemlich hart getroffen wenn man seine Aktion danach mit dem zusammenschlagen von Twizzy beachtet. Raptechnisch vom
    Flow ist er on Point, er hat wieder erkennungswert und ist musikalisch. Ich sehe mehr pro Twizzy als contra Twizzy. Auch sein Track Adolf Gotcha empfehle ich auch gerne zum hören

    Cashisclay ist in Sachen Flow einer eigene Klasse für sich. Durchweg musikalisch. Sehr gute Variationen. Angenehme Stimme und Betonungen und eine ausgewogene Stimmfarbe spiegeln immer ein gutes Gesamtbild ab

    Alles in allem eigentlich ein gelungenes Album und ein wirklich wirklich peinliche Rezession hier.

  • Vor 2 Stunden

    Übrigens erklärt einer der drei Rapper in diesem kleinen Video Essay warum er so ist, wie er ist: https://www.youtube.com/watch?v=sLw9GBODmYk

  • Vor einer Stunde

    "Dissrespect" ist kein Album, das man ohne seinen Entstehungskontext begreifen kann. Es ist, sicher neben anderen Faktoren, das Ergebnis einer Jahre andauernden, öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung zwischen KuchenTV und Shurjoka, aber provoziert gewiss auch andere Bekanntheiten der sozialen Medien. Diese Auseinandersetzung hat einige Absurditäten hervorgebracht, aber auch wenn man sicher den einen oder anderen Vorwurf gegen KuchenTV erheben kann, ja sollte (übrigens: Cashisclay, Twizzy und KuchenTV sind drei Individuen; es ist selbstverständlich keine Seltenheit, dass Cashisclay selbst KuchenTV für bestimmte Umgangsweisen kritisiert, lässt sich alles nachlesen)

    Würde man sich die Zeit nehmen, beispielsweise Cashisclays in seinen (zumeist mehrmals wöchentlich stattfindenden) Twitch-Streams genauer und länger zuzuhören, wäre leicht ersichtlich, dass eine Charakterisierung als "Alt-Right" kaum weiter daneben liegen könnte. Er nutzt Begriffe wie "woke" nun einmal nicht so, wie es die von ihm völlig verabscheuten Rechtsextremisten machen, um jegliche Befürwortung von Minderheitenrechte (wieder: Hätte man ihm zugehört, wüsste man, dass er das selbst, etwa im Bezug auf schwule Menschen, sehr ernst nimmt) ins Lächerliche zu ziehen, sondern ziemlich spezifisch für einen gewissen Kreis von Personen des öffentlichen Lebens, vor allem in den sozialen Medien, denen er Selbstgefälligkeit, mangelnde Authentizität in der Diskussion um Diskriminierung und eindimensionale Vorverurteilung zuschreibt. Dass er diesen teilweise belasteten (ursprünglich aber als Selbstbezeichnung eingeführten) Begriff nutzt, kann man sicher kritisieren, aber Cashisclay deshalb einer Alt-Right-Bewegung zuzuordnen, wiederholt genau den vorgeworfenen Fehler an Eindimensionalität und voreiliger, uninformierter Kategorisierung, die ihn ja so stört. Oder um es plakativ zu sagen: Er ist jemand, den die Extremisten von Rechts wahrscheinlich ebenfalls für "woke", für ihr woke, halten würden.

    Zu den anderen beiden kann ich leider weniger sagen. Über KuchenTV weiß ich, dass er (das ist ja im Review zumindest angedeutet) viele seiner Haltungen glaubhaft zurückgenommen hat. Ich als jemand, der politisch ziemlich links steht, gehe bei den meisten seiner Videos (wenn es überhaupt um politische Themen geht) mit oder verstehe den Standpunkt; dass man angesichts seiner gezielt provokanten Art, wenn man widerspricht sehr deutlich widerspricht, liegt in der Natur der Sache. Von Twizzy kenne ich wenige politische Äußerungen. Soweit ich ihm in Streams zugehört oder nach einem Konzert kurz begegnet bin, habe ich ihn als einen freundlichen, aufgeschlossenen Mann kennengelernt (was angesichts seiner Schicksalsschläge, vgl. den Song aber auch die gegen ihn gerichtete Gewalttat im Dezember '23, einfach nur schön ist).

    Da es hier aber nicht nur um Politik sondern auch um Musik bzw. Lyrik gehen soll (so sehr dieses Album natürlich einen untrennbaren Bezug bildet), noch ein Gedanke zu den Texten selber. Wer versucht, Humor über dieses Thema zu finden, findet eigentlich nur peinlichen Boomer-Humor im Stile eines Mario Barth ("innen? Und was ist mit außen?") oder pseudo-intellektuelle Variationen dessen. Aber: Das hier ist Battlerap (bzw. bedient es sich dessen Mechanismen, ein organisiertes Battle ist es nicht), und so sehr die allgemeine Streitfrage, was guten Battle-Rap ausmacht, hier am schlechtesten geklärt werden kann: Dieses Album hat humorvolle, durchdachte Fronts, ist frech, provokant. Es als reaktionär zu begreifen verkennt die Leistung dahinter, in einem eigentlich so dysfunktionalen Diskurs (beinahe jeglicher Humor darüber ist trivial und zugleich wird jeglicher Humor dagegen von einzelnen in die Nähe von Hassrede gerückt) überhaupt noch etwas originelles zu schaffen.

    Aber es gibt tatsächlich noch etwas ernsthaftes, was mich an dem Album stört, wenn das auch kein Vorwurf ist: Wer den besagten Kontext nicht kennt, und tatsächlich reaktionär veranlagt ist, wird einzelne Abschnitte begeistert mitsummen und dabei glauben mögen, dass es sich an diejenigen richtet, die Cashisclay, KuchenTV und Twizzy überhaupt nicht gemeint haben: Diejenigen, die einfach nur aufrichtig für die Menschenwürde eintreten oder es entschieden antirassistisch sind. Doch ein Vorwurf ist das schon deswegen nicht, weil nunmal jeder die Mündigkeit haben muss, sich selbst damit zu beschäftigen, wie etwas gemeint ist. Ich bezweifle, dass dies in dieser Rezension geschehen ist.

    PS: Am meisten gefallen an der Rezension hat mir die Erörterung von Cashisclays vollgewichster Jogginghose. Gerade die nüchterne Schilderung macht es so erotisch.

    • Vor einer Sekunde

      "'Dissrespect' ist kein Album, das man ohne seinen Entstehungskontext begreifen kann."

      Das spricht erstmal eher gegen eine Existenzrechtfertigung und Veröffentlichung dieses Albums.

      "[Es] ist selbstverständlich keine Seltenheit, dass Cashisclay selbst KuchenTV für bestimmte Umgangsweisen kritisiert, lässt sich alles nachlesen [...] Würde man sich die Zeit nehmen, beispielsweise Cashisclays in seinen (zumeist mehrmals wöchentlich stattfindenden) Twitch-Streams genauer und länger zuzuhören, wäre leicht ersichtlich, dass eine Charakterisierung als 'Alt-Right' kaum weiter daneben liegen könnte."

      Also erstmal gibt es auch Menschen, die besseres zutun haben, als sich wöchentlich den Stream eines B-Klasse-Battlerappers anzusehen. Und zum anderen macht es dieses Album noch unsinniger, als es ohnehin schon ist. Auch in deinen Ausführungen zu Cashisclay danach wird es nicht besser. Okay, er sieht die Dinge wohl in echt differenzierter als es die Texte implizieren und er ist wohl nicht Alt-Right. Toll. Hat ihn aber nicht davon abgehalten, bei Alt-Right-Songs ebenso stumpfe Fronts und Beleidigungen rauszuhauen wie die anderen beiden Vögel.

      "Woke" ist nunmal zu einem neurechten Kampfbegriff verkommen und wer ihn unironisch nutzt, braucht sich nicht wundern, wenn in die neurechte Ecke eingeordnet wird. Und es geht nicht nur um das Wort allein; auch sämtliche andere Dinge aus der progressiven Seite werden aktiv lächerlich gemacht und das Framing aufrechterhalten, dass linke Ideen und Personen an sich schon einen an der Klatsche hätten. Das ist keine Kritik, das sind irreführende Beleidigungen mit einer Agenda.

      Ansonsten bringst du auch noch den KuchenTV-Gaslighting-Klassiker dass er eben "provokativ" sei und dass es eben in einem demokratischen Diskurs dazugehört. Nein, der Typ labert nur Scheiße und seine Provokationen sind wertlos. Nichts weiter.

      "Dieses Album hat humorvolle, durchdachte Fronts, ist frech, provokant. Es als reaktionär zu begreifen verkennt die Leistung dahinter, in einem eigentlich so dysfunktionalen Diskurs (beinahe jeglicher Humor darüber ist trivial und zugleich wird jeglicher Humor dagegen von einzelnen in die Nähe von Hassrede gerückt) überhaupt noch etwas originelles zu schaffen."

      ...Digga, was? Dieses Album ist reaktionär, weil in ihm reaktionäre Ansichten über die Fronts geäußert werden. Und was hat der Humor-Begriff überhaupt dort zu suchen? Sehr viele Punchlines im Album sind noch nicht mal Witze oder als Witze gedacht, sondern einfach nur beleidigende Aussagen. Und für dich zum Mitschreiben: Humor, der auf Beleidigungen und Herabsetzungen anderer basiert, existiert schon seit Jahrtausenden, du Witzbold. Und er ist schon seit Jahrtausenden die uninspirierteste und einfachste Art, Lacher zu erzeugen. Davon wegzukommen und andere Wege zu finden, lustig zu sein, DAS ist originell.

      "Doch ein Vorwurf ist das schon deswegen nicht, weil nunmal jeder die Mündigkeit haben muss, sich selbst damit zu beschäftigen, wie etwas gemeint ist. Ich bezweifle, dass dies in dieser Rezension geschehen ist."

      Bro, wenn ich ein Album veröffentliche, in dem ich in jedem Song sage, dass ich Ausländer scheiße finde, ich dann schlechte Rezensionen erhalte, nur um dann damit um die Ecke zu kommen, dass ich in meinen Twitch-Streams immer gesagt habe, dass ich nichts gegen sie habe, was würdest du dann zu mir sagen? Wahrscheinlich sowas in die Richtung wie "Warum hast du das in deinen Songs nicht direkt klargemacht und dich darauf verlassen, dass sich Leute mit dir als Person ausführlich beschäftigen?" Ich finde das auch relativ lustig, hier sind nämlich genug Vögel, die sich immer wieder darüber aufregen, dass zu viel nach Kontext und zu wenig nach reiner Musik bewertet wird und hier muss man auf einmal den Kontext wissen, um eine fundierte Meinung zu haben. Schwachsinn.

      Außerdem kaufe ich denen das nicht ab. Die glauben den Müll, den sie rappen und dieses Scheiß-Argument mit dem Humor kannst du dir wirklich in deinen Arsch schieben, wo es herkommt. Das ist nur eine Ausrede, um vor sich selbst und seinen dummen Fans als moralisch dazustehen, weil es sonst auch keiner glaubt. Der "Witz" an den Punchlines ist vielleicht, um ein konkretes Beispiel zu nennen, dass KuchenTV halt nicht in echt auf die "woke Bubble" schießen würde. Er hat vielleicht noch nicht mal eine Pistole. Dass er die "woke Bubble" grundsätzlich nicht mag, ist kein Witz.

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